"Länger sollten wir nicht warten" Darum geht es beim AfD-Verbotsverfahren
Eine Gruppe Abgeordneter hat einen Antrag zum Verbot der AfD gestellt. Dieser wird heute diskutiert. Wie würde der Ablauf konkret aussehen? Und welche Hürden gäbe es?
Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten will ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD in Gang bringen. Heute wird sich der Bundestag mit dieser Frage befassen. Doch die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch – und ein solches Verfahren gegen die in den jüngsten Umfragen deutlich erstarkte AfD wäre mit vielen Unwägbarkeiten behaftet.
Wer kann ein Parteiverbot beantragen?
Ein solches Verfahren können die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beantragen. Darüber entscheiden kann aber nur das Bundesverfassungsgericht. Für ein Verbot notwendig ist dann eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Karlsruher Gerichtssenats.
Welchen Weg wählt die aktuelle Initiative?
Die Initiatoren möchten einen Antrag des Bundestags beim Verfassungsgericht einreichen. Um einen solchen Gruppenantrag in den Bundestag einzubringen, sind fünf Prozent der Abgeordneten erforderlich, aktuell wären das 37 gewesen. Der derzeitig vorliegende Antrag wird parteiübergreifend von 113 Bundestagsabgeordneten unterstützt. Am heutigen Tag ist eine 70-minütige Debatte geplant, um den Text im Bundestag zu diskutieren. Dass es bei der heutigen Sitzung zu einer sofortigen Abstimmung kommt, ist derzeit nicht geplant. Zunächst wolle man den Entwurf dem Innenausschuss vorlegen, heißt es auf der offiziellen Seite des Bundestags.
Was sind die Voraussetzungen für ein Parteiverbot?
Eine Partei kann in Deutschland laut Artikel 21 Grundgesetz nur verboten werden, wenn sie die "freiheitlich demokratische Grundordnung" beeinträchtigen oder beseitigen will. In einem Urteil von 1956 fordert Karlsruhe dafür eine "aktiv kämpferisch-aggressive Haltung", mit der diese Ordnung beseitigt werden soll. Zudem muss es laut Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass ein Erreichen der verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Welche Parteiverbote gab es bisher?
Seit Gründung der Bundesrepublik wurden zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei, die 1949 als Sammelbecken für Ex-Mitglieder der NSDAP gegründet worden war, und 1956 die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Ein Verbot der rechtsextremen NPD hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2017 abgelehnt. Karlsruhe attestierte der Partei damals zwar verfassungsfeindliche Ziele. Sie sei aber zu unbedeutend, um die Demokratie zu gefährden.
Ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD, die sich inzwischen in "Die Heimat" umbenannt hat, war 2003 ohne Entscheidung eingestellt worden. Denn damals war bekannt geworden, dass wichtige Ämter der Partei mit Vertrauensleuten der Verfassungsschutzbehörden besetzt waren.
Wie argumentieren die Befürworter eines Verbotsverfahrens gegen die AfD?
Die Initiatoren werfen der AfD in dem Bundestagsantrag vor, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen und gegenüber dieser Grundordnung eine "aktiv kämpferisch-aggressive Haltung" einzunehmen. Zudem attestiert der Gruppenantrag der AfD zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürdegarantie aus Artikel 1 des Grundgesetzes – so etwa die Forderung nach "Remigration" oder Äußerungen aus der AfD, welche die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und sexuellen Minderheiten verletzten.
Das Grundgesetz solle deshalb gemäß Artikel 21 feststellen, dass AfD verfassungswidrig sei. Hilfsweise solle vom Verfassungsgericht festgestellt werden, dass die AfD von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werde.
Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz mahnt im Gespräch mit "Ippen Media" die Dringlichkeit des Antrags an. "Länger sollten wir nicht warten", erklärt der ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung. "Je länger das dauert, je wirkmächtiger die AfD wird, je mehr das Gift einsickert in die Köpfe ihrer Anhänger, desto schwerer wird es am Ende sein, diese Menschen sozusagen wieder in die Demokratie zurückzuholen."
Was halten die Gegner entgegen?
Kritiker eines Verbotsverfahrens warnen, dass die AfD dadurch eine Art Märtyrerrolle einnehmen könnte – und letztlich gestärkt werde. Ein solches Verfahren würde Bürgerinnen und Bürger "in die Arme der AfD treiben", warnte etwa die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, im "Tagesspiegel". Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht nannte den Vorstoß im Gespräch mit t-online sogar den "dümmsten Antrag des Jahres". Lesen Sie hier mehr dazu.
Auch Ex-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte auf die Risiken eines Verbotsverfahrens verwiesen: "Würde ein solches Verfahren vor dem Verfassungsgericht scheitern, wäre dies ein gewaltiger PR-Sieg für die Partei."
- Nachrichtenagentur AFP
- fr.de: "Bundestag berät AfD-Verbot: Wanderwitz mahnt – 'Länger sollten wir nicht warten'"