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Elon Musk: Millionen Dollar für einen konservativen Richter


Bizarrer Musk-Auftritt
Seine Rechnung könnte aufgehen


Aktualisiert am 01.04.2025 - 06:18 UhrLesedauer: 5 Min.
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Im Video: Wie Musk Millionen-Schecks verteilt und was es damit auf sich hat. (Quelle: t-online)
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Es ist nicht das erste Mal, dass Elon Musk bei einer Wahl mit Geld lockt. Nun erregt eine Aktion im US-Bundesstaat Wisconsin Aufsehen. Der Tech-Milliardär sagt offen, was dahintersteckt.

Man mag Elon Musk viel vorwerfen. Dass er mit seinen Auftritten aber nicht stets aufs Neue die Grenzen des Absurden sprengt, kann man ihm sicher nicht nachsagen. Nun zeigte er sich bei einer Town Hall-Veranstaltung am Sonntagabend in Wisconsin mit einem Hut in Form eines überdimensionalen Käses. Musk trat als "Cheesehead", also "Käsekopf", vor die begeisterten Anhänger einer republikanischen Wahlveranstaltung in Green Bay, der 300.000-Einwohner-Stadt am Lake Michigan.

Doch Musk brachte nicht nur eine sonderbare Kopfbedeckung mit, sondern auch sehr viel Geld. Der US-Regierungsberater hielt überdimensionale Schecks ins Publikum, darauf waren Millionenbeträge zu lesen. Dann begann er, die Schecks im Publikum zu verteilen, als wären es Bonbons.

20 Millionen Dollar hat der Tesla-CEO laut "New York Times"-Recherchen bereits in die Kampagne von Brad Schimel gesteckt, einem ultrakonservativen Juristen, der sich anschickt, den Supreme Court-Sitz in Wisconsins Hauptstadt Madison zu erobern. Musk und weitere Unterstützer wollen mit dem Geld dafür sorgen, dass die Richterwahl zu ihren Gunsten ausgeht. Am Dienstag wird im "Käsestaat" gewählt. Für Amerikas Demokratie gilt die Abstimmung als weiterer Härtetest.

"Die Wahl mag nicht so wichtig erscheinen, aber sie ist tatsächlich sehr wichtig", sagte Anthony Chergosky, Politikwissenschaftler an der Universität Wisconsin-LaCrosse, dem Sender CBS. "Denn sie könnte über das Schicksal des Landes entscheiden. Diese Wahl wird sich auf jeden in den Vereinigten Staaten auswirken."

Trump schimpft auf "aktivistische Richter"

Momentan hat der Supreme Court in Wisconsin noch eine liberale Mehrheit von 4 zu 3 Richtern. Würde Schimel den Sitz ergattern, könnte diese Mehrheit zugunsten einer konservativen Richterschaft kippen. Und damit den Weg für zahlreiche Gesetze von Trump freimachen.

Aber nicht nur das. In Wisconsin stehen wichtige höchstrichterliche Entscheidungen zum Abtreibungsrecht und zum Wahlrecht an. Unter anderem soll ein Gesetz den Zuschnitt der Wahlkreise in dem Bundesstaat regeln. Dies könnte sich je nach Ausgang für die Republikaner nachteilig bei den kommenden Wahlen auswirken. Die Richterwahl könnte darüber entscheiden, ob "Elon Musk die Gerichte kaufen kann", sagte der Vorsitzende der demokratischen Partei Wisconsins, Ben Wikler, dem Magazin "The Atlantic".

Es geht in Wisconsin um nichts weniger als ein Referendum über Trumps "MAGA"-Agenda ("Make America Great Again"), der von ihm ins Werk gesetzten konservativen Revolution. Bislang werden zahlreiche Initiativen von Trump noch von Bundesrichtern blockiert. Solange dies der Fall ist, hat der Präsident ein Problem. Ebenso wie Musk, dessen umstrittene Massenentlassungen und Budgetkürzungen bei den Bundesbehörden bereits mehrfach von unabhängigen Richtern gestoppt wurden. Zudem ist in Wisconsin auch ein Gerichtsverfahren des Musks Tesla-Konzern anhängig, mit dem der Autokonzern ein Gesetz kippen will, das Tesla die Eröffnung neuer Autohäuser in dem Bundesstaat verbietet.

Auch deshalb rührt Musk in Wisconsin kräftig die Werbetrommel für den konservativen Kandidaten. Ein Selbstläufer ist die Wahl Schimels nicht. Wisconsin gilt als ein etwas eigenwilliger Bundesstaat. Einst als "America's Dairyland" bekannt, also als Milchfarm der Vereinigten Staaten, die den Rest des Landes mit Käse belieferte, werden die Wisconsinites von anderen traditionell als "Käseköpfe" verunglimpft.

Die so Geschmähten machten aus der Not eine Tugend und trugen den Schimpfnamen fortan mit Stolz. Der löcherige Käsehut wurde zu einer Art Landestracht, Ausdruck des regionalen Selbstbewusstseins, der nicht nur bei Spielen des lokalen NFL-Teams, der Green Bay Packers, getragen wird.

Käsehutträger Musk rief am Sonntagabend die "MAGA"-Anhänger in Green Bay eindringlich dazu auf, ihr Kreuz bei Schimel zu setzen, um damit zu verhindern, dass angeblich "aktivistische Richter" den Sitz am Gerichtshof erhalten. "Wir wollen, dass Richter das Gesetz auslegen, nicht, dass Richter die Gesetze machen", so Musk. Der 53-jährige Multiunternehmer berichtete auch ganz offen davon, was ihn an den ungeliebten Richtern stört. "Wir haben in Washington [D. C.] zuletzt wirklich eine Menge verrückte Sachen erlebt. Jeder beliebige Bundesrichter kann einfach die Gesetze des Präsidenten stoppen. Das ist komplett verrückt", so Musk.

Amerika bald eine gelenkte Demokratie nach Vorbild Ungarns?

Was Musk "verrückt" nennt, ist ein Grundpfeiler der amerikanischen Demokratie. Die unabhängige Gerichtsbarkeit gibt es in den Vereinigten Staaten seit fast 250 Jahren, sie war Vorbild für viele andere Demokratien weltweit. Musk und Trump wollen das ändern. "Das muss aufhören", forderte Musk mit Blick auf die Richterentscheidungen in Green Bay, "auf der Staats- und auf der Bundesebene."

Politikexperten, wie die Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum, sehen die amerikanische Justiz derzeit als letztes Bollwerk gegen die autokratischen Tendenzen der Trump-Regierung, die USA in eine gelenkte Demokratie nach dem Vorbild Ungarns umzubauen.

Die Rechtsexpertin Suzanne Spaulding, die bereits als Beraterin für die demokratische als auch die republikanische Partei gearbeitet hat, fürchtet um die Unabhängigkeit der Justiz in den USA. Im Mittelpunkt stehen dabei die obersten Gerichte – so wie jetzt in Wisconsin. Sie sind es, die in letzter Instanz Amerikas Transformation von der Demokratie zur Autokratie verhindern können. "Der Supreme Court kann die Verfassungskrise nur dann verhindern, wenn er in Kauf nimmt, sich mit der Regierung anzulegen", so Spaulding.

Spaulding sieht einen gefährlichen Paradigmenwandel in der gegenwärtigen US-Politik. "In den vergangenen Jahren haben gewählte Vertreter des gesamten politischen Spektrums das Schreckgespenst der offenen Missachtung von Bundesgerichtsurteilen heraufbeschworen. Diese gefährlichen Tendenzen, wie sporadisch sie auch sein mögen, müssen entschieden zurückgewiesen werden." Das Schreckgespenst für Amerikas Justiz war am Sonntag live auf Sendung. Es trug Käsehut und verteilte Millionenschecks.

Richterwahl: Crawford oder Schimel?

Der konservative Richter Schimel lag zwar zuletzt in Umfragen hinter seiner liberalen Widersacherin Susan Crawford. Dennoch erwarten Demoskopen am Wahltag einen "Nailbiter", also ein sehr enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Bewerbern. Wie wichtig diese lokale Wahl ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Wahlkampf der beiden Juristen laut "New York Times" bereits 100 Millionen US-Dollar verschlungen hat. Eine für europäische Verhältnisse unglaubliche Summe, aber ein Indiz dafür, dass beide politischen Lager in der Abstimmung einen politischen Stimmungstest für das ganze Land sehen. Hat Donald Trump trotz seiner aggressiven Agenda weiterhin den Rückhalt der Wähler oder können die Demokraten wieder Hoffnung schöpfen, zumindest auf Ebene der Bundesstaaten der "MAGA"-Revolution etwas entgegenzusetzen?

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Schon vor der US-Präsidentenwahl im vergangenen Jahr hatte Musk angekündigt, bis zur Wahl am 5. November täglich eine Million Dollar an registrierte Wähler in besonders hart umkämpften US-Bundesstaaten zu vergeben. Laut US-Wahlrecht ist es verboten, Bürgern Geld dafür zu zahlen, dass sie abstimmen oder sich dafür registrieren. Doch das kümmert Musk offenbar nicht. In Green Bay überreichte er etwa dem republikanischen Aktivisten Nicholas Jacobs einen Scheck über eine Million Dollar.

Generalstaatsanwalt sieht Unabhängigkeit der Wahl in Gefahr

Jacobs ist Vorsitzender der republikanischen Studierendenvereinigung von Wisconsin und ein einflussreicher "MAGA"-Funktionär in dem Bundesstaat. Kurz darauