Staatssekretärin beklagt Diskriminierung Grünen-Politikerin macht schwere Krankheit öffentlich
Monatelang war unklar, was ihr fehlte. Nun hat Grünen-Politikerin Ekin Deligöz Gewissheit. Ihre Diagnose macht sie in einem Interview öffentlich.
Die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz hat öffentlich über ihre Erkrankung gesprochen – und Kritik am Gesundheitssystem geübt. Sie leide an der sehr seltenen Autoimmunerkrankung Polymyositis, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium dem "Tagesspiegel". Weltweit litten weniger als 500 Menschen an der Krankheit.
Polymyositis geht häufig mit einem Gefühl der Muskelschwäche, Entzündungssymptomen und Schluckstörungen einher. Der Körper produziert zu viele Immunzellen. Im Fall von Deligöz trat die Krankheit als Folge einer Lungenentzündung nach einer Coronainfektion auf. "Das führt dazu, dass sich die Quermuskeln in meiner Lunge jederzeit entzünden können."
"Meine Lunge hat im Moment nur noch eine Leistungsfähigkeit von 70 Prozent", so Ekin Deligöz im "Tagesspiegel". "Die Ärzte sagen, es könne zwischen zwei und drei Jahren dauern, bis sich das regeneriert."
"Mir wurde vermittelt, dass ich selbst schuld war"
Dazu hätte es nicht kommen müssen, meint die Politikerin. In Hausarztpraxen sei sie "gegen alles Mögliche behandelt" worden, nichts habe geholfen. "Mir wurde vermittelt, dass ich selbst daran schuld war, dass sich mein Krankheitszustand nicht verbessert hat. Damit wurde Gesundheit zur Privatsache. Selbst mit akuter Luftnot haben sie mich auf die Nachmittagssprechstunde verwiesen."
Erst im Krankenhaus habe sie echte Hilfe bekommen. Dort sei sie zwei Wochen auf eine externe Sauerstoffzufuhr angewiesen gewesen.
Heute sei ihre Lunge eingeschränkt funktionsfähig. "Ich muss zwischendurch nach Luft japsen. Dadurch ist meine Bewegungsfähigkeit einschränkt, jede Treppe wird zu einer Herausforderung." Sie sagte weiter: "Ich bin erst 52. Ich will wieder voll leistungsfähig sein. Ich würde so gerne endlich wieder einen unbelasteten, schönen Abend mit Freunden verbringen."
Gesundheitsbereich "unter dem Radar"
Sie wolle auf die Situation von Frauen hinweisen, die mit unklaren medizinischen Diagnosen leben. "Viele Frauen erleben ähnliche medizinische Geschichten wie ich. Im privaten Umfeld und im Ministerium kamen die Leute zu mir und redeten plötzlich alle über ihre Krankheiten. Aber man spricht eigentlich nicht gerne darüber."
Deligöz habe sich oft nicht ernst genommen gefühlt und sagt, dass das auch an ihrem Migrationshintergrund gelegen haben könne. "Das wird mir einfach so zugeschrieben, man gibt mir gar keine Chance." Menschen, die im Job Diskriminierung erfahren, könnten dagegen rechtlich vorgehen. "Aber was im Gesundheitsbereich stattfindet, läuft noch viel mehr unterm Radar."
- tagesspiegel.de: "Staatssekretärin spricht erstmals über schwere Krankheit und beklagt Diskriminierung" vom 1. April 2024