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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Asyl-Talk bei Lanz Expertin spricht von "Etikettenschwindel"
Der Abbruch der Asyl-Gespräche zwischen der Ampelkoalition und der CDU ruft heftige Kritik hervor. CDU-Politiker Thorsten Frei schiebt die Schuld dafür auf den politischen Gegner. Eine Expertin legt mit Kritik nach.
Die Gäste
- Elmar Theveßen, Journalist
- Jürgen Trittin, Politiker (Bündnis 90/Die Grünen)
- Thorsten Frei, Politiker (CDU)
- Victoria Rietig, Migrationsexpertin
- Wolfram Weimer, Publizist
So ganz wollte CDU-Politiker Thorsten Frei am Mittwochabend bei "Markus Lanz" das Wort "Gesprächsabbruch" nicht in den Mund nehmen. Man habe zwei Stunden miteinander gesprochen, um dann festzustellen, dass das, was die Ampel angeboten hat, nicht das war, was man eine Woche zuvor besprochen habe, berichtete er vom Asyl-Gipfel der Ampelkoalition mit der CDU. "Dieses Format war dafür ausgerichtet, etwas Großes zu erreichen. Einen gewaltigen Schritt nach vorn. […] Für uns als Opposition in diesem Format muss auch etwas Großes herauskommen."
Dass die CDU den Gesprächsabbruch vorab geplant habe oder daraus politisches Kapital schlagen wollte, bestritt er vehement. Die Migrationskrise nutze niemandem. "Ganz im Gegenteil. Wir haben eine Situation in Deutschland, die wirklich maximal angespannt ist. Wir sehen die Auswirkungen auf verschiedene Wahlen", so der CDU-Mann. 77 Prozent der Menschen in Deutschland wünschten sich eine grundlegende Kehrtwende in der Migrationspolitik, meinte er.
Frei: "Die Enttäuschung war groß"
Die CDU drängt auf vermehrte Zurückweisungen an der deutschen Grenze – insbesondere von Menschen, die aus sicheren Drittstaaten wie Österreich oder Polen nach Deutschland einreisen. Frei sagte: "Das ist ein entscheidender Punkt, um Migrationsströme nach Deutschland zu begrenzen."
Der CDU-Politiker erklärte, dass man bei der ersten Gesprächsrunde bereits im Vorfeld die Antwort erhalten habe, dass Zurückweisungen möglich seien. "Die Enttäuschung war groß, dass man uns zuerst sagt, ja, wir machen Zurückweisungen an der Grenze, um uns dann zu präsentieren: Nein, wir machen gar keine einzige zusätzliche Zurückweisung, sondern wir setzen einfach das Dublinsystem fort, das heute ja überhaupt nicht funktioniert."
Auch die scharfe Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz auf den Gesprächsabbruch wurde thematisiert. Die wohl drastischste These des Abends dazu kam von Wolfram Weimer, der Scholz das "Charisma einer Büroklammer", in diesem Fall aber jenes eines Chinakrachers andichtete.
Scholz’ emotionale Reaktion zeige, wie "angefasst" er sei. Weimer sah Parallelen zwischen Scholz und dem US-Präsidenten Joe Biden: "In der SPD hat die Debatte längst begonnen: Wie bringen wir ihm bei, dass er nicht mehr Kanzlerkandidat wird? Es geht um den Kamala-Harris-Moment, so nennen die das in der SPD." Scholz spüre, dass es um das Ende seiner Amtszeit gehe.
Migrationsexpertin Rietig: "Etikettenschwindel" der Ampel
Migrationsexpertin Victoria Rietig nannte den Vorschlag der Ampelregierung "Etikettenschwindel": "Es wurde ein Modell für Zurückweisungen angekündigt und de facto wurde dann aber ein Modell des Status quo, mit ein bisschen beschleunigten Prozessen und Haft darin gegeben. Das ist aber keine Zurückweisung", so die Expertin. Andererseits müsse man auch sagen, dass die Ampel den Vorschlag der CDU geprüft habe und zum Schluss gekommen sei, dass er nicht mit europäischem Recht vereinbar sei.
