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Grüne im Osten: Nouripour verzweifelt – Jugend wählt AfD


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Von der Jugend abgewählt
Das ist die Selbstaufgabe

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 25.09.2024Lesedauer: 5 Min.
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Grünen-Spitzenteam Annalena Baerbock, Robert Habeck: Ihnen laufen die jungen Wähler davon. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen/imago)

Die Grünen sind bei der Jugend abgewählt, die AfD dominiert. Andere Parteien müssen ihre Strategie begreifen – und sollten endlich von ihr lernen.

Omid Nouripour sieht verloren aus. Der Grünen-Chef sitzt mit Krawatte auf der Couch, liest Jugendworte von seinem Laptopbildschirm ab: "slay", "skibidi toilet", "es ist fire", "no cap", sagt er – na ja: stammelt er eher. Am Ende fragt er seine Mitarbeiterin hinter der Kamera: "Ich hab' kein Wort verstanden, warum muss ich das machen? Und was heißt das alles?"

Es ist das letzte Video, das die Brandenburger Grünen vor der Landtagswahl auf ihrem TikTok-Kanal hochgeladen haben – mit der Aufforderung an junge Wähler, die Grünen zu wählen. Mit einem Augenzwinkern ist es wohl gemeint. Dahinter aber steckt viel Wahrheit, viel Verzweiflung: Nouripour versteht die Jugend nicht. Die Grünen haben sie verloren. Und so geht es nicht nur ihnen.

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Greta Thunberg war gestern

Vorbei sind die Tage, als Jugendliche freitags für den Klimaschutz die Schule schwänzten, in der Freizeit Eisbär-Plakate bastelten und hinter Greta Thunberg in den Großstädten aufmarschierten. "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut" – das war gestern. Präziser: 2019.

Fünf Jahre später dominieren andere Bilder, andere Slogans. "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" grölen junge Erwachsene in einer Strandbar auf Sylt mit Aperol Spritz in der Hand. Die Junge Alternative stimmt auf der Wahlparty der Brandenburger AfD selbstbewusst den "Abschiebesong" an: "Hey, jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab!" Junge Neonazis laufen zu Hunderten mit Springerstiefeln und Hitlergruß gegen Christopher Street Days in Ostdeutschland auf.

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Auch an den Wahlurnen schlägt sich diese Stimmung schon länger nieder: Zweitstärkste Kraft war die AfD bei der jungen Wählergruppe bereits bei den Landtagswahlen im Herbst 2023 in Westdeutschland, dann auch bundesweit bei der Europawahl im Juni. Jetzt schaffte sie es in Thüringen, Sachsen und Brandenburg in der Altersgruppe mit weitem Abstand auf Platz 1. Und das mit ihren rechtsextremsten Verbänden.

Der größte Schatz der AfD

Für die AfD ist das ein unschätzbarer Gewinn, die Jugend ist ihr größter Schatz. Sie ist für sie die Vorhut für einen gerade möglich erscheinenden größeren gesellschaftlichen Umschwung. Wo die Jugend hingeht, wird es – so hoffen sie – auch die älteren, traditionsverankerten Wähler bald noch stärker hinziehen. Und gerade für den völkischen Flügel ist die Jugend ein zentrales Zukunftsprojekt: Die letzten Zeitzeugen des Holocaust sterben. Jetzt beginnt mit neuer Verve ihr Angriff, um Deutschland von der Wurzel weg wieder für Rassismus und NS-Relativierung zu öffnen.

"Glaubt nicht, was in Geschichtsbüchern steht!", ruft Björn Höcke auf seinen Veranstaltungen. Zu Dutzenden strömen Jugendliche zu seinen Reden, um zu lauschen und im Anschluss Selfies mit ihm zu schießen.

Was für Menschen wie Höcke das Hauptanliegen ist, ist für viele Jugendliche noch Beiwerk. Zur AfD getrieben werden sie aus Zukunftsangst, Krisenstimmung, Politikenttäuschung. Migration und innere Sicherheit sind auch bei ihnen jetzt dominierende Themen. Dazu kommen die Narben, die die Politik in der Corona-Zeit geschlagen hat. Die gesammelte Bundespolitik betonte da, wie arm dran die jungen Menschen seien. Bei den Beileidsbekundungen allerdings blieb es – bis heute.

Es wundert wenig, dass bei den Jugendlichen noch stärker als bei den Erwachsenen deswegen eine Hauptbotschaft der AfD verfängt: Warum anderen helfen, warum Flüchtlinge aufnehmen? Wir zuerst!

