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AfD-Millionenspende: Spur verliert sich bei in Jena


Rätsel um Horst Jan Winter
Firma will mit Millionenspende an AfD nichts zu tun haben


Aktualisiert am 28.01.2025 - 16:23 UhrLesedauer: 4 Min.
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Alice Weidel: Die AfD-Chefin kann sich über eine Millionenspende für ihre Partei freuen. (Quelle: Karina Hessland/reuters)
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Die AfD bekommt eine Spende über knapp eine Million Euro, und die Umstände geben Rätsel auf. Ein großer Mittelständler will damit nichts zu tun haben.

Der Putz bröckelt, die Holztür an dem Haus direkt an einer der Hauptstraßen in Blankenhain ist zerkratzt. Im Netz findet man noch eine nicht mehr aktive Anzeige, hier war mal eine Ein-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss für 104 Euro zu mieten. Die Anschrift im Zentrum der Thüringer Kleinstadt ist nicht die Adresse, von der aus man eine Spende über fast eine Million Euro an eine deutsche Partei erwartet.

Am Freitag wurde bekannt, dass 999.900 Euro von hier auf das Konto der AfD geflossen sein sollen. Kommen soll das Geld von einem Mann, von dem hier ein Briefkasten mit dem Schild "H. Winter" hängt und den die anderen Hausbewohner doch nicht kennen. Es gibt Ungereimtheiten um eine der größten Spenden, die die AfD je erhalten hat – und Spuren zu einem deutschen Marktführer.

AfD-Schatzmeister berichtet von Anruf

Die Adresse und der volle Name "Horst Jan Winter" lassen sich den Seiten des Bundestags entnehmen. Parteien müssen bei Spenden über 35.000 Euro umgehend melden, wer ihnen da welches Geld hat zukommen lassen. Zum "Wer" kann die AfD aber nach der Darstellung ihres Schatzmeisters Carsten Hütter auch nicht viel beitragen. Er habe den Mann persönlich nicht gekannt, der vor ein paar Tagen angerufen und die Spende angekündigt habe, sagte Hütter dem "Spiegel". Ob von einem Privat- oder Firmenkonto überwiesen wurde, beantwortete Hütter dem Magazin nicht. In der Mitgliederdatei stehe Winter nicht.

Eine Mieterin des verlebten Hauses in Blankenhain sagte der "Bild", nach einem Verkauf der Immobilie 2022 habe sie einen neuen Mietvertrag erhalten, in dem ein Horst Jan Winter als einer der zwei neuen Vermieter stehe. Getroffen habe sie ihn aber noch nie. Auch Bürgermeister Jens Kramer (CDU) konnte verschiedenen Medien nichts zu dem Namen sagen.

Und so geht die Suche nach dem Phantom weiter. Im Netz gibt es wenig Erfolg versprechende Treffer. Die plausibelste Spur scheint nach Jena zu führen: Dem Bundesanzeiger zufolge hat eine außerordentliche Hauptversammlung der Böttcher AG im September 2021 Horst Jan Winter zum Aufsichtsrat berufen.

Dieser Winter sitzt seither im Kontrollgremium eines der am stärksten wachsenden Mittelstandsunternehmen der vergangenen Jahre: Böttcher ist Deutschlands führender Onlinehändler vor allem für Bürobedarf. Jeder zehnte Aktenvernichter in Deutschland werde bei Böttcher gekauft, rühmt sich das Unternehmen, das einen Umsatz von einer Milliarde Euro anpeilt.

"Böttcher AG hat damit nichts zu tun"

Die Firma ist aber auch schon im Zusammenhang mit der AfD aufgefallen. Das Unternehmen selbst postete auf Facebook das Ergebnis einer Umfrage, der zufolge 34,4 Prozent der Mitarbeiter am Standort Jena AfD wählen würden. Von Firmenchef Udo Böttcher gibt es Postings darüber, was er selbst an der AfD gut findet. Am Wochenende hatte er ein Video mit dem Titel "Lehrer unterstützen die AfD" gepostet, am Freitag seine Hochachtung für Alice Weidel ausgedrückt, weil sie Merz zum Migrationsthema ein Angebot mache. Die Postings löschte er und schaltete sein Instagram-Profil mit Urlaubsbildern am Sonntagabend auf privat.

