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Ex-AfD-Politiker jetzt offiziell für Russland aktiv


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Der Christ und die Kriegsfalken
Früher im Bundestag, jetzt im Dienst des Kremls


Aktualisiert am 27.07.2024Lesedauer: 7 Min.
Der ehemalige Strippenzieher der AfD-Bundestagsfraktion, Waldemar Herdt: Er ist nun Teil einer weltweiten russischen Einflussoperation.Vergrößern des Bildes
Der ehemalige Strippenzieher der AfD-Bundestagsfraktion, Waldemar Herdt: Er ist nun Teil einer weltweiten russischen Einflussoperation. (Quelle: M. Popow/ITAR_TASS/t-online/imago-images-bilder)
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Für die AfD steuerte er im Bundestag die Außenpolitik. Über Jahre galt Waldemar Herdt als Strippenzieher der Russlandbeziehungen. Nun stellt er sich endgültig in den Dienst Putins.

Jetzt auch noch Kadyrow. "Die Teilnehmer sprachen dem Oberhaupt der tschetschenischen Republik, Ramsan Achmatowitsch Kadyrow, Held Russlands, ihre tiefste Wertschätzung aus", heißt es in der Medienberichterstattung zu einer russischen Propagandaveranstaltung Ende April in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny.

Was nur wenige Leser oder Zuschauer international interessieren dürfte, birgt für die größte deutsche Oppositionspartei politischen Sprengstoff.

Ein Besucher aus Deutschland

Denn unter den Gästen, die der brutale islamistische Diktator in seinem Machtzentrum begrüßte, weilte neben Bollywood-Schauspielern und arabischen Delegierten auch einer, der bis vor wenigen Jahren als internationaler Strippenzieher der AfD-Bundestagsfraktion galt: Waldemar Herdt.

t-online vorliegende Videos und Fotos zeigen ihn auf dem Podium. Auf der zugehörigen Webseite wird er als Redner geführt. Dabei bleibt es aber nicht: Der ehemalige Abgeordnete des deutschen Bundestags arbeitet laut Recherchen von t-online nun für das Putin-Regime an einer neuen Weltordnung, in der Russland die früher blockfreien Staaten Asiens, Afrikas und Südamerikas gegen den verhassten Westen anführen soll.

Dafür sucht er Kontakt zu Männern, die Putins Militär, Geheimdiensten und Söldnertruppen verdächtig nahestehen, wie die Recherchen belegen.

Die Partei, die sich ohnehin aufgrund ihrer Russlandkontakte scharfer Kritik ausgesetzt sieht, will sich nun eilig distanzieren: "Waldemar Herdt ist im Februar aus der AfD ausgetreten", sagt ein Sprecher auf Anfrage von t-online. Schon lange habe es Querelen um ihn gegeben, heißt es aus mehreren Quellen in der Partei hinter vorgehaltener Hand. Selbst in der skandalumwitterten AfD dürften die aktuellen Aktivitäten ihres ehemaligen Parteifreunds aber bei manchen Unbehagen auslösen.

Denn der Russlanddeutsche, geboren in Kasachstan, war über Jahre nicht eben ein Hinterbänkler.

Begründeter Zweifel

Von 2017 bis 2021 war er Abgeordneter und in der Fraktion Mitglied des einflussreichen "Arbeitskreis Außen" – bekannt für radikal prorussische und prochinesische Positionen. Herdt fädelte gemeinsam mit Petr Bystron das mittlerweile berüchtigte Treffen mit Oligarch Wiktor Medwedtschuk im Bundestag ein. Herdt lud Medwedtschuk ein, während Herdt und Bystron insbesondere als Veranstalter dieses Events verantwortlich zeichneten. Dabei saß ein später wegen Spionageverdacht verhafteter Pole, wie t-online berichtete. Auch Syrien-Reisen und Kontakte zum dortigen Assad-Regime organisierte Herdt für seine Parteifreunde.

