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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Robert Habeck Er braucht jetzt Hollywood
Robert Habeck will die Grünen als Kanzlerkandidat wieder in die Regierung führen. Nur wie soll ausgerechnet der Mann mit dem Heizungsgesetz das schaffen?
Robert Habeck hat einen großen Brocken vor sich, und das hat nichts damit zu tun, dass ein paar Meter entfernt Arnold Schwarzenegger sitzt. Es ist der Dienstag dieser Woche, Berlin-Mitte, Hertie School, hohe Decken, kluge Menschen mit vielen Doktortiteln. Habeck steht auf der Bühne und soll begründen, warum der Terminator die Ehrendoktorwürde der Hochschule verdient hat.
"Dear Arnold", sagt Habeck also zu Schwarzenegger, der heute streng genommen nicht als Actionheld, sondern als früherer Gouverneur von Kalifornien gekommen ist. "Im Kino warst du 'Conan, der Zerstörer', aber persönlich, als Bürger und als Politiker, stehst du für Anstand und Kompromiss." Findet der Vizekanzler gut, also vor allem Anstand und Kompromiss.
Der Gouverneur Schwarzenegger habe sich von dem leiten lassen, "was richtig und notwendig war", sagt Habeck. Er habe mit denen gesprochen, die es brauchte, um die Dinge hinzubekommen – "to get things done". "Das ist heute wichtiger denn je", findet er. "Be useful" – sei nützlich, der Titel von Schwarzeneggers neuem Buch. "Das könnte der Slogan für meine Kampagne nächstes Jahr sein", sagt Habeck. Huch?
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Habeck spricht an diesem Tag nicht nur über Schwarzenegger, das wird spätestens an diesem Punkt klar. Er spricht auch darüber, wie er seine eigene Politik verstanden wissen will. Die Politik, für die er als Kandidat der Grünen bei der nächsten Bundestagswahl antreten wird. Es ist der große Brocken, den Robert Habeck vor sich hat. Er muss im Wahlkampf selbst auf ein bisschen Hollywood hoffen, auf die große Comeback-Story. Gegen alle Wahrscheinlichkeiten, vom Absteiger zum Kanzler. Oder zumindest wieder in die Regierung. I'll be back, ich komme wieder, so wie der Terminator.
Wenn man Robert Habeck länger begleitet, sich mit Parteifreunden und Menschen aus seinem Umfeld unterhält, dann zeichnet sich langsam ab, wie das gelingen soll. Und auch, wie es mächtig schiefgehen könnte.
Baerbock, Habeck und eine Hoffnung
Die Vorbereitungen fürs Comeback laufen natürlich längst. Die Grünen versuchen es kaum noch zu verstecken, auch wenn es offiziell niemand in ein Mikrofon sagen darf. Noch bevor CDU-Chef Friedrich Merz Anfang dieser Woche seine Kanzlerkandidatur verkündete, ploppte am Freitagabend ein Selfie auf Instagram auf. Es zeigt Annalena Baerbock und Robert Habeck, Kopf an Schulter, breit lächelnd. "Tourdaten 2025 folgen." Zwinkersmiley.
Baerbock hatte schon vor Wochen angekündigt, lieber Außenministerin als Kanzlerkandidatin sein zu wollen auf der Wahlkampftour. Bleibt also auf dem Foto noch einer übrig für diese Rolle. Zwinkersmiley.
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Das Selfie hat viele in der Partei elektrisiert, wie mehrere Grüne es sagen. Nicht, weil es ein weiterer Hinweis auf die ausgemachte Kandidatur Habecks ist. Sondern weil es für sie eine Hoffnung birgt. Die Hoffnung, dass es besser kommen könnte als erwartet. Oder zumindest weniger schlecht als befürchtet.
Baerbock und Habeck – das Duo steht bei den Grünen nicht nur für eine Phase in der Parteigeschichte ab 2018, in der die Grünen in den Umfragen mitunter bei mehr als 25 Prozent und manchmal auf Platz eins lagen. Es steht auch für ein grünes Gefühl, das jetzt bei vielen hochkommt. Das Gefühl, in der Partei gehört zu werden, egal ob man dem Realoflügel angehört oder dem linken. Eine Einigkeit nicht nur für die Fernsehkameras. Das haben die damaligen Parteichefs aus Sicht vieler gut hinbekommen.
Professioneller Frieden und tiefes Misstrauen
Eine Partei, die nicht mit sich selbst hadert, ist die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt etwas werden könnte im nächsten Jahr. Da sind sich alle einig. In den Wahlkampf geführt vom bekanntesten Duo – das auch nicht mehr mit sich selbst hadert.
