Experten üben Kritik Bericht: Bund plündert die Rentenversicherung
Über die Rentenreform wird derzeit viel diskutiert. Ein bisher wenig beachtetes Thema ruft jetzt aber Kritik an der Bundesregierung hervor.
In der Debatte um die Rentenreform der Bundesregierung ist ein Detail bisher wenig im Fokus: Der Bund bedient sich seit Jahrzehnten an den Mitteln der Deutschen Rentenversicherung (DRV), um gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu finanzieren. Das stößt bei Experten auf Kritik, berichtet die "Wirtschaftswoche".
Die Deutsche Rentenversicherung verwaltet enorme Summen – für 2023 werden die Ausgaben auf etwa 374 Milliarden Euro geschätzt. Ein Teil dieser Gelder wird immer wieder für Leistungen verwendet, die eigentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich der DRV fallen, wie beispielsweise die Anrechnung von Kindererziehungszeiten oder Sonderregeln für Erwerbsminderungsrenten. Diese sogenannten "versicherungsfremden Leistungen" beliefen sich nach jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2020 auf bis zu 112 Milliarden Euro, heißt es in dem Bericht weiter.
Anja Schulz, FDP-Rentenexpertin im Bundestag, hält diese Praxis für problematisch: "Es kann nicht sein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben durch das Kollektiv der Beitragszahler gestemmt werden müssen", sagte sie der "Wirtschaftswoche". Sie fordert daher eine klare und transparente Abgrenzung dieser Leistungen.
Arbeitsminister Heil widerspricht den Vorwürfen
In Bezug auf das Jahr 2020 hat der Bund sich laut DRV mit etwa 37 Milliarden Euro aus deren Beitragskasse bedient – das sind Kosten, die von der DRV finanziert wurden und dabei über das hinausgingen, was der Bund dafür aus Steuermitteln bereitgestellt hatte. Seit Einführung der dynamischen Rente 1957 hat sich diese Summe laut Rentenexperte Fritz Teufel auf etwa 988,7 Milliarden Euro summiert.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hingegen widerspricht den Vorwürfen. Er erklärte in einer Bürgerfrage auf dem Portal "Abgeordnetenwatch": "Es werden keine finanziellen Mittel der Rentenversicherung zweckentfremdet."
FDP-Abgeordnete fordert Reform
Trotzdem fordert die FDP eine Ausgliederung der versicherungsfremden Leistungen aus der Rentenversicherung. Schulz betonte, dass es nicht darum gehe, diese Leistungen zu kürzen, sondern sie vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Sie sagte: "Natürlich dürfen wir unsere gesellschaftlichen Ziele, wie beispielsweise die Anerkennung von Kindererziehungsleistungen, nicht vernachlässigen. Allerdings sind dies finanzielle Lasten, die durch die Gemeinschaft der Steuerzahler und nicht der Rentenbeitragszahler getragen werden sollten."
Problematisch sei die Praxis vor allem, weil dadurch Gruppen wie Freiberufler oder Rentner selbst, die nicht in den Rententopf einzahlen, sich der Solidarität entziehen. Das lege die Frage nahe, ob das aktuelle System der umlagefinanzierten Rentenversicherung ohne diese zusätzlichen Kosten nicht weniger reformbedürftig wäre, so die "Wirtschaftswoche".
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- wiwo.de: "So plündert der Staat die Rentenversicherung aus" (kostenpflichtig)