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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Scholz' engste Vertraute Der enge Kreis der Macht
Der Kanzler ist umringt von engen Vertrauten, die seine Politik maßgeblich mitbestimmen. Wer sind sie? Ein Überblick.
Olaf Scholz ist als Bundeskanzler der Kopf der deutschen Regierung. Doch allein meistert er diesen Job nicht. Er hat einflussreiche Helfer, mit denen er sich eng abstimmt. t-online stellt den innersten Kreis des Kanzlers vor.
Wolfgang Schmidt
Der Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben. Schmidt gilt als wichtigster Vertrauter von Olaf Scholz, und das bereits seit Jahren. Die Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen ihm und Scholz reicht mehr als 20 Jahre zurück.
Bereits 2002, als Scholz den Posten des SPD-Generalsekretärs übernahm, begleitete Schmidt ihn als sein Referent. Der Jurist, der eine mögliche Richterkarriere für Scholz an den Nagel hing, folgte seinem Chef später ins Bundesarbeitsministerium. Als Scholz 2011 Regierungschef in Hamburg wurde, vertrat Schmidt ihn als Staatsrat und Bevollmächtigter der Stadt Hamburg beim Bund.
Nach der Bundestagswahl 2017, in deren Folge Scholz Vizekanzler und Finanzminister wurde, ging Schmidt erneut mit und wurde Staatssekretär unter Scholz. Fast konsequent wirkt es da, dass Schmidt 2021 Kanzleramtsminister wurde. Seinen jetzigen Job beschreibt Schmidt im Gespräch mit der ARD als "Heinzelmännchen": "Nachts da zu sein, Unkraut zu jäten, Rasen zu mähen, damit am Tag betrachtet das Gesamtensemble gut aussieht." Dann sehe auch der Kanzler gut aus.
Dabei gilt Schmidt als das komplette Gegenteil von Scholz, Kenner der beiden sprechen gar von einer "symbiotischen Beziehung", in der sich die beiden Männer gut ergänzen: Während sich Scholz eher wortkarg gibt, gilt Schmidt als redegewandt und temperamentvoll. Allerdings bleibt er in seiner Rolle stets im Hintergrund und arbeitet im Scholz'schen Maschinenraum.
Schmidt ist Scholz treu ergeben und scheut auch nicht davor zurück, sich für seinen Chef auf juristische Scharmützel einzulassen. Ein Ermittlungsverfahren gegen Schmidt wegen des Verdachts der verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen wurde Mitte September 2021 nach Zahlung von 5.000 Euro eingestellt. Damals ging es um einen umstrittenen Post von Schmidt auf der Online-Plattform Twitter (heute X). Schmidt war lange Zeit dafür bekannt, sich auf dort mit Kritikern von Scholz zu streiten und ihn zu verteidigen. Das hat er als Kanzleramtsminister jedoch eingestellt.
Privat ist Schmidt Fußballfan und Anhänger des FC St. Pauli. Er gilt als Workaholic, der mit wenig Schlaf auskommt. Als Kanzleramtsminister dürfte die Arbeit für Schmidt dabei nicht weniger geworden sein.
Steffen Hebestreit
Der Sprecher des Bundeskanzlers, sozusagen der "Gatekeeper": Hebestreit hat ein waches Auge darauf, dass nicht jede Information aus dem Kanzleramt nach außen dringt – sondern nur das, was aus Scholz' Sicht bekannt werden soll. Als Sprecher des Kanzlers muss er den Hauptstadtjournalisten regelmäßig Rede und Antwort stehen und immer bestens informiert sein über die Gedanken des Kanzlers, die aktuelle Politik und die Nachrichtenlage. "Der Kopf ist immer mit einem halben Ohr im Nachrichtenstrom", sagte er in einem Podcast von "Zeit Online".
Oftmals redet Hebestreit daher viel, ohne etwas Konkretes zu sagen. Die wortkarge Art seines Chefs bekommt auch Hebestreit zu spüren, wie er in dem Podcast weiter erzählt: "Wir sprechen zwar sehr regelmäßig und häufig, aber selten lang. Telefonanrufe des Bundeskanzlers bei mir dauern nur wenige Minuten. Sehr effizient."
Hebestreit war früher Journalist: Der studierte Politikwissenschaftler arbeitete unter anderem für die "Frankfurter Rundschau", für die er ab 2006 als Hauptstadtkorrespondent tätig war. 2014 wechselte Hebestreit als Sprecher der damaligen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi "auf die andere Seite" und trat den Sozialdemokraten bei. Später leitete er die Hamburg-Vertretung beim Bund – arbeitete also mit Wolfgang Schmidt zusammen. 2018 wurde er dann Sprecher von Olaf Scholz im Finanzministerium. Sein Bruder Henner Hebestreit ist ebenfalls Journalist: Er arbeitet für das ZDF in Kiel.
Aufsehen erregte ein Video, das ein Investigativjournalist des NDR Anfang 2020 auf Twitter geteilt hatte: Damals stellte sich Hebestreit vor Olaf Scholz, bedrängte die Journalisten, um Fragen an Scholz zu verhindern. Es ging damals um die Cum-Ex-Affäre, in deren Zusammenhang Scholz bereits von einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft befragt wurde. Hebestreit sagte später im Podcast mit "Zeit Online", dass ihn diese Szene sehr geärgert habe und sagte der "Bild", ein Interview sei mit der Panorama-Redaktion nicht vereinbart worden. Die NDR-Journalisten teilten mit, Scholz habe sich zuvor davor gedrückt, Fragen einer schriftlichen Anfrage zu beantworten, Hebestreit habe die Journalisten mehrfach vertröstet.
Jeanette Schwamberger
Schon Angela Merkel pflegte ein enges Verhältnis zu ihrer damaligen Büroleiterin Beate Baumann, gleiches gilt für Olaf Scholz und Jeanette Schwamberger. Die Ökonomin ist enge Vertraute des Kanzlers und als Chefin des Kanzlerbüros seine wichtigste Mitarbeiterin. Alles, womit sich Scholz befasst, geht vorher über ihren Schreibtisch.
Schon zu Scholz' Zeit als Finanzminister leitete sie sein Büro, davor arbeitete sie in gleicher Funktion im Büro von Altkanzler Helmut Schmidt. Sie ist krisenerprobt, war zu Zeiten der Finanzkrise Sprecherin des Finanzministeriums. Das dürfte ihr geholfen haben, als sie – oder besser: ihre Mails – im August 2023 auf einmal den Weg in die Öffentlichkeit fanden.
Einige Monate zuvor beschlagnahmten Ermittler aus Nordrhein-Westfalen ihre Korrespondenz, auch hierbei ging es um den Cum-Ex-Skandal. Das Magazin "Stern" berichtete unter Bezug auf die Mails, dass Scholz' Büroleiterin den Kalendereintrag nicht finden konnte, mit dem der frühere Hamburger Bürgermeister zuvor ein Treffen mit dem damaligen Warburg-Miteigentümer Christian Olearius im November 2017 bestätigt hatte. "Das irritiert mich", schrieb Schwamberger den Angaben zufolge im April 2021 an den Scholz-Vertrauten und heutigen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt sowie an den heutigen Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Ich habe noch nie einen Termin mit Olearius von November 2017 im Kalender gesehen. Auch nicht einen Termin im Oktober 2017. Das ist alles merkwürdig, aber wir sind alle Kalender durch."
Jens Plötner
Der oberste Diplomat aus Scholz' Umfeld, sein außen- und sicherheitspolitischer Berater. Im Gegensatz zu vielen anderen aus Scholz innerem Kreis kennt er den Kanzler erst seit dessen Wechsel ins Kanzleramt näher. Denn Plötner hat weder viel mit Hamburg zu tun, noch war er mit Scholz im Finanzministerium.
Ministeriumserfahrung hat er trotzdem, er arbeitete viele Jahre im Auswärtigen Amt auf verschiedenen Positionen: zuletzt als Politischer Direktor und enger Vertrauer von Minister Heiko Maas (SPD), zuvor als Sprecher des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD), noch früher als Vizesprecher von Joschka Fischer (Grüne). Als Diplomat war er in Botschaften im Nahen Osten, Griechenland und Sri Lanka tätig.