Lange war es mindestens schwierig zwischen den beiden, Habeck tief enttäuscht, dass er 2021 nicht Kanzlerkandidat werden durfte. Kleine Giftigkeiten, unterschiedliche Temperamente. Nun scheinen sie sich etwas zusammengerauft zu haben, zumindest professionell. Dem Selfie gingen mehrere Vieraugengespräche voraus, es gibt gut abgestimmte Auftritte der beiden in der Bundestagsfraktion. Immerhin.
Angesichts der miesen Lage der Grünen wirkt das von außen betrachtet trotzdem wie ein sehr bescheidener Moment der Hoffnung. Was vor allem darauf hinweist, wie groß die Zweifel bei vielen Grünen vor dem Wahlkampfjahr sind. Und auch, wie tief das Misstrauen gegenüber Robert Habeck bei manchen sitzt.
Schon vor Wochen streuten seine Anhänger, dass Habeck bei einer Kandidatur Beinfreiheit brauche für seinen pragmatischen Kurs. Das, was eine Partei wolle, dürfe nicht größer werden als das, was das Land brauche – so oder so ähnlich formuliert Habeck es seit Wochen selbst. Und sagt Sätze wie: Bei einem Spielstand von 4:0 gegen die Grünen müssten alle ihre Laufwege kennen. Was übersetzt bedeutet: Im Zweifel gebe ich die Kommandos. Und: Das könnte für die Partei auch Zumutungen bedeuten.
Kein Freifahrtschein für Habeck
Im linken Parteiflügel haben sie die Botschaften des Realos Robert Habeck sofort durchschaut. Genauso wie die Entscheidung, seine bisherige Parlamentarische Staatssekretärin und enge Realo-Vertraute Franziska Brantner zu seiner Wahlkampfmanagerin zu machen – und nicht die Politische Bundesgeschäftsführerin Emily Büning, deren Job das eigentlich wäre.
Die Antwort des linken Flügels lautet: Einen Freifahrtschein für Habeck wird es nicht geben. Sie wollen mitreden, wenn es ums Wahlprogramm geht, und zwar nicht nur formell. Einen Schwerpunkt bei der sozialen Gerechtigkeit fordern sie. Und sie fürchten sich davor, wie weit nach rechts Habeck in der Migrationspolitik rutschen könnte.
Mancher im linken Flügel verlangt von Habeck die Zusage, dass endlich Schluss ist mit den Asyl-Kompromissen. Nicht nur im Wahlprogramm, sondern auch in der Regierung. Mal wieder über Menschenrechte reden, nicht über Zurückzuweisungen. Auch auf einen Koalitionsbruch würde es mancher im Zweifel ankommen lassen.
Es ist das Politikfeld, bei dem es noch krachen dürfte. Das sehen sie auch in Habecks Realoflügel so. Und pochen trotzdem auf ein Programm, das zum Kandidaten passt. Also zum Pragmatiker, der in der Regierung gerade viele Zumutungen mitträgt. Ein fröhliches Selfie wird also nicht ausreichen, um die Lager so zusammenzuführen, dass am Ende alle lächeln können.
Der Kandidat mit dem Heizungsgesetz
Dabei wird es ohnehin hart genug. Die Grünen stehen in den Umfragen bei elf, in manchen nur noch bei zehn Prozent. 35 Prozent der Deutschen wollen dem Institut Allensbach zufolge im Moment auf keinen Fall, dass die Grünen in der nächsten Bundesregierung sitzen. Schlechter schneidet nur die AfD ab.
Nicht nur die Grünen insgesamt, auch Habeck persönlich hat massiv Vertrauen verloren. Er bleibt der Kandidat mit dem Heizungsgesetz, das wird er nicht los. Und ausgerechnet er soll die Grünen jetzt aus dem Keller holen?
Die Grünen trauen Habeck viel zu im Wahlkampf. Dem Politikerklärer, wie sie es nennen, der anders redet als die anderen und auch über andere Dinge spricht. Der die kleinen politischen Details in die großen Linien einfügt, der den Phasenschiebertransformator im Stromnetz in wenigen Sätzen mit Putins Angriff auf Europa zusammenbringt. Aber nicht nur seine Gegner trauen ihm genauso zu, dabei dumme Fehler zu machen. Versprecher, Verwechsler, Ungenauigkeiten. Momente, in denen man eine Wahl verlieren kann.