Bedenken, ob Herdt dabei immer deutsche Interessen vertrete und nicht etwa die des Kremls, wiegelten er und seine Partei stets ab. Nun stellen sich entsprechende Fragen vollkommen neu, denn Tschetschenien war zuletzt nicht seine einzige Station. Mittlerweile ist Herdt weltweit für Putins Russland aktiv und hält gleich mehrere vermeintlich bedeutsame Posten in Organisationen, die mit ihren Zielen nicht hinterm Berg halten.

Da ist zum Beispiel der "Internationale Volksrat der Russlanddeutschen – 'Wiedergeburt'": Ursprünglich hatte Herdt den Verein während seiner Zeit als Abgeordneter gegründet. Schon damals geriet er in Verruf, weil andere russlanddeutsche Verbände ihn überwiegend misstrauisch beäugten. Einem Putin-treuen Mitgründer und Mitarbeiter Herdts wurden frühere Kontakte zum sowjetischen Geheimdienst KGB nachgesagt. Beobachtet wurde er vom Verfassungsschutz.

Wiedergeburt in Moskau

Nun ist der Sitz des deutschen Vereins von Berlin nach Niedersachsen verlegt – ein halbes Jahr vor Herdts Austritt aus der AfD aber auch als Aktiengesellschaft unter seiner Führung in Moskau wiederauferstanden. Die Charta der zugehörigen "Internationalen Allianz" lässt aufhorchen: "Alle, die sich geistig mit der russischen Welt verbunden fühlen", werden aufgerufen, "gemeinsam eine neue Weltordnung aufzubauen".

Wie Herdt persönlich sich das vorstellt, lässt sein übriges Engagement in den letzten Monaten erahnen: Überall dort, wo der Kreml für seinen Führungsanspruch unter den ehemals blockfreien Staaten (Brics+) wirbt, ist auch der ehemalige AfD-Abgeordnete mit von der Partie – und führt allerhand Titel im Gepäck.

Über sein Engagement in der "Internationalen Russophilen-Bewegung" berichtete t-online bereits vor über einem Jahr. Anfang dieses Jahres trat er auf der zweiten Jahresversammlung in Moskau erneut aufs Podium, wo auch der Oligarch Konstantin Malofejew und der faschistische Ideologe Alexander Dugin wieder Platz nahmen.

Gefährliche Allianz

Weitgehend unbekannt ist aber Herdts Rolle als Gründer und Organisator der sogenannten "Internationalen Vereinigung christlicher Parlamentarier".

Zwar war sein fundamentalistisches Netzwerk schon zu seiner Zeit als Abgeordneter verrufen. Seine neuen Verbündeten für die vermeintlich religiöse Arbeit sind in Moskau allerdings eiserne Verfechter des russischen Angriffskriegs und deswegen unter EU-Sanktionen: der ehemalige Autor Sachar Prilepin, seine Partei und Generalsekretär Dimitri Kuznetsow – mit dem Herdt immer wieder öffentlich auftritt.

Selbst in der linientreuen russischen Duma gelten sie als Falken, die von der "Sowjetunion 2.0" träumen, einem neuen russischen Imperium, das auch weitere Nachbarstaaten wie Usbekistan annektieren soll. Prilepin selbst kämpfte in der Ukraine und nimmt für sich in Anspruch, dort ein Söldner-Bataillon angeführt zu haben. Immer wieder schaffte sein engster Vertrauter Kuznetsow persönlich Material wie Drohnenabwehr an die Front, um Soldaten damit auszustatten.

Besonders nah standen die Männer dabei dem Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, bevor dieser im August 2023 nach einer gescheiterten Revolte beim mutmaßlichen Abschuss seines Flugzeugs starb. Mit ihm teilten sie auch Ansichten zur Zukunft Russlands auf anderen Kontinenten.

Zukunft in Afrika

So wie der Warlord, der auf Geheiß des Kremls seine Söldner und Desinformationskrieger nach Afrika entsandte, setzen Prilepin und Kuznetsov auf Russlands wachsenden Einfluss dort. Vehement treten sie dafür ein, dort Operationsbasen zu errichten und den Westen so von wichtigen Rohstoffen abzuschneiden, von denen das neue Imperium dann profitieren soll.

