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Ampel-Einigung bei Haushalt: Was das jetzt bedeutet


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Die nächste Ampel-Einigung
Die verschwundenen Milliarden – und die Lösung


16.08.2024Lesedauer: 6 Min.
Finanzminister Christian Lindner mit Robert Habeck und Olaf Scholz: Der Haushalt für 2025 steht – enthält derzeit aber noch immer ein Milliardenloch.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz (Archivfoto): Sie haben sich geeinigt – aber viel hält sie nicht mehr zusammen. (Quelle: dts Nachrichtenagentur/imago-images-bilder)

Die Ampel hat die fehlenden Milliarden für den Haushalt aufgetrieben. Die Koalition ist damit gerettet – vorerst. Doch besser wird es wohl nicht mehr.

Robert Habeck muss noch mal schnell wohin. Es ist der Dienstagabend dieser Woche, der Vizekanzler hat den letzten Termin des Tages auf seiner Werbetour für die Wärmepumpe hinter sich. In Norderstedt hat er sich ein großformatiges Exemplar angeschaut, das Abwärme eines Rechenzentrums in Fernwärme für Hunderte Haushalte verwandelt.

Jetzt soll der Vizekanzler mit den Journalisten im Pressebus ins Hotel fahren. Doch kurz vor der Tür biegt er noch mal ab zu seiner Dienstlimousine. "Ich checke mal kurz mein Handy", sagt er, "aus gegebenem Anlass." Mehr muss er gar nicht sagen.

Der "gegebene Anlass", das ist in diesen Tagen der neu aufgebrochene Streit um den Haushalt. Die verflixte Sache lässt Habeck selbst auf Reisen nicht los. Zwischen seinen Terminen versucht er, mit Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner die fehlenden Milliarden aufzutreiben.

Das haben die "großen Drei" der Ampelregierung jetzt geschafft. Es gibt eine Lösung. Allerdings eine durchaus heikle, wieder einmal nach langem Gewürge, von dem besonders Habeck zuletzt genervt war und das auch öffentlich zeigte. Der akute Bruch der Regierung ist damit abgewendet, aber das war's auch schon. Der Streit scheint den letzten Rest Vertrauen gekostet zu haben.

Die verschwundenen Milliarden – und die Lösung

Schon dass es jetzt noch mal so weit gekommen ist, zeigt, wie zerrüttet die Koalition ist. Denn eigentlich hatte sie Anfang Juli verkündet, sich beim Haushalt einig zu sein. Aus Sicht vieler Koalitionäre mehr schlecht als recht, aber immerhin.

Was gleich klar war: Der Kompromiss sollte noch einmal von Experten überprüft werden. Da waren sich Lindner, Scholz und Habeck einig. Niemand wollte, dass der Haushalt erneut vom Verfassungsgericht kassiert wird. Noch dazu im Jahr vor der Bundestagswahl.

Für die Einigung nämlich hatten Scholz, Habeck und Lindner nach quälenden Verhandlungen drei eher kreative Wege gefunden, um die letzte Lücke von acht Milliarden Euro zu schließen. Allerdings eben unter der Bedingung, sie vorher durch ein ökonomisches und juristisches Gutachten überprüfen zu lassen.

Die Idee, übrig gebliebene Gashilfen-Milliarden von der staatlichen Förderbank KfW für den Haushalt zu nutzen, verwarfen die Gutachter einhellig. Geld an der Schuldenbremse vorbei der Bahn zu vermachen, hielten sie für grundsätzlich möglich. Der politische Deutungsstreit entbrannte an der Frage, ob das Gleiche auch für die Autobahn GmbH funktioniert. Denn die hat bisher keine eigenen Einnahmen.

Lindners Leute machten die Gutachten öffentlich und lieferten ihre Interpretation der Ergebnisse sofort mit: Geht so nicht bei der Autobahn, es müsse noch mal gespart werden, gerne auch beim Sozialen. Zum großen Ärger von Scholz und Habeck, die das lieber intern geklärt hätten.

Jetzt ist die Einigung da, und es ist wie so oft bei der Ampel: für jeden etwas dabei. Die Autobahn-Idee wird verworfen, Lindners Bedenken haben sich durchgesetzt. Noch mal gespart wird aber auch nicht, das war Scholz und Habeck wichtig. Was jedoch heißt, dass die Ampel am Ende nicht acht Milliarden, sondern nur fünf Milliarden über die Bahn und zwei weitere kleine Posten auftreibt. Ihr selbst gestecktes Ziel hat sie damit verfehlt.

Der Preis: Das Haushaltsloch, das alle Regierungen in ihren Entwürfen einplanen, weil nie alles Geld auch wirklich ausgegeben wird, fällt jetzt drei Milliarden Euro größer aus, als die Ampel eigentlich wollte. Die sogenannte Globale Minderausgabe nämlich beträgt nun zwölf Milliarden statt neun Milliarden Euro.

Das könnte sich noch als heikel erweisen. Lindner selbst hatte vor einigen Wochen noch argumentiert, eine Globale Minderausgabe über neun Milliarden Euro "wirft verfassungsrechtliche Fragen auf". Bei der Union dürften sie also schon überlegen, ob sie nicht noch mal vors Bundesverfassungsgericht ziehen.

Überlebt die Einigung den Herbst?