Sie haben einen Plan

Dass Jugendliche unsteter im Wahlverhalten sind, wissen sie bei der AfD dabei ganz genau. Klüger sein wollen sie deswegen als die Grünen. Der große Exodus der Jugend soll sich bei ihr nicht wiederholen. Verhindern müsse man, dass der Zustrom der Jugend wieder "wegschwappt", sagte AfD-TikTok-Größe Maximilian Krah gerade in einem Interview. "Wir haben die Jungs jetzt und die Mädels, jetzt müssen wir sie packen und dürfen sie nicht mehr hergeben."

Nicht nur wählen sollten Jugendliche die AfD, jetzt sollten sie anfangen, "in unserem Sinne zu streiten, ihre Umgebung zu formen, auf ihre Eltern einzuwirken", so Krah, dem im völkischen Flügel der AfD viele an den Lippen hängen. Die braune Revolution – mit der Jugend soll sie starten.

Die AfD befindet sich bereits mitten in der Umsetzung ihres Jugendplans. Von TikTok ist dabei jetzt viel die Rede, mancher Experte erhebt die App gar zum alleinigen Schlüssel der Partei zur Jugend. Doch was die AfD der Jugend bietet, geht darüber hinaus. Und die anderen Parteien sollten, sie müssen, davon lernen, wollen sie diesen verheerenden Prozess noch stoppen.

Fremdenhass als Ohrwurm

Das Kapern der Popkultur ist ein zentraler Schlüssel. Tiefe Bässe, eingängige Beats, simple Refrains – einen harmlosen Partyhit nach dem anderen formt das Vorfeld der AfD derzeit zu rassistischen Wahlkampfhits um. Neonazi-Slogans klingen so plötzlich nicht mehr angsterregend düster. Gut gelaunt wurmen sie sich ins Ohr, setzen sich dort über Wochen fest, sei der Zuhörer der Botschaft auch noch so abgeneigt. Begleitet wird der AfD-Sound von gut gemachten Memes, Fotos, Videos, oft mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz.

TikTok ist hierfür ein wichtiges Transportmittel, der Inhalt aber bleibt entscheidend. Die Botschaft der AfD fräst sich auf diese Weise so tief ins Hirn, dass irgendwann eine einfache Chiffre genügt, um sie abzurufen. "Döp dödö döp" druckt die "Junge Alternative" auf T-Shirts und Flyer. Nicht mehr als diese drei Buchstaben braucht es mehr, um an die Melodie von Gigi D’Agostinos Partyhit zu erinnern und seine umgewidmete Botschaft: Deutschland den Deutschen.

"Feelgood-Rechtsextremismus" nennt solche Methoden der Experte Johannes Hillje. Und in den Ideenschmieden der AfD sind sie reichlich stolz auf dieses Label. Sexy macht das die lange so verstaubt wirkende ehemalige Professorenpartei. Es lockt die Jugend – und ist sie einmal drin in der Blase, kommt sie so schnell nicht mehr heraus.

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Moped fahren mit Björn Höcke

Denn dort erwartet sie ein ganzes Freizeitangebot. Hausbootfahrten bietet die AfD-Jugendorganisation in Brandenburg an. Björn Höcke rief die Jugend in seinem Wahlkampf hingegen zum Mopedfahren auf – einen Tag lang fuhr er durch Thüringer Dörfer, Dutzende Teenager im Schlepptau. Und am Ende seines Wahlkampfs bedankte sich Höcke bei all denen, die aus dem Westen gekommen und wochenlang im Osten kampiert hatten, um in Gesinnungsgemeinschaft Plakate zu kleben, Flyer zu verteilen, Banner vorzubereiten, Stände zu betreuen. Auch hierbei ist der wichtigste Faktor: die Jugend.

Nicht nur Höcke zeigt deutlich, dass er die Jugend wertschätzt. Auf jeder Wahlkampfveranstaltung der AfD sprechen Funktionäre und Wahlkämpfer auf der Bühne gezielt die Jugend an, erklären, dass sie wichtig ist, dass sie ihre Probleme sehen, dass sie sie als Macht begreifen. Und das ist nicht nur PR. Auch neben der Bühne widmen sie sich ihnen mit viel Zeit – der Brandenburger AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt ließ für Gespräche mit Jugendlichen die Erwachsenen gerne warten.

Die AfD vermittelt ein Gefühl, das die anderen Parteien der Jugend inzwischen viel zu selten geben: überhaupt gesehen und ernst genommen zu werden, mit ihren Ängsten, Talenten, Potenzialen. Das muss sich ändern – und echte Lösungsvorschläge für ihre Probleme müssen her, die enttarnen, dass Fremdenhass nicht weiterhilft.

"Warum muss ich das machen?", wie Nouripour es formuliert, ist kein Angebot. Es ist die Selbstaufgabe.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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