Sie betonen jetzt natürlich seine Erfolge: Deutschland hat er in kurzer Zeit unabhängig gemacht vom russischen Gas. Den Ausbau der erneuerbaren Energien so beschleunigt, dass die Energiewende zum ersten Mal machbar erscheint. Zum Beispiel. Nur hält sich eben die Sorge vor der Klimakrise in Deutschland gerade in Grenzen. Und der Wirtschaft gehts schlecht, was für einen Wirtschaftsminister im Wahlkampf ziemlich unglücklich ist.
Der Jürgen Klopp der Politik
Die Probleme sehen sie bei den Grünen selbst. Lange lautete die Hoffnung für die Bundestagswahl, dass das Wirtschaftswachstum noch rechtzeitig zurückkommt. Es wäre die handfeste, die sichtbare Comeback-Story gewesen für Habeck. Wird wohl nicht funktionieren, also braucht es jetzt eine Alternative.
Wie die aussieht, ist am Mittwoch in Berlin beim BDI zu erleben. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat eingeladen, "InnoNation" flimmert über eine gewaltige LED-Wand auf der Bühne. Es geht um Innovationen, um frische Ideen für Wirtschaft und Wachstum. Wie passend. Nur muss Robert Habeck erst mal darüber sprechen, warum Deutschland in der Rangliste abrutscht und Gesetze aufzählen, die dagegen helfen sollen. Darin hat er langsam Übung.
Zum Schluss fragt ihn die Moderatorin, was er persönlich beitragen wolle, damit es wieder besser wird. Und plötzlich wird Habeck grundsätzlich. "Wir müssen als Land wieder in eine innere Haltung kommen zu sagen: Wir werden die Dinge lösen. Wir lassen nicht zu, dass das hier den Bach runtergeht." Also Mut, Zuversicht, den Rücken gerade machen. Das könne man nicht politisch anordnen, sagt Habeck. "Es gibt kein Gesetz zur Zuversichtsverordnung oder so was." Aber er nehme sich vor, seinen Beitrag zu leisten. "Mal gucken, wie weit das fliegt."
Robert Habeck als Zuversichtsbeauftragter. Der Jürgen Klopp der Politik, wie mancher bei den Grünen jetzt sagt. Es ist ein wichtiger Teil seiner Strategie: Nicht nur für sich werben, indem man Spiegelstriche aus dem Wahlprogramm aufzählt, sondern ein positives Gefühl erzeugen. Optimismus gegen Missmut, aus dem Populisten und Rechtsextreme ihre Kraft saugen. Der Gute-Laune-Bär gegen die Miesepeter.
Ein bisschen Merkel-Nostalgie
Doch nicht nur Jürgen Klopp spielt für Robert Habeck gerade eine wichtige Rolle, sondern auch Angela Merkel. Die grüne Analyse lautet, dass die Union mit Friedrich Merz eine Lücke genau dort hinterlässt, wo sie in den Merkel-Jahren bei Wahlen erfolgreich war: in der stabilitätsorientierten Mitte der Gesellschaft. Jetzt, wo der Boden wieder wankt, brauche es Orientierung, Sachlichkeit, Stabilität – keinen aufbrausenden Friedrich Merz und auch keinen schmallippigen Olaf Scholz.
Diese Lücke will Habeck besetzen, in den vergangenen Wochen hat er das mehrfach auch öffentlich angedeutet. Mit einer Lobhudelei zu Merkels Geburtstag im "Rolling Stone" zum Beispiel, in dem er ihren "feinen Spott", ihre "wohltuende Normalität" und die "Stabilität" ihrer Ära lobte.
Das Problem dabei ist allerdings, dass Merkel diese Stabilität vor allem dadurch erzeugt hat, dass sie den Deutschen jegliche Zumutungen ersparen konnte. Es lief viele Jahre einfach gut, jetzt aber ist Krieg und Krise. Das sieht Habeck selbst, und deshalb ist es auch hier eher das wohlig-warme Gefühl, an das er anknüpfen will – nicht ihre Politik. Ein bisschen Merkel-Nostalgie also, eine wärmende Illusion im Krisensturm.
Das Problem: Genau wie die gute Laune kann Robert Habeck das nicht politisch verordnen und auch nur sehr begrenzt herbeireden. Ihm bleibt vor allem: Hoffnung. Auf eine bislang noch schweigende Mehrheit, auf irgendeinen großen Wendepunkt, einen Ruck. Eben auf eine Comeback-Geschichte wie in Hollywood.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen
- faz.net: Allensbach-Umfrage: Die Wähler setzen auf die Union