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AfD gründet neue Fraktion "Europa Souveräner Nationen": Sammelbecken für radikale Putin-Freunde


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AfD gründet neue Fraktion
Brisante Partner an Bord


Aktualisiert am 10.07.2024Lesedauer: 6 Min.
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René Aust: Der Abgeordnete leitet jetzt die AfD-Delegation wie die Fraktion. (Quelle: IMAGO/Michael Bihlmayer/imago)

Die AfD hat nach einigem Ringen eine neue Fraktion im EU-Parlament gegründet. Das Bündnis "Europa der Souveränen Nationen" avanciert zum Sammelbecken radikaler Rechter.

Wochenlang wurde diskutiert, jetzt ist es vollbracht: Die AfD hat am Mittwoch mit Abgeordneten aus sieben anderen Ländern eine neue Fraktion im EU-Parlament gegründet. Das neue Bündnis trägt den Namen "Europa der Souveränen Nationen" (ESN). Mit 25 Abgeordneten ist es die kleinste Fraktion im Brüsseler Parlament – und die radikalste.

Als "Resterampe" oder "Hooliganfraktion" wird das Bündnis in AfD-Kreisen auch bezeichnet. Grund sind die neuen Partner: Manche der Parteien sind jung und unerfahren, andere haben bei der EU-Wahl stark an Zustimmung verloren, nicht wenige positionieren sich im politischen Spektrum ihrer Heimatländer rechts von ohnehin bereits radikalen Rechten. Sie sind auch deswegen relativ klein: Mit 14 Abgeordneten ist die AfD der Platzhirsch, die anderen Parteien schicken drei oder sogar nur einen Abgeordneten in die Fraktion.

Wie schwierig die Fraktionsbildung war, zeigen auch Planänderungen auf den letzten Metern: So ist die spanische Partei Se Acabó La Fiesta ("Die Party ist vorbei"), die immerhin mit drei Abgeordneten eingezogen wäre, im neuen Bündnis vorerst doch nicht mit von der Partie. Hier sollen nach Informationen von t-online noch Gespräche laufen. Die Partei SOS Romania disqualifizierte sich demnach nach ersten Vorgesprächen ganz als Partner.

Für viele der neuen Partner dürfte das "Europa der Souveränen Nationen" die einzige Bündnismöglichkeit in Brüssel gewesen sein. Ganz sicher war das so bei der AfD – sie wurde aus ihrer vorherigen Fraktion "Identität und Demokratie" nach einem SS-verharmlosenden Interview ihres EU-Spitzenkandidaten ausgeschlossen. Gar nicht erst erwogen wurde sie als Teil der sehr viel mächtigeren Fraktion "Patrioten für Europa", die sich bereits am Montag mit 84 Abgeordneten rund um den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán und die Chefin des französischen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, gegründet hatte.

Höcke und Krah lieben diesen Weg

Auch in der AfD ist der Weg nicht unumstrittenen, den die Partei mit der Fraktionsgründung einschlägt. Besonders die radikalsten Flügel-Vertreter um Köpfe wie Björn Höcke oder Maximilian Krah befürworten seit Jahren die Abspaltung von rechten Parteien, die in Europa bereits an Regierungen beteiligt sind oder das anstreben und deswegen oft etwas gemäßigter auftreten. Sie wollen lieber eine kleine Fraktion, die dann aber ungehindert extrem rechte Positionen vertreten soll.

Die AfD-Spitze hätte prominentere Partner bevorzugt, das ist kein Geheimnis. Noch Anfang des Jahres versuchte AfD-Chefin Alice Weidel Verstimmungen hin zu Le Pens RN auszuräumen. Das aber scheiterte – und die AfD verprellt nicht nur die Franzosen. Die radikale Kleinstfraktion ist für die AfD also alternativlos – außer sie will fraktionslos sein. Dann aber würde sie sich viele Gelder und Personal entgehen lassen, die an die Fraktionszugehörigkeit gekoppelt sind.