Damit haben Scholz, Habeck und Lindner das Mindeste erreicht, was eine Regierung jedes Jahr hinbekommen muss: einen Kabinettsentwurf für den Haushalt. Aber die Frage, ob er den Herbst überlebt, ist offen. Selbst wenn die Pläne verfassungsgemäß sind. SPD, Grüne und FDP im Bundestag werden sich jetzt über die Zahlenkolonnen beugen. Viele dort sind unzufrieden – und werden Änderungswünsche anmelden. Der Erfahrung nach: alle unterschiedliche.

Und dann sind da noch Entwicklungen, die den Wunsch nach mehr Geld zusätzlich nähren könnten: Etwa die Frage, wie es im Nahen Osten weitergeht und was das mit den Energiepreisen macht. Oder die Amerikaner, die ihren neuen Präsidenten etwa eine Woche vor dem Termin wählen, an dem der Bundestag den Haushalt beschließen will. Was, wenn es Donald Trump wird – und der keine Lust mehr hat, die Ukraine zu unterstützen?

Es wären Probleme, auf die eine Regierung eigentlich reagieren müsste. Eigentlich. Nur hat diese Regierung dazu noch die Kraft? Reicht das Vertrauen aus? Wer in diesen Tagen mit Beteiligten spricht, kann daran zweifeln.

Habeck schimpft

Als Robert Habeck zu Beginn der Woche auf den Spuren der Wärmepumpe durch Deutschland fuhr, wurde er natürlich nicht nur nach Heizungen gefragt, sondern immer wieder auch nach dem Haushalt. Öffentlich und in Hintergrundrunden, wo Journalisten offenere Worte unter der Bedingung der Vertraulichkeit zu hören bekommen.

Aus diesen Runden darf man also nicht zitieren. Doch schon Habecks Äußerungen vor den Kameras in diesen Tagen lassen erahnen, welche Tonlage er in vertraulicher Runde anschlägt. Denn er schimpft schon öffentlich.

Als er am Montag in der Eingangshalle des Wärmepumpenherstellers Stiebel Eltron in Holzminden steht, sagt er in die Kameras, die letzten Tage seien "wirklich für die Füße" gewesen. Millionen Deutsche stünden morgens auf, um ihre Arbeit zu machen, und erwarteten zu Recht das Gleiche von der Regierung. Und: "Die Arbeit machen heißt nicht, öffentlich darüber zu schwadronieren, was alles nicht geht und nicht funktioniert und das als Arbeit zu begreifen."

Am Dienstag in Bremen vor einem Reihenhaus sagt Habeck, die vergangenen 14 Tage seien "unnötig wie ein Kropf" gewesen. "Die Menschen erwarten von der Regierung, dass sie ihre Arbeit macht und nicht darüber redet, wieso die Arbeit schwer ist." Der Adressat ist in beiden Fällen eindeutig: Christian Lindner, der die ganze Sache öffentlich gemacht hatte.

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Scholz' Machtwort aus dem Urlaub

Robert Habeck ist natürlich nicht der Einzige, der sich ärgert. Nachdem Lindner seine Deutung der Gutachten in die Welt gesetzt hatte, meldete sich Kanzler Olaf Scholz aus dem Urlaub – und verkündete das Gegenteil: "Das geht", sagte er "Zeit Online" und meinte damit auch die Autobahn-Lösung, die Lindner verbaut gesehen hatte.

Und Scholz beließ es nicht dabei, sondern sagte noch einen Satz, den man in seinem Sarkasmus als deutliche Kritik an seinem Finanzminister verstehen musste. "Es bleibt ein Mysterium", sagte Scholz, "wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte." Denn das Mysterium war ja keins. Es waren Lindners Leute, die diese Deutung verbreitet hatten.

 
 
 
 
 
 
 

Bei der FDP sieht man das natürlich anders. "Wir wollen einen verfassungskonformen Haushalt, der im Einklang ist mit der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai t-online. "Das muss im Interesse der gesamten Regierung sein." Das sei von Anfang an das Ziel gewesen, und daher habe es auch die Prüfaufträge gegeben.

Bei den Grünen sieht man dieser Tage eine Entwicklung bestätigt, die sich schon früher angedeutet hatte: Der Kanzler und sein Finanzminister, die sich zu Beginn der Regierung so gut verstanden haben, dass die Grünen argwöhnisch wurden – ihr Verhältnis ist inzwischen mehr als schwierig.

Zumal der Clinch nicht nur Lindner betrifft. Auch in der FDP-Bundestagsfraktion zeigt man sich frustriert über den Kanzler. Die Tatsache, dass Entscheidungen nicht ausreichend geprüft würden und sich im Zweifel dann sogar als verfassungswidrig herausstellten, führe zu einem Vertrauensverlust. Dass die SPD hier ein Problem habe, zeige sich auch bei der jüngsten Entscheidung um das "Compact"-Verbot der Innenministerin Nancy Faeser, heißt es dort. Das Verbot der rechtsextremen Zeitschrift war vergangene Woche vom Bundesverwaltungsgericht vorerst aufgehoben worden.

Wie das alles bis zur nächsten Wahl im Herbst 2025 weitergehen soll? Im Idealfall mit möglichst wenig Streit. Dass die Ampel noch irgendetwas Größeres hinbekommt, daran glauben viele in der Regierung selbst nicht mehr.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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