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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Affäre um Spitzenkandidaten AfD im Europaparlament beantragt Ausschluss von Krah
Die AfD-Delegation im Europaparlament will Maximilian Krah aus der Fraktion Identität und Demokratie (ID) ausschließen lassen. Es ist ein Rettungsversuch in letzter Sekunde.
Die AfD-Delegation im Europaparlament hat am Donnerstag den sofortigen Ausschluss von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah aus der Fraktion "Identität und Demokratie" beantragt. Der Antrag liegt t-online vor. Als Grund wird darin die "fortgesetzte Verletzung des Zusammenhalts und des Ansehens der Fraktion" durch Krah genannt.
Weiter heißt es, der Antrag werde unterstützt von den Abgeordneten Christine Anderson, Gunnar Beck, Markus Buchheit, Sylvia Limmer, Nicolaus Fest, Guido Reil und Bernhard Zimniok. Damit stützen sieben von neun Abgeordneten der AfD-Delegation im EU-Parlament den Antrag. Nicolaus Fest wurde jüngst aus der AfD ausgeschlossen, wird aber auf den Seiten der Partei noch als Mitglied der Delegation geführt.
Die Europaparlamentarier versuchen so, auf den letzten Metern den Ausschluss der gesamten AfD aus der ID-Fraktion zu verhindern. Zwei mächtige Partner der AfD in der Fraktion – der französische Rassemblement National (RN) und die italienische Lega – hatten am Dienstag ihre Zusammenarbeit mit der AfD aufgekündigt und als Grund dafür Äußerungen von Krah zur SS genannt.
Am Donnerstag verschickte der Fraktionschef der ID, Marco Zanni, einen Antrag darauf, alle Mitglieder der AfD-Delegation aus der ID-Fraktion auszuschließen. Als Grund führte er eine "Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren", an. Der Antrag auf alleinigen Ausschluss von Krah ist die Reaktion der AfD-Delegation auf Zannis Antrag.
Kritik an AfD-Spitze und Krahs "Persönlichkeitsstruktur"
Die Brüsseler Delegation hatte den AfD-Bundesvorstand bereits am Mittwoch über ihr Vorhaben informiert. In einem Schreiben teilte Delegations-Leiterin Christine Anderson mit, man betrachte den Antrag auf Krahs Ausschluss als "den letzten (wenn auch verzweifelten!) Versuch", den Ausschluss der AfD aus der ID zu verhindern, berichtet das ZDF. Die europäischen Partner hätten ein "massives Problem" mit Krah. Dies sei "in erster Linie auf seine Persönlichkeitsstruktur zurückzuführen".
Kritik übt Anderson in dem Schreiben auch an der AfD-Spitze selbst. Krah war nach dem Bruch mit den internationalen Partnern in einer Sonderschalte des Bundesvorstands am Mittwoch von seinem Amt im Vorstand zurückgetreten und hatte angekündigt, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Weitere Maßnahmen aber strengte die AfD-Spitze nicht an.
Anderson schreibt: "Vom Bundesvorstand hätten sich unsere Fraktionspartner heute ein klares Signal der Distanzierung im Hinblick auf die Personalie Dr. Krah gewünscht, vor allem aber ein klares Bekenntnis, diese Personalie nicht länger in der AfD dulden zu wollen. Dies ist allerdings ausgeblieben."
SS-Äußerungen sind nur ein Grund
Grund für das aktuelle Zerwürfnis mit den rechten Partnern im EU-Parlament sind Aussagen von Krah zur SS in einem Interview mit der italienischen Zeitung "La Repubblica". Dort sagte Krah: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war". Man müsse die Schuld von Fall zu Fall bewerten, am Ende des Krieges habe die SS schließlich fast eine Million Mitglieder gehabt. "Selbst Günter Grass gehörte zur Waffen-SS."
Vor allem bei den französischen Rechten sorgte das für Empörung. Die Zusammenarbeit zwischen AfD und RN ist aber schon seit Jahren schwierig. Immer wieder sorgte dabei auch Krah für Probleme.
So lobte Krah 2022 während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs Kandidaten aus dem Lager des rechtsextremen RN-Konkurrenten Éric Zemmour. Krah wurde damals zum ersten Mal für einige Monate aus der ID-Fraktion suspendiert – wegen "grob fraktionsschädigendem Verhalten in Form der wiederholten Verletzung von Treue- und Loyalitätspflichten".
Die Kritik der Franzosen aber geht über Krah hinaus. Programmatisch haben sich RN und AfD auseinander entwickelt. Während der französische RN im Kampf um Wählerstimmen seit Längerem auf eine Strategie der Mäßigung setzt, hat sich die AfD weiter radikalisiert.
Zuletzt drohte die ehemalige RN-Vorsitzende Marine Le Pen, die in der Partei sehr mächtig ist, im Februar mit einem Ende der Zusammenarbeit im EU-Parlament. Grund waren da die Berichte über das Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen wie Martin Sellner in Potsdam, bei dem über Pläne zur sogenannten Remigration von Millionen von Menschen, auch solchen mit deutschem Pass, gesprochen worden sein soll.
RN-Spitzenkandidat und -Chef Jordan Bardella sagte dem Fernsehsender LCI: "Die AfD hat rote Linien überschritten. Wir werden nach den Europawahlen neue Alliierte haben und nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion sitzen."
- Eigene Recherche