SPD-Minister Ist die Ampel ein Kindergarten? Pistorius wird deutlich
Verteidigungsminister Boris Pistorius übt Kritik an der Ampel. Dabei lässt er es an Deutlichkeit nicht vermissen. Der SPD-Minister fordert eine "große Anstrengung".
In der SPD scheinen sich die Reihen derzeit zu schließen. Altkanzler Gerhard Schröder ist soeben vom neuen SPD-Generalsekretär rehabilitiert und trotz seiner Freundschaft zu Gewaltherrscher Wladimir Putin wieder in den Kreis der Genossen aufgenommen worden. Der amtierende Kanzler Olaf Scholz versichert sich beinahe täglich der Unterstützung seiner Parteifreunde, die mit ihm als Kanzlerkandidat in die kommende Wahl gehen wollen. Kritische Stimmen sind gerade rar.
Nur einer scheint die sozialdemokratische Harmonie zu stören: Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister hat die Bundesregierung nun zu mehr Geschlossenheit aufgefordert. Nach der aktuellen Außenwirkung der oft zerstritten wirkenden Ampelkoalition gefragt, sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung im niedersächsischen Wolfenbüttel: "Die Zeiten sind nicht so, dass wir uns das wirklich erlauben können." Und auf die Frage, ob er nachvollziehen könne, dass das Regierungshandeln teils als Kindergarten bezeichnet werde, antwortete er: "Ja".
Das lässt sich als Kritik an der Richtlinienkompetenz des Kanzlers deuten, dem es auch im letzten Jahr seiner Regierung nicht gelingen mag, die Kakofonien in seiner Koalition zu dämpfen. Im Gegenteil, mit seinem Industriegipfel, zu dem Olaf Scholz seine wichtigsten Minister, Christian Linder (FDP) und Robert Habeck (Grüne), nicht einlud, hat der Kanzler seine Koalitionspartner überrascht. Daraufhin organisierte Finanzminister Lindner kurzerhand eine Art Gegengipfel, was dazu führte, dass die Stimmung in der Ampel erneut auf einem Tiefpunkt angekommen war (lesen Sie hier den Bericht unserer Politikreporter zum Thema). Dabei wäre gerade jetzt Geschlossenheit angesagt.
Das sieht auch Pistorius offenbar so. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, die Ausstattung der Bundeswehr, die Wahnsinnskosten nach der Coronapandemie und die derzeitigen Belastungen ist es aus Sicht des Ministers "eigentlich die Zeit für eine große, politische, nationale, geschlossene Anstrengung". Dazu gehöre für ihn auch, eigene Positionen zu überdenken, sagte Pistorius. Welche Positionen das sind, sagte er nicht.
Pistorius übt Generalkritik an der eigenen Regierung
Der Verteidigungsminister hatte zuletzt hinnehmen müssen, dass die groß angekündigte "Zeitenwende" des Kanzlers bislang zu wenig umgesetzt wurde. Pistorius kämpft angesichts der massiven Bedrohungen durch Russland und der Herausforderungen durch die Bündnisverpflichtungen im Rahmen der Nato für eine deutliche Aufstockung des Wehretats, wird bei diesem Ansinnen jedoch von seiner eigenen Partei ausgebremst.
"Ich trete weiter dafür ein, dass die Bundeswehr das Geld bekommt, was angesichts der allzu realen Bedrohung durch Russland notwendig ist", hatte er zuletzt dem "Tagesspiegel" gesagt.
In Wolfenbüttel ging der Minister mit seiner Kritik noch weiter. Er bezog sich hier nicht mehr nur auf die Auswirkungen der Schuldenbremse auf die Bundeswehr, sondern auf alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge. So sei die kaputt gesparte Infrastruktur Deutschlands das Ergebnis von Nicht-Investitionen in Zeiten von Wohlstand und niedrigen Zinsen. Zu glauben, diese Situation durch ein paar Umschichtungen im Haushalt hinzubekommen, könne er nicht verstehen. "Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir jetzt alle verstehen, dass diese Aufgabe zu groß ist", sagte Pistorius.
- tagesschau.de: Debatte über Verteidigungsetat. Union greift den Kanzler an, Pistorius die Union
- sueddeutsche.de: In der SPD muss mehr Platz sein als nur für die Positionen eines Boris Pistorius
- faz.net: Pistorius fehlen in der SPD die Verbündeten (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa