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China-Spionage bei der AfD: Die große Verschwörung im Fall Krah


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Die große Krah-Verschwörung


Aktualisiert am 02.05.2024Lesedauer: 8 Min.
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah: Verantwortung für seinen unter Spionageverdacht stehenden Chef-Lobbyisten für China soll er angeblich nicht tragen.Vergrößern des Bildes
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah: Verantwortung für seinen unter Spionageverdacht stehenden Chef-Lobbyisten für China soll er angeblich nicht tragen. (Quelle: IMAGO/imago)
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Die AfD und ihr Spitzenkandidat für die Europawahl erproben einen vermeintlichen Ausweg aus dem Spionageskandal: Der Verfassungsschutz soll der Partei schaden wollen. Die Ausflüchte sind allerdings unplausibel.

Seit Monaten befindet sich die AfD im Abwärtstrend, nun bringt eine Spionageaffäre die Partei weiter in Bedrängnis. Ein langjähriger Mandant und Mitarbeiter von Maximilian Krah, Spitzenkandidat für die Europawahl, befindet sich in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihm geheimdienstliche Agententätigkeit in einem besonders schweren Fall vor. Er soll für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet haben.

Seitdem hadert die Partei mit den Vorwürfen, die Nervosität ist groß. Skandale sitzt die AfD üblicherweise aus. Doch Verstrickungen mit der Kommunistischen Partei in China gehen selbst Teilen des Vorstands und der Basis zu weit. Krah stand deswegen seit Langem auch in den eigenen Reihen in der Kritik. Um den Europawahlkampf zu retten – der auch vom Verdacht möglicher Zahlungen aus Russland an Listenkandidat Nummer zwei, Petr Bystron, überschattet wird –, ringt man deswegen um eine Kommunikationsstrategie.

Die scheint nun gefunden: Der Spionageskandal soll zum Verfassungsschutzskandal umgedeutet werden. Krah habe keinen Verdacht schöpfen können, sei nicht gewarnt worden, sagt er selbst und sagen Parteifunktionäre. Jian G. soll sogar angeblich vom Verfassungsschutz eingeschleust worden sein, um der AfD zu schaden.

Doch die Kommunikationsstrategie ist nicht plausibel. Folgen kann ihr nur, wer bereit ist, zentrale Informationen auszublenden. Die vier wichtigsten Behauptungen im Überblick.

Behauptung 1: Krah konnte keinen Verdacht schöpfen

t-online hat fast sieben Monate vor Jian G.'s Verhaftung ausführlich über Krahs Verbindungen nach China und die dubiose Rolle von Jian G. für sie berichtet. Journalistischen Standards entsprechend legte t-online dafür Ende September sowohl Krah als auch G. einen ausführlichen Fragenkatalog vorab zur Stellungnahme vor und informierte über die zentralen Ergebnisse der monatelangen Recherche.

Der am 1. Oktober 2023 veröffentlichte Artikel schilderte anschließend Krahs und G.'s Kontakte zum Geheimdienst IDCPC auf den von G. für Krah organisierten Reisen nach China. Der Artikel belegte von Krah initiierte Lobbyarbeit seines Assistenten für die Neue Seidenstraße. Und er belegte zeitgleiche Zahlungen aus China in G.'s enges privates Umfeld und Interessenkonflikte in seiner politischen Arbeit für Krah.

Darüber hinaus legte er mit Fotobelegen offen, dass G. viele Jahre – noch kurz vor seinen Reisen mit Krah – in der exil-chinesischen Opposition tätig war. Ein zentraler Verdachtsmoment, denn die Dissidenten müssen selbst in Deutschland politische Verfolgung fürchten und können in den meisten Fällen seit vielen Jahrzehnten nicht mehr nach China reisen.

Dass G. sowohl hochrangig in ihren Kreisen aktiv war als auch jahrelang Geschäfte mit China machte, immer wieder dorthin reiste und sowohl dabei als auch in Brüssel für Krah Kontakte zur Kommunistischen Partei unterhielt, galt unter den Oppositionellen als erschreckendes Alarmsignal.