Der Schritt in Brüssel könnte auch bei der AfD in Berlin nachwirken – und den in den vergangenen Jahren fortschreitenden Radikalisierungskurs der Partei weiter befeuern. "Die Partner in der Fraktion zeichnet ein ganz klarer Kurs pro Russland, pro Radikalität, pro übersteigertem Nationalismus aus", sagt einer aus AfD-Kreisen t-online.

Es ist eine Sammlung von Partnern, die selbst mancher in der Partei zum Teil schlicht als "irre" bezeichnet. Ein Überblick:

1. Die AfD – Deutschland

NS-Verharmlosung, Spionage- und Korruptionsverdacht, Vertreibungsphantasien: Die AfD hat in den vergangenen sechs Monaten so große Skandale geliefert, dass sie mehrfach auch international Schlagzeilen machte. Aus der ID-Fraktion wurde sie deswegen auf Betreiben von Marine Le Pens RN ausgeschlossen. Die AfD-Abgeordneten in Brüssel verbannten daraufhin den größten Störfaktor aus ihren Reihen: Maximilian Krah, bis dahin Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahl. Aber auch neue Partner vom "Europa der Souveränen Nationen" blicken skeptisch auf den größten Player in dem Bündnis: So sollen die Abgeordneten aus Polen und Frankreich darauf gedrungen haben, dass Krah nicht in die AfD zurückkehren darf.

Wegen ihrer 14 Abgeordneten steht ihr trotzdem klar ein Platz an der Doppelspitze der Fraktion zu. Den übernimmt nun der Thüringer René Aust, der bereits Chef der AfD-Delegation ist und die Gespräche mit den internationalen Partnern maßgeblich geführt hat.

2. Die Konfederacja – Polen

Als putinfreundlich und überwiegend rechtsextrem gilt das Mehrparteienbündnis Konfederacja aus Polen. Bekannt ist es außerdem für dezidiert antisemitische Ausfälle: Vor der EU-Wahl 2019 forderte einer der führenden Köpfe, Sławomir Mentzen: "Wir wollen keine Juden, keine Homosexuellen, keine Abtreibungen, keine Steuern und keine Europäische Union." Grzegorz Braun, damals noch Abgeordneter im polnischen Parlament, löschte 2023 bei einer Veranstaltung zum jüdischen Feiertag Chanukka mit einem Feuerlöscher die Lichter einer Menora, eines siebenarmigen Kerzenleuchters. Im Anschluss bezeichnete er das Judentum als "satanischen Kult".

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Für die AfD ein Problem, denn vom Antisemitismus will sie sich zumindest offiziell distanzieren. So wie die Polen sich gegen Krah aussprachen, verlangte die AfD-Delegation deswegen in den Verhandlungsgesprächen, dass zumindest Braun nicht Mitglied der neuen EU-Fraktion wird. Mit Erfolg – Braun bleibt dem Bündnis nun ebenso fern wie zwei weitere Abgeordnete, die eng mit ihm verbündet sein sollen.

Zumindest vorerst. Denn Braun zählte in der Vergangenheit ebenso wie Krah zu den Strippenziehern für die kleine, radikale Fraktion, wie sie jetzt Realität wird. Statt sechs Abgeordneter bringt die Konfederacja so bisher nur drei mit, stellt mit Stanislaw Tyszka aber den Co-Vorsitzenden neben Aust.

3. Vazrazhdane ("Wiedergeburt") – Bulgarien

Rechtsextrem, russlandfreundlich, Anti-LGBTQ: So lässt sich auch die Positionierung der bulgarischen Partei Vazrazhdane ("Wiedergeburt") beschreiben. Sie vertritt stark antiziganistische und homophobe Inhalte. So bezeichnete Parteichef Kostadin Kostadinov Roma und Sinti in der Vergangenheit als "Parasiten". Politische Gegner nannte er "Dreck, der vernichtet werden" müsse. Funktionäre und Anhänger der Partei protestierten vor einem Kino gegen einen Film, der eine Freundschaft zwischen zwei 13-jährigen Jungen thematisiert, beleidigten Filmbesucher und griffen Personal an.

Kostadinov flirtete bereits im Sommer 2023 deutlich mit der AfD. Als Gast auf dem Europaparteitag in Magdeburg sagte er: "Im letzten Jahrhundert waren wir im Krieg zweimal verbündet." Nun sei man verbündet in Friedenszeiten. "Es ist höchste Zeit, dass Ihr Land seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt – und das nicht nur in Europa." Töne, die in der AfD viel Applaus hervorriefen.

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Schon da waren die Verbindungen zwischen AfD und Wiedergeburt auch personell eng: Rada Laykova arbeitete da noch als Mitarbeiterin der AfD-Fraktion im Bundestag – jetzt ist sie eine von drei Abgeordneten der "Wiedergeburt" im EU-Parlament.

4. Republika – Slowakei

Zwei Abgeordnete hätte die slowakische Republika mit in die Fraktion bringen können, einen trifft aber der Bannstrahl wie Krah und Braun: Der 30-jährige Milan Mazurek leugnete in der Vergangenheit den Holocaust, verunglimpfte Roma als "Schmarotzer" und entmenschlichte Roma-Kinder als "Tiere im Zoo".

Mit Milan Uhrík zieht allerdings der Chef der Republika in die Fraktion ein, der solche Ausfälle duldet. Auch er ist in der Vergangenheit mit zweifelhaften Aussagen zum Holocaust aufgefallen. So sagte er 2017, noch vor Gründung der Republika, dass er den Holocaust weder gutheißen noch missbilligen könne, da er "kein Historiker" sei. Uhrik wie seine Partei feiern und verherrlichen außerdem das Regime, das während des Zweiten Weltkriegs an der Macht war und Zehntausende Juden in die Konzentrationslager der Nazis schickte.

Beinahe Mainstream in der neuen Fraktion ist dagegen die Positionierung der Republika zum westlichen Verteidigungsbündnis: Die Nato sei eine von den USA geleitete "Terrororganisation", findet Uhrik und fordert den Austritt der Slowakei.

5. Mi Hazánk Mozgalom – Ungarn

Die ungarische Partei Mi Hazank Mozgalom ("Bewegung Unsere Heimat") spaltete sich von der Partei Jobbik ab – weil sich Kräfte bei Jobbik gegen eine rechtsextreme Ausrichtung sperrten. Führender Kopf bei Mi Hazank Mozgalom ist seither ihr Vorsitzender Laszlo Toroczkai. Er führte gewaltsame Demonstrationen an und gründete militante rechte Gruppen. In mehreren Ländern wurde ihm deswegen die Einreise verboten, 2008 wurde er zudem in Serbien als Aufwiegler verhaftet und abgeschoben. Einen Abgeordneten schicken die Ungarn ins EU-Parlament und in die neue Fraktion.

6. People and Justice Union – Litauen

Die litauische People and Justice Union ist bekannt für ihren Vorsitzenden Petras Gražulis und seine homofeindlichen Aktionen. Mehrfach störte Gražulis Pride-Paraden oder Veranstaltungen gegen Homophobie, verglich Homosexualität mit Nekrophilie und Pädophilie oder Schwule mit Alkohol- oder Drogenkranken. Auch die Litauer schicken einen Abgeordneten in die neue Fraktion: Gražulis selbst.

7. Reconquête – Frankreich

Die rechtsextreme Partei Reconquête ("Wiedereroberung") wurde 2021 von dem Publizisten Éric Zemmour gegründet. Dieser ist mehrfach wegen rassistischer Äußerungen verurteilt worden. In der neuen Rechtsfraktion wird zunächst nur eine Abgeordnete der Reconquête vertreten sein, obwohl die Partei drei weitere ins EU-Parlament schickt. Dabei soll es sich um Sarah Knafo handeln, Zemmours Lebensgefährtin.

8. SPD – Tschechien

Die tschechische Partei Svoboda a přímá demokracie (abgekürzt: SPD, übersetzt: "Freiheit und direkte Demokratie") fordert unter anderem eine "Nulltoleranz-Politik" bei der Bekämpfung der illegalen Migration. Parteigründer Tomio Okamura schürt Ängste vor einer angeblichen Islamisierung Europas. Die SPD ist im neuen EU-Parlament mit einem Abgeordneten vertreten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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