Reaktionen auf Wahlen in Ostdeutschland Kühnert macht FDP Ansage – AfD jubelt
Die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen und Sachsen haben über neue Landtage abgestimmt. In der Ampel bahnt sich eine Auseinandersetzung an.
Es war ein langer Wahlabend: Die Wahlausgänge in Thüringen und Sachsen bieten viel Stoff für Diskussionen. Die Ergebnisse sehen Sie hier.
Innerhalb der Ampelregierung bahnt sich eine Auseinandersetzung zwischen SPD und FDP an. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von einem neuen Kurs seiner Partei in der Ampelregierung – und bezog sich dabei direkt auf die FDP. Man werde sich "nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen von anderen, die krachend aus den Landtagen jetzt rausgewählt worden sind". Er fügte hinzu: "Das ist sicherlich auch ein Zeichen des Selbstbewusstseins, das wir senden müssen." Er kündigte an, dass die Spitze der SPD inklusive Kanzler Olaf Scholz dafür eine veränderte Körperhaltung bräuchten.
"Wir sind dafür gewählt worden, Verantwortung zu tragen und sie auch zu Ende zu bringen", sagte Kühnert. "Aber meine Partei wird sich beispielsweise nicht bieten lassen, dass zentrale vereinbarte Projekte dann am Ende einfach ausgesessen werden." Er nannte dabei etwa das Rentenpaket – das werde "auf der langen Bank gehalten von einem der Koalitionspartner".
Kühnert macht FDP Ansage
FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf der Plattform X: "Die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen schmerzen." In beiden Bundesländern schaffen es die Liberalen nicht in den Landtag. "Aber niemand soll sich täuschen, denn wir geben unseren Kampf für liberale Werte nicht auf", kündigte er an und fügte hinzu: "Und auch für die anderen Parteien des demokratischen Zentrums gibt es viel zu bedenken."
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Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender und Vizepräsident des Bundestages, sprach sich auf X gegen einen Fortbestand der Ampel aus: "Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren." Er fügte hinzu: "Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei."
Grünen-Chef Nouripour nach AfD-Erfolg: Leute haben Angst
Die Grünen zeigten sich betroffen vom hohen Wahlergebnis der AfD. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte zur Lage der Grünen, in Sachsen sei man erleichtert, wenn es so bleibe, dass man es wieder in den Landtag geschafft habe. In Thüringen sei es sehr schmerzhaft. "Aber dieser Schmerz ist, ehrlich gesagt, relativ randständig, verglichen mit der Zäsur in diesem Land, dass in Thüringen jetzt eine offen rechtsextremistische Partei stärkste Kraft geworden ist", sagte der Grünen-Chef. Er sehe viele Leute, die jetzt Angst hätten.
Nach Ansicht Nouripours ist die Regierungskoalition im Bund mitverantwortlich an den Wahlergebnissen der Ampelparteien in Sachsen und Thüringen. Man leiste gute Arbeit und zerrede das selbst durch überflüssigen Streit, sagte er im ZDF. "Wir müssen uns natürlich selbst an die eigene Nase fassen, wie wir das bisher so haben treiben lassen, dass es so aussieht, wie es aussieht." Der Glaube, den Streit in der Ampel abgestellt zu bekommen, sei in den vergangenen Wochen eher nicht gewachsen.
Jubel bei der AfD
Bei der AfD herrscht Jubelstimmung. "Ich bin stolz auf meine Partei", sagte Höcke. An die CDU gerichtet, sagte er: "Das dämliche Brandmauergerede und -gehabe muss vorbei sein." Die Christdemokraten lehnen eine Zusammenarbeit mit der AfD ab und sprechen in dem Zusammenhang von einer Brandmauer. Mehr dazu lesen Sie hier.
Parteichefin Alice Weidel sieht in dem Ergebnis ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen einen "historischen Erfolg". Die AfD sei "erstmals bei Landtagswahlen stärkste Kraft" geworden, sagte sie in der ARD. Ihre Partei gehe "gestärkt" aus den Wahlen hervor. Für Weidel sind die Ergebnisse "gleichzeitig eine Abstrafung der Ampel". Diese "sollte sich fragen, ob sie noch weiterregieren kann", betonte die AfD-Chefin.