Im Parlament kämpfen sie derweil dafür, dass ausländische Söldner, die Wagner auch in Afrika rekrutierte, leichteren Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft erhalten. Auch nach Prigoschins Tod haben sich ihre Ziele nicht geändert – vielmehr wandeln sie jetzt gemeinsam mit Herdt in seinen Fußstapfen.

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Dafür gründeten der damalige Noch-AfD-Politiker und Prilepins Generalsekretär unter Schirmherrschaft der Russophilen-Bewegung und mit Unterstützung des russischen Außenministeriums eine sogenannte "Kommission für wertorientierte humanitäre Zusammenarbeit für die Brics-Länder". Fotos zeigen Herdt, Kuznetsov und mehrere afrikanische Delegierte bei der Unterzeichnung am Rande eines Brics-Forums in Moskau.

Mittels dieser Kommission, der gemeinsamen "Internationalen Vereinigung christlicher Parlamentarier" und Prilepins Partei starteten sie anschließend eine vermeintlich humanitäre Mission namens "Volunteers for Peace" – eben dort, wo laut ukrainischem Militärgeheimdienst angeblich weiter Söldner fürs Schlachtfeld in der Ukraine rekrutiert werden: in Uganda und Kongo. Gelockt werden sie demnach mit der Aussicht auf russische Pässe.

Russische Außenpolitik

Das Engagement für Entwicklungsarbeit in Bildung und Medizin ist für die "Volunteers for Peace" aber selbst laut eigener Projektbeschreibung kein Selbstzweck.

Vielmehr solle die "ehrenamtliche Arbeit" zur Unterstützung lokaler Krankenhäuser und Schulen einen wesentlichen Beitrag "zur Demonstration der Rolle von Soft Power in der russischen Außenpolitik" leisten, heißt es dort. "Die Hilfe für Entwicklungsländer wird die geopolitisch wichtigen Beziehungen für Russland stärken und ausbauen."

Folgerichtig zählt die unter EU-Sanktionen stehende Rossotrudnitschestwo – eine Agentur des russischen Außenministeriums – zu den Organisatoren. Und folgerichtig sind auch Strukturen des russischen Staats nicht fern, die sich seit einigen Monaten anschicken, Prigoschins Infrastruktur in Afrika zu übernehmen.

Denn nur wenige Tage vor der Gründung von Herdts Aktiengesellschaft in Moskau erblickte ein weiteres Unternehmen in der russischen Hauptstadt das Licht der Welt: die sogenannte "Initiative – 23", die seitdem eine angebliche Nachrichtentenagentur namens "African Initiative" betreibt. Geschäftsführer des Unternehmens und "Chefredakteur" ist Artem Kureev, der in einem estnischen Gerichtsurteil 2014 als Offizier der Auslandsabteilung des FSB identifiziert wurde. "Bloomberg" und "The Insider" berichteten zuerst, gegenüber der "Zeit" bestritt Kureev zuletzt, weiter für den Geheimdienst zu arbeiten.

Informationskrieg gegen den Westen

Das US-Außenministerium hält sein neues Projekt allerdings für geheimdienstlich gesteuert, um in Afrika Desinformation über den Westen zu verbreiten. Dafür rekrutiere es "Mitarbeiter aus den zerfallenden Unternehmen des verstorbenen Jewgeni Prigoschin" und untergrabe von den USA finanzierte öffentliche Gesundheitsprojekte in ganz Afrika mit gefährlichen medizinischen Falschinformationen. Und offenbar wirkt Herdt daran mit.

Eines der ersten Lebenszeichen der "African Initiative" sendete Herdts Partner, der Generalsekretär von Prilepins Partei, am 1. Oktober 2023 über seinen Telegram-Kanal: Auf einem Foto posierte Kuznetsov vor einem Aufsteller der vermeintlichen Agentur – verbunden mit der Ankündigung, er "suche christliche Abgeordnete in Brics-Staaten, die weltweit für Frieden, Mitgefühl und Menschlichkeit kämpfen".