Rietig räumte auch ein, dass Zurückweisungen an der Grenze bereits durchgeführt werden: "Im letzten Jahr 2023 ist jede vierte festgestellte Person von der Bundespolizei an der Grenze zurückgewiesen worden. […] In diesem Jahr hatten wir im ersten Halbjahr 42.000 Feststellungen, 21.000 Zurückweisungen – also jede zweite Person." Das Problem liege nicht in der Anzahl der Rückführungen an sich, sondern vielmehr darin, Asylsuchende zurückzuweisen, da dies europarechtlich meist nicht möglich sei.
Jürgen Trittin: "Deshalb muss es eine europäische Lösung geben"
Jürgen Trittin kritisierte, dass die Idee, das Problem ausschließlich den Ländern an den Außengrenzen, wie Griechenland und Italien, zu überlassen, nicht funktioniere. "Das haben wir auch schon alles erlebt. Deswegen muss es eine europäische Lösung geben", so Trittin.
"Wenn das Erste, woran man denkt, die 5.000 Menschen sind, die nach intensiver Prüfung im Rahmen eines geordneten Verfahrens aus dem Terrorland Afghanistan nach Deutschland gebracht werden, begleitet von entsprechenden Integrationsmaßnahmen, und man beschließt, dieses Programm als Erstes zu stoppen – dann ist das nicht besonders glaubwürdig", kritisierte Trittin außerdem. Man müsse sich die Frage stellen, wie man künftig den Zugang zur Staatsangehörigkeit organisieren und wie man mit den Menschen verfahren wolle, die aufgrund der aktuellen Lage in den nächsten fünf bis sechs Jahren nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können.
"Diese Menschen werden nicht in großer Zahl abgeschoben werden können", attestierte er. "Die Frage ist also, gebe ich ihnen eine Bleibeperspektive, indem ich sie schnell integriere? Oder sage ich: 'Ihr müsst noch mal 36 Monate in einem Sonderstatus bleiben.'" Letzteres, so das Fazit Trittins, sei das Gegenteil von einer klugen Migrationspolitik.
Am Ende der Diskussion wollte man die Frage klären, ob die Gespräche wirklich beendet sind oder ob es sich nur um eine Unterbrechung handelt. Thorsten Frei machte klar, dass die CDU weiterhin gesprächsbereit bleibe, forderte aber eine fundamentale Verbesserung.
Theveßen: "Aus diesem Klischee herauszukommen, ist nicht einfach"
Zu Beginn der Sendung sprach US-Korrespondent Elmar Theveßen über das TV-Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Es sei genau das Gegenteil der letzten Debatte zwischen Trump und Joe Biden gewesen, bei der Trump die Oberhand hatte. Dieses Mal sei es Kamala Harris gewesen, die souverän aufgetreten sei und wie eine "oberste Befehlshaberin" gewirkt habe. Die Strategie der Demokraten sei es gewesen, Donald Trump ganz er selbst sein zu lassen und die richtigen Knöpfe zu drücken. Mit Erfolg: Je mehr Trump ins Schwimmen kam, desto mehr erging er sich in Falschbehauptungen.
Für besonders viel Kopfschütteln sorgte etwa die Behauptung, Migranten würden die Haustiere der US-Amerikaner stehlen und sie essen. Über Trumps Vorwurf, seine Kontrahentin sei eine "Marxistin", meinte Theveßen: "Die Anhänger von Donald Trump sind überzeugt davon, dass Kamala Harris eine Kommunistin ist. Aus diesem Klischee wieder herauszukommen, ist nicht so einfach, auch wenn das, was sie bisher vorgeschlagen hat, mit Kommunismus nun gar nichts zu tun hat, sondern eher mit sozialdemokratischen Themen oder Themen der freien Marktwirtschaft in Deutschland".
- ZDF: Sendung "Markus Lanz" vom 11.9.2024