Doch der Unternehmer sagt, dass seine Firma mit der Spende in keiner Verbindung stehe. "Die Böttcher AG hat damit nichts zu tun", teilte er am Montag t-online mit. Er habe Jan Winter zur Rede gestellt, aber bisher noch keine Antwort erhalten. Am Sonntag hatte er auf t-online-Anfrage erklärt, nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub selbst überrascht gewesen zu sein.

Am Sonntag hatte zuerst der "Spiegel" den Aufsichtsrat und damit das Unternehmen ins Gespräch gebracht. Auch t-online recherchierte da bereits zusammen mit "abgeordnetenwatch.de". Das Portal verfolgt die Spendeneingänge an die Parteien intensiv und hatte als Erstes über die neue Großspende an die AfD berichtet. Einige Tage zuvor hatte die AfD bereits 1,5 Millionen erhalten.

Wenn das Unternehmen Böttcher nichts damit zu tun hat, wie ist es mit dem Aufsichtsrat? In Jena wohnt ein Unternehmensberater mit dem Namen Jan Winter, der seinem Profil zufolge auch Firmen und Privatiers betreut. Screenshots seiner Webseite kursieren im Netz mit Spekulationen. Doch der Vermögensberater erklärt, er sei weder der Spender noch könne er etwas dazu sagen.

Es ist eine Namensgleichheit mit dem mutmaßlich richtigen Jan Winter aus Jena, der in diesem Jahr 62 wird. Ein t-online vorliegendes Foto zeigt diesen Mann in einer offenbar fröhlichen Männerrunde Böttcher gegenübersitzend.*

Bei der AfD gab es bereits Strohmann-Spenden

Der Nebel um die Millionenspende lüftet sich vorerst nicht, lässt Medien aber spekulieren. n-tv fragt in dem Fall bereits "Steckt 'Strohmann' dahinter?" Die Linken-Abgeordnete Martina Renner fordert schon: "Die Bundestagsverwaltung muss den Fall untersuchen und Finanzermittlungen einleiten." Die Aufmerksamkeit ist so groß, weil die AfD schon in der Vergangenheit entsprechend aufgefallen ist: Während des Spendenskandals um Alice Weidel, Jörg Meuthen und Guido Reil hatte sie ungeprüft Listen mit Scheinspendern gemeldet. Für ein Schweizer Pharmaunternehmen waren Personen angesprochen worden, sich als Spender auszugeben, wie 2019 bekannt wurde.

Auch jetzt vermuten manche Menschen wieder eine Spur in die Schweiz. Ein deutscher Staatsbürger namens Jan Winter hat dortigen Handelsregisterunterlagen 2023 zufolge ein Finanzberatungsunternehmen gegründet. Im Impressum steht jedoch ein anderer Vorname. Dieser sei auch sein Rufname, sagte der Mann t-online. Mit einem Horst Jan Winter und einer Spende an die AfD habe er nichts zu tun.

Vielleicht geht der richtige Horst Jan Winter mit der Anschrift in der Thüringer Kleinstadt Blankenhain noch an die Öffentlichkeit. Er könnte die Zweifel wohl ausräumen. Und er hätte vielleicht noch eine Entwicklung aufklären können: Wieso seit Montag von 99.990 Euro die Rede ist, 90 Euro mehr als bislang. Am Dienstag gab es daraufhin immerhin eine Antwort von der Bundestagsverwaltung an abgeordnetenwatch.de: Die AfD hatte von Anfang an den 90 Euro höheren Betrag richtig gemeldet, die Bundestagsverwaltung hat ihr Versehen korrigiert.*

*Der Text wurde an diesen Passagen mit Informationen zum Alter und zum Gruppenfoto und zu den 90 Euro aktualisiert.

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