Während seines Einsatzes für Steinmeier verhandelte er 2015 das zweite Minsker Abkommen mit – das gescheiterte Vertragswerk, das den Osten der Ukraine befrieden sollte. 2014 war dort ein Krieg entbrannt, nachdem Separatisten mithilfe von russischen Truppen Gebiete in den Regionen Donezk und Luhansk besetzten und dort unabhängige Volksrepubliken ausriefen, die von Russland anerkannt wurden.
Nach der Vollinvasion Russlands in die Ukraine im Februar 2022 sah Plötner sich wie sein früherer Chef Steinmeier Vorwürfen ausgesetzt, ein zu enges Verhältnis zu Russland zu pflegen. "Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben", wetterte etwa der damalige ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk und nannte als Beispiel Plötner.
Dem "Tagesspiegel" sagte Plötner kürzlich, er habe vieles einmal anders eingeschätzt. "Auch ich habe politisch einen weiten Weg zurückgelegt", sagte er und fügte hinzu: "Mein Blick auf Russland hat sich massiv verändert in den vergangenen Jahren."
Jörg Kukies
Scholz' Berater in allen Finanzfragen, aber auch wenn es um Klima und Europa geht. Zudem ist Kukies deutscher Sherpa, also Chef-Unterhändler bei den G20- und G7-Gipfeln. Der "Spiegel" nannte Kukies Ende 2022 das "zweite Gehirn des Kanzlers". Wie derweil sein Herz schlägt, da lässt sich Kukies nicht in die Karten schauen. Kukies gilt wie Schmidt als absolutes Arbeitstier und dem Kanzler treu ergeben.
Kukies selbst ist SPD-Mitglied, hat jedoch keine lange Parteikarriere hinter sich. Er war zwar in den 1990er-Jahren Juso-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz, als Vorgänger von Andrea Nahles. Dann jedoch konzentrierte sich der studierte Wirtschaftswissenschaftler auf seine Karriere in der Privatwirtschaft.
Ab Anfang des Jahrtausends arbeitete Kukies für Goldman Sachs in London und Frankfurt, 2014 wurde er Co-Chef der Bank in Deutschland – bis Scholz, noch als Finanzminister und Vizekanzler, ihn zu seinem Staatssekretär machte. Die Berufung des früheren Investmentbankers wurde damals heftig kritisiert und auch sonst ist Kukies, der im politischen Berlin als äußerst kompetent in Finanzfragen gilt, umstritten. Ein Grund dafür: Seine Rolle in der Causa des implodierten Finanzkonzerns Wirecard. So soll Kukies den früheren Wirecard-Chef Markus Braun im Herbst 2019 getroffen haben, obwohl bereits Vorwürfe gegen das Unternehmen im Raum standen – und das ausgerechnet an Brauns 50. Geburtstag, von dem Kukies aber nichts gewusst haben will.
Wie der "Spiegel" berichtete, soll Kukies noch am 23. Juni 2020, also zwei Tage vor der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters, versucht haben, den Kredit für Wirecard verlängern zu lassen. So soll er den Geschäftsführer der Ipex-Bank, Tochter der staatlichen Förderbank KfW, dazu gedrängt haben, sein "Engagement" gegebenenfalls noch aufzustocken, wie der frühere Ipex-Chef Klaus Michalak in internen Mails an seine Vorgesetzten schrieb.
Kukies wies damals die Vorwürfe zurück, man habe den damals aufstrebenden Tech-Konzern mit Samthandschuhen angefasst. "Es gab zu keinem Zeitpunkt eine besondere Privilegierung der Wirecard AG", betonte er. Im Finanzministerium habe es "kein besonderes Interesse an der Verteidigung eines sogenannten nationalen Champions Wirecard gegeben".
- Eigene Recherche
- Spiegel: "Regierung wollte noch kurz vor der Pleite Millionen bei Wirecard nachschießen"
- Spiegel: "Zu spät zur Wirecard-Party"
- Zeit Online: "Steffen Hebestreit: "Meine Telefonate mit dem Bundeskanzler dauern nur wenige Minuten""
- tagesspiegel.de: "Der Kanzlerberater und der Krieg: Jens Plötner will nicht mehr als Putin-Versteher gelten" (kostenpflichtig)
- Tagesspiegel.de: "Melnyk macht Ampel-Ministern schwere Vorwürfe: "Steinmeier knüpfte ein Spinnennetz der Russland-Kontakte"" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa