Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Veteranentag am 15. Juni Wir brauchen keine Helden
In Deutschland wird es in Zukunft einen Veteranentag geben: Der 15. Juni soll als jährlicher Gedenktag die Wertschätzung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erhöhen.
Seit Einführung der Bundeswehr haben über zehn Millionen Deutsche ihren Dienst an der Waffe getan, früher verpflichtend durch den Wehrdienst, inzwischen als Teil einer Freiwilligenarmee. Um den Einsatz dieser Menschen zu würdigen, hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelfraktionen sowie der Union einen jährlichen Gedenktag am 15. Juni beschlossen.
Jährlich soll ab 2025 an diesem Tag eine zentrale Veranstaltung mit "Volksfest-Charakter" in der Nähe des Berliner Reichstags stattfinden. Auch in den Ländern und Kommunen soll es Veranstaltungen geben. Geplant ist, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Schirmherrschaft in diesem und dem nächsten Jahr übernimmt.
Über die Einführung eines Veteranentags wurde schon 2012 diskutiert. Die Initiative des damaligen Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (FDP) und des Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) versandete jedoch.
Trotz Einigkeit zwischen den Ampelfraktionen und Union ist der Veteranentag noch immer umstritten. Viele stellen sich die Frage: Brauchen wir wirklich so einen Gedenktag?
Das ist ja wohl das Mindeste
Wir hatten uns kuschelig eingerichtet unter dem Schutzschirm anderer. Aus der Sicherheit heraus, dass uns zur Not die Nato und die Amerikaner schon raushauen, ließ es sich leicht gegen die eigenen Soldaten demonstrieren, Reinhard-Mey-Lieder summend, in einen Parka gehüllt, an dem "Frieden schaffen ohne Waffen"-Buttons angeheftet waren und "Bundeswehr abschaffen"-Aufnäher. Während wir ihnen so gemütlich den Rücken zukehrten, sind seit Gründung der Bundeswehr 3.300 Soldaten im Dienst ums Leben gekommen – 116 im Auslandseinsatz für unser Land.
Die Zeiten solcher Missachtung unserer Mitbürger in Uniform müssen endlich vorbei sein. Die Nato steht an vielen Fronten, und auf die Amerikaner und ihren möglichen nächsten Präsidenten können wir uns nicht verlassen. Wir müssen uns selbst schützen. In Litauen gegen den Kriegsverbrecher Putin. Im Irak, in Mali, im Libanon, im Roten Meer und früher in Afghanistan gegen blutdurstige Terroristen. Aber was heißt hier "wir"? "Wir" ja nicht! Soldaten der Bundeswehr tun das für uns, jetzt, in dieser Sekunde. Ihr Job ist zehrend, auch an der Heimatfront, und im Ausland oft gefährlich. An vielen Einsatzorten drohen ihnen Leid und Tod.
Statt aber dankbar zu sein und die Veteranen solcher Einsätze wenigstens an einem Tag im Jahr zu ehren, haben wir jahrzehntelang das Tucholsky-Zitat "Soldaten sind Mörder" ungelenk auf Plakate gekritzelt. Wir haben als Gesellschaft diejenigen geringgeschätzt, die für uns alle Opfer bringen und gebracht haben.
Die Toten wie die Überlebenden mit einem eigenen Tag zu ehren, ist das Mindeste, was wir tun können. So wie das die meisten anderen Nationen auch tun. Natürlich ist unsere Militärgeschichte eine andere als die aller anderen Nationen. Deshalb tun wir uns bis heute schwer mit dieser Anerkennung. Aber das ist nicht die Schuld derer, die heute in der Bundeswehr Dienst tun. Den Veteranentag sehen sie als Versprechen. Dafür, dass wir uns als Gesellschaft um sie kümmern. Sie bestmöglich ausrüsten, politisch wertschätzen, diplomatisch unterstützen und diejenigen versorgen, die aus den Einsätzen körperlich verwundet oder seelisch verletzt zurückkehren. Jeden Tag.
Hilfe statt Fähnchen
Der Veteranentag, den die Ampel- und Unionsfraktionen im Bundestag beschließen, ist der falsche Weg, um die Leistung von Soldatinnen und Soldaten zu würdigen. Was wichtiger ist als ein Volksfest, bei dem man Fähnchen schwenkt, ist konkrete Hilfe für Soldatinnen und Soldaten, die etwa im Auslandseinsatz körperliche oder psychische Schäden erlitten haben. Zu viele haben die Erfahrung machen müssen, dass sie danach von ihrem Arbeitgeber und der Gesellschaft allein gelassen wurden.
Was ihnen hilft, sind etwa schnelle Maßnahmen, wenn Soldaten eine Therapie oder ihre Angehörigen Hilfe brauchen. Sonntagsreden vor wehenden Fahnen bringen hier wenig, wirken eher wie Hohn und Spott. Die Geschichten der Soldatinnen und Soldaten zu hören und ernst zu nehmen ist wichtig, aber sie sind leise und gehen im Getöse von Volksfesten wahrscheinlich einfach unter.
Die Gefahr ist, dass bunte Feste mit Blasmusik und salbungsvollen Lobesreden einfacher zu organisieren sind als handfeste Unterstützung, und wahrscheinlich sind sie auch günstiger. Wenn bessere Beratung und Rehabilitation sowie Prävention im bürokratischen Sumpf stecken bleiben, steht zu befürchten, dass am Ende von der breit angelegten Initiative nur die flatternden Fahnen bleiben. Das ist wenig hilfreich. Außerdem birgt so ein Tag das Risiko, dass man jenen Kräften eine steile Vorlage bietet, die wenig mit Veteranenfürsorge am Hut haben, dafür aber umso mehr mit Heldenverehrung und einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad", um den AfD-Politiker Björn Höcke zu zitieren. Zu leicht könnte der Tag, gerade abseits der zentralen Feierlichkeiten, in kleineren Kommunen, zum Heldengedenktag umgewidmet werden. Wenn aber der Tag zur Heldenverehrung von Opa bei der SS wird, hätte er nicht nur sein Ziel verfehlt, sondern das Gegenteil bewirkt: Dann hätten wir Faschisten einen perfekten Tag geschenkt. Und das können und dürfen wir uns nicht leisten.
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