Allerdings nicht für Krah: Mehrfach nahm er anschließend Stellung. Auf der Nachrichtenplattform X schrieb er: "Dafür, dass kein einziger konkreter oder gar belegter Vorwurf gegen mich drin steht, ein ziemlich langer Artikel. Eben kein Journalismus, sondern Propaganda. Peinlich füt t-online!"

In einer zwei Wochen später veröffentlichten Video-Kolumne für den AfD-nahen "Deutschland Kurier" legte er nach und leugnete sein jahrelanges Vertrauensverhältnis zu Jian G.: "Es ist Zeit für ein Geständnis: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der in China Geschäfte gemacht hat. Diese Aussage war t-online einen ellenlangen Artikel wert. (...) Fertig ist die Schmutzkampagne."

Um sich nur einen Tag später im Interview mit "Brussels Signal" zu widersprechen: G. sei ein "echter Gewinn" und "Wettbewerbsvorteil", er unterhalte für ihn Kontakte zur chinesischen Vertretung im EU-Parlament. G. sei sehr ehrlich zu ihm. Er habe seine Arbeit für die chinesische Opposition auf Krahs Wunsch hin beendet.

Behauptung 2: Kein Kontakt zum chinesischen Geheimdienst

Nach seiner Chinareise im November 2019 legte Krah gegenüber dem Europaparlament seinen Kontakt zum IDCPC offen. In der schriftlichen Erklärung schrieb er ausdrücklich: "05.11.2019 Dienstag: 09:00 Gespräch bei IDCPC." Von t-online danach gefragt, bestritt er allerdings Kenntnis von genau diesem Treffen: "Mir hat sich 2019 keiner gegenüber als Mitglied des International Liaison Department of the Chinese Communist Party [IDCPC] zu erkennen gegeben. Stattdessen gab es ein Gespräch mit drei auf Deutschland spezialisierten Diplomaten."

Krah bezweifelte damals in seiner Antwort außerdem, dass es sich beim IDCPC überhaupt um einen Geheimdienst handele. Richtig ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erst im Juli 2023 Politik und Verwaltung vor dem IDCPC warnte und ihn offiziell als Geheimdienst einstufte. Seit spätestens diesem Zeitpunkt hätte Krah aber seine Reisen von 2018 und 2019 neu bewerten können.

Im Sicherheitshinweis schrieb das BfV, das IDCPC spiele für die "Beschaffung hochwertiger politischer Informationen sowie zur Beeinflussung von Entscheidungsprozessen im Ausland" eine zentrale Rolle. Es sei zuständig für "verdeckte politische Einflussoperationen". Langfristiges Ziel sei es, "einflussreiche Personen zu Äußerungen und Handlungen im Sinne der Interessen der [Kommunistischen Partei Chinas] zu bewegen und in Deutschland ein Kontaktnetzwerk zu knüpfen, das die politische Agenda der [Partei] unterstützt".

Bei Kontakten dorthin gelte "besondere Vorsicht", bisweilen agierten IDCPC-Angehörige auch verdeckt. Die Warnung im Wortlaut: "Vermeiden Sie im Austausch mit IDCPC-Angehörigen alle Handlungen, die tatbestandlich im Sinne von § 99 StGB gewertet werden könnten." Der Paragraf regelt die Strafbarkeit einer Tätigkeit für den Geheimdienst einer fremden Macht.

Von t-online dazu im September befragt, sagte Krah, der Hinweis sei ihm bis dato nicht bekannt gewesen. Er werde die Einstufung des IDCPC als Geheimdienst "auf Stichhaltigkeit prüfen". Auch die t-online-Veröffentlichung wenige Tage später führte allerdings nicht zu einer Neubewertung. Wenige Tage vor Jian G.'s Verhaftung wiederholte er im Interview mit dem Videoformat "Jung & Naiv" seine damalige Einschätzung: Der IDCPC sei kein Geheimdienst.

Behauptung 3: Der Skandal ist der Verfassungsschutz

Durch übereinstimmende Medienberichte der "Bild" und der ARD wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass sich G. Mitte der 2000er-Jahre dem Bundesnachrichtendienst und dem sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz als Informant angeboten hatte. Er stellte demnach in Aussicht, über Aktivitäten chinesischer Geheimdienste im Umfeld der Dissidenten in Deutschland zu berichten. Damals war Krah also noch Doktorand an der Universität Dresden.

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Während der BND offenbar kein Interesse an G. hatte, schöpfte das Landesamt ihn den Berichten zufolge anschließend über mehr als zehn Jahre als Quelle ab. Auch t-online hatte im September 2023 zumindest vage Hinweise darauf: Wenige Tage vor Veröffentlichung des Textes leitete G. die an ihn gerichteten Fragen an das Landesamt weiter und schickte Kopien der E-Mails an die Redaktion.

In den Berichten der "Bild" und der ARD wird allerdings ausdrücklich betont, dass G. nie ein sogenannter "V-Mann" gewesen sei – also jemand, der Aufträge gegen Geld oder andere Vergünstigungen ausgeführt habe. Der sogenannte "Selbstanbieter" sei lediglich als Quelle geführt worden, der von sich aus nach eigenem Ermessen Informationen lieferte.

Die AfD legt nun aber nahe, G. habe im Auftrag des Verfassungsschutzes Krah und die AfD ausspioniert. Parteioffizielle und ihre Basis schmähen die Behörde ohnehin als politisch instrumentalisiert. Die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag wittert im Fall Krah wieder einmal einen "Verfassungsschutz-Skandal", Vorsitzender Tino Chrupalla "Zersetzungstaktiken", Co-Chefin Alice Weidel einen Versuch, die Partei zu diskreditieren.

All das ist bislang abwegig, denn als Krah und G. sich kennenlernten, war nicht absehbar, dass der heutige AfD-Spitzenkandidat je eine politische Karriere vor sich haben würde.

Rechtsanwalt Krah lernte G. laut eigener Aussage im Jahr 2014 kennen, als G. mit seinen China-Geschäften sein Mandant wurde. Im selben Jahr begannen für G. lang andauernde juristische Auseinandersetzungen mit Anteilseignern seines ersten Unternehmens, das LED- und Solartechnik aus China importierte. Das belegt Korrespondenz, die t-online vorliegt. Krah beriet ihn angeblich in der Folge bei einer weiteren Unternehmensgründung. Beide Unternehmen wurden 2019 und 2020 kurz vor und nach seinen China-Reisen mit Krah an Investoren aus China verkauft.

Zwar war Krah 2014 nicht nur Anwalt, sondern auch Politiker – allerdings damals noch in der CDU und auch dort lediglich in der Dresdner Lokalpolitik engagiert. Im selben Zeitraum bestand gegen G. bereits der Verdacht des Bundesamts für Verfassungsschutz, zeitgleich auch für den chinesischen Geheimdienst zu arbeiten. Wie t-online erfuhr, reiste er schon damals immer wieder nach China. Die "Bild" berichtet, er sei 2015 und 2016 erstmals überwacht und schließlich konfrontiert worden. Für strafrechtliche Ermittlungen reichte es aber offenbar nicht. Erst Ende 2016 trat sein Anwalt Krah in die AfD ein.

In der Folge sei G. von den Behörden beobachtet und nur noch zum Schein als Quelle geführt worden, um mehr über seine mutmaßlichen Verbindungen zum chinesischen Geheimdienst herauszufinden, heißt es bei "Bild" und ARD. Offenbar ohne Erfolg: Schließlich habe das Landesamt ihn 2018 als Auskunftsperson "abgeschaltet", da seine Aktivitäten in der Exil-Opposition allein "nicht als Beleg für eine nachrichtendienstliche Verstrickung" gewertet werden konnten.

Damals ergatterte Krah gerade zum ersten Mal überhaupt als stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen ein nennenswertes Parteiamt. Ein Mandat hatte er nicht. Trotzdem suchte er auf Eigeninitiative den Kontakt nach China. Im Oktober 2018 reiste er dorthin, um eine Konferenz einer IDCPC-Frontorganisation zu besuchen. Ehemalige Studienkameraden hätten ihn dorthin eingeladen, sagte er t-online. Erst vier Wochen später wurde er zum Europakandidaten.

Bei der Reiseorganisation half ihm G. als sein langjähriger Mandant, dem er wiederum als Anwalt bei seinen China-Geschäften half. Hätte Krah unter diesen Umständen gewarnt werden müssen, bevor er G. im September 2019 im Europaparlament "aufgrund seiner Praxiskenntnis" anstellte? Das führt zur letzten Verteidigungslinie.

Behauptung 4: Der Verfassungsschutz sabotiert die AfD

Wenn Krah also mindestens seit September 2023 von Verdachtsmomenten gegen seinen langjährigen Vertrauten wusste ebenso wie von vorangegangen Geheimdienstkontakten und G. nicht in die AfD eingeschleust wurde, um Krah zu schaden: Hätte der Verfassungsschutz ihn nicht trotzdem warnen müssen? Gab er genau jetzt den Hinweis an den Generalbundesanwalt, um dem Wahlkampf der Partei zu schaden?

Krah zumindest beklagt sich: "Mich haben die Sicherheitsbehörden pflichtwidrig zu keinem Zeitpunkt gewarnt oder informiert", sagte er dem "Stern" und RTL. "Die Sicherheitsbehörden haben offensichtlich Kenntnisse gehabt, haben mich nicht informiert und lassen die Bombe kurz vor dem Wahltermin platzen. Das ist schon bemerkenswert." Zeitpunkt und Art und Weise des Zugriffs seien "kein Zufall", sagte Krah. Ähnliches äußerte sein Parteifreund Stefan Keuter, den ein Bericht des "Spiegel" ebenfalls in die Nähe eines chinesischen Spions rückte.

Tatsächlich wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz den Berichten zufolge wieder auf G. aufmerksam, als er 2019 für Krah im Europaparlament tätig wurde. Was dafür den Ausschlag gab, ist nicht bekannt. Möglich ist aber durchaus, dass Krahs eigene Umtriebe dafür mitverantwortlich waren.

In dieser Zeit gab Krah den Anstoß für einen China-Lobbyverein, den G. anschließend mit einem Freund von Krah und einer chinesischen Geschäftspartnerin gründete und mit dem er Lokalpolitiker aus Sachsen zu staatlichen Organisationen nach China lotste. Krah wurde zeitgleich im Parlament Mitglied einer inoffiziellen Deutsch-Chinesischen Freundschaftsgruppe, die von einem Chinesen mit Posten bei der Kommunistischen Partei Chinas orchestriert wurde und die Lobbyarbeit betrieb.

Sowohl Krah als auch G. suchten also damals offensiv den Kontakt zu staatlichen chinesischen Stellen und trafen sich auch bei der zweiten China-Reise wie erwähnt mit dem IDCPC. Selbst in den eigenen Reihen stand Krah währenddessen für seine pro-chinesischen Positionen in der Kritik. Staatlichen chinesischen Medien gab er Interviews.

Es wäre plausibel, dass es den Verfassungsschützern unter diesen Umständen zu riskant erschien, ein Sensibilisierungsgespräch zu führen. Denn schließlich könnte das Umfeld eines Verdächtigen in solchen Fällen ebenfalls eingebunden sein. Es liegt im Ermessen der Behörde, wie lange sie potenzielle Spione vor dem Zugriff beobachtet, um mehr Beweismaterial zu sammeln oder ihre nachrichtendienstlichen Kontakte auszuleuchten.

Trotzdem hätte Krah schon vor Monaten gewarnt sein können: Wenige Tage vor dem t-online-Bericht am 1. Oktober 2023 berichtete die "Süddeutsche Zeitung", dass der Verfassungsschutz G. und das Umfeld des Lobbyvereins überprüfe. Krah ordnete das in seiner Video-Kolumne der gleichen "Schmutzkampagne" zu, die er auch t-online unterstellte.

Drei Monate später schließlich, im Januar 2024, stellten die Ermittlungsbehörden konkrete Verdachtsmomente fest, G. habe Informationen an den chinesischen Geheimdienst übergeben. Den Hinweis hatte der Generalbundesanwalt vom Bundesamt für Verfassungsschutz erhalten. Warum erfolgte der Zugriff aber erst im April?

Auch das hatte vermutlich mit Medienrecherchen zu tun: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte dazu, man habe Sorge gehabt, Journalisten hätten womöglich ein Interview mit G. geplant, um ihn mit konkreten Vorwürfen zu konfrontieren. Deswegen habe der Zugriff beschleunigt werden müssen. Sonst wäre G. womöglich noch länger observiert worden.

Verwendete Quellen
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