Zu möglichen Regierungskoalitionen in den Bundesländern sagte Weidel: "Wir werden natürlich sowohl in Sachsen als auch in Thüringen auf die CDU zugehen." Auch Co-Chef Tino Chrupalla leitet aus dem Wahlergebnis für seine Partei in Thüringen einen Regierungsauftrag ab. "Das ist wirklich ein historischer Tag heute in Thüringen und ein sehr gutes Ergebnis in Sachsen", sagte er im ZDF.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann schließt derweil aus, dass die CDU in Thüringen oder Sachsen Koalitionen mit der AfD bildet. "Da sind wir sehr, sehr klar", sagte er in der ARD. Die CDU werde nun aus der Mitte des Parlaments heraus Regierungen bilden, sagte er. Er sei guter Dinge, dass dies erfolgreich sein werde. Die CDU sehe in den Wahlen auch ein Zeichen an die Regierung: "Die Ampelparteien sind abgestraft worden."
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht den Regierungsauftrag bei der CDU als stärkste demokratische Partei, wie er sagte. Dem pflichtete CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt bei und kündigte an, eine Regierung unter Führung seiner Partei bilden zu wollen. Er begreife das Wahlergebnis als Chance für einen politischen Wechsel unter Führung der CDU, sagte Voigt vor CDU-Anhängern in Erfurt. Er werde Gespräche führen, damit es in Thüringen eine "vernünftige Regierung" gebe.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht zeigte sich offen für eine Regierungsbildung mit der CDU. "Wir hoffen, dass wir am Ende eine gute Regierung mit der CDU zustande bringen, vielleicht auch mit der SPD", sagte sie. Mehr zu den möglichen Regierungsoptionen in Thüringen lesen Sie hier.
Erleichterung bei CDU in Sachsen
Sachsens CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer sagte auf der Wahlparty in Dresden: "Ich finde, wir haben Grund zu feiern." Er spricht, sichtbar erleichtert, von einem starken Rückhalt der Wähler für die CDU in Sachsen. "Die Leute hier in Sachsen haben uns vertraut. Sie haben keine Protestwahl gemacht." Es könne gelingen, dem Land eine stabile Regierung zu geben. "Wir stehen bereit, weiter Verantwortung für dieses Land zu übernehmen." Mehr zur Situation nach der Wahl in Sachsen lesen Sie hier.
DIW-Chef rechnet mit Abwanderung von Unternehmen
Aus der Wirtschaft kommen erste Reaktionen auf den Wahlausgang in den beiden Freistaaten. DIW-Präsident Marcel Fratzscher warnt wegen der Erfolge von AfD und BSW vor erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. "Vor allem die AfD steht für eine extrem neoliberale Wirtschaftspolitik, für Protektionismus und eine Abschottung von Europa, für weniger Zuwanderung von Fachkräften und eine geringere Offenheit und Vielfalt", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters.
Er halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Wahlergebnisse zu einer Abwanderung von Unternehmen und auch Fachkräften aus beiden Regionen führen werden. "Vor allem junge, gut qualifizierte und hoch motivierte Bürgerinnen und Bürger werden die beiden Bundesländer verlassen und dorthin gehen, wo sie mehr Offenheit und Wertschätzung erfahren", sagte der Ökonom. "Dies dürfte einen Anstieg der Insolvenzen und einen Exodus von Unternehmen zur Folge haben."
"In Thüringen ist das Wahlergebnis eine Abrechnung mit der Ampel", sagte die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, der Nachrichtenagentur Reuters.
"Die wirtschaftsfeindliche AfD wie auch die Blackbox BSW haben die größten Zuwächse bei der Thüringer Landtagswahl." Die Hochrechnungen zur sächsischen Landtagswahl sehen die CDU vor der AfD. "Für die Familienunternehmer trägt die CDU nun die Verantwortung für die Bildung einer neuen Regierung", sagte Ostermann.
- Wahlsendung in der ARD
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- Eigene Recherche