Erste Gespräche mit Herdt und weiteren Mitgliedern der Russophilen-Bewegung über die "christliche Menschenrechtsmission" hatte er laut eigenem Bekunden bereits Monate zuvor in Belgrad geführt. Einer der damals Anwesenden wurde bis vor wenigen Tagen als Korrespondent und Militäranalyst bei der "African Initiative" aufgeführt.

Und Berichte über die gemeinsamen humanitären Projekte mit Herdt werden seitdem hauptsächlich über die "African Initiative" verbreitet.

Nachdem Machthaber Putin Mitte April afrikanischen Staaten eine "äußerst aktive Kooperation" im Gesundheitsbereich versprochen hat, verspürt man offenbar Rückenwind: Wenige Tage nach der Ankündigung erreichten russische Ausbilder von Herdts humanitärer Mission Kongos Hauptstadt Kinshasa, wo sie Medizinstudenten trafen. Es folgte ein ähnlicher Besuch in Uganda.

Pressekonferenz in Moskau

Nun, am Donnerstag, traten alle Beteiligten bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Moskau aufs Podium: Herdts christliche Abgeordnetenvereinigung, Prilipins Generalsekretär, der mutmaßliche FSB-Agent Kureev für die "African Initiative" und der stellvertretende Leiter von Rossotrudnichestwo. Angekündigt wurde die nächste Ärztemission der "Volunteers for Peace": Sie soll im November nach Sambia führen. Die russische Botschaft sicherte "jede notwendige Unterstützung" zu. Auch Besuche in Uganda und Kamerun sind geplant.

Es ist allerdings nicht die einzige russische Mission, die "African Initiative" recht exklusiv publik machte: Laut dem Portal werden nach und nach Prigoschins Wagner-Strukturen durch ein offizielles "Afrika Corps" abgelöst, das direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstellt ist. Immer wieder berichtet das Portal über entsandte russische Militärs in afrikanische Staaten – und offenbar hat eben dort auch Herdts christliche Parlamentariergruppe auffällige Kontakte.

Netzwerk in Afrika

Zu den Interessenten an der Gruppe zählt laut Homepage zum Beispiel ein Mann namens Gabriel Coulibaly, der nach dem antiwestlichen Putsch in Mali dort dem sogenannten Nationalen Übergangsrat angehört. Er führt eine Jugendorganisation, die sich im Zuge der Machtübernahme mit prorussischen Demonstrationen hervortat. Die Bilder von Menschen, die für die Militärjunta auf die Straße gingen, "Lang lebe Russland" skandierten und russische Flaggen schwenkten – sie gingen offenbar auch auf ihn zurück.

In Uganda wird der Parlamentarier Allan Atugonza als Gründungsmitglied der Gruppe zugerechnet. Er betreute vor Kurzem eine Fortbildungsmission des ugandischen Militärs für Spezialeinheiten aus Burkina Faso – einem Land, das derzeit zu den Hauptzielen des Kremls und der ehemaligen Wagner-Strukturen gehört. Die "African Initiative" hat dort sogar einen eigenen Ableger gegründet, in dem offenbar ein ehemaliger Wagner-Blogger den Ton angibt.

Waldemar Herdt hat sich zu all dem auf Anfrage von t-online nicht geäußert. Berührungsängste mit Militär und Geheimdiensten nahestehenden Strukturen hat er aber vollends abgelegt. Noch im Oktober hatte er auf Anfrage von "Correctiv" seinen Kontakt zu einer mutmaßlich vom FSB gesteuerten Stiftung, die für Russland ebenfalls Diplomatie in Brics-Staaten betreibt, heruntergespielt – nun wird er dort als Vizepräsident geführt.

Update, 6.7.2024: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Waldemar Herdt habe den "Arbeitskreis Außenpolitik" geleitet. Er war hingegen Mitglied des Arbeitskreises.
Update, 9.8.2024: In einer früheren Version des Artikels hieß es, der deutsche Verein sei aufgelöst. Tatsächlich wurde sein Sitz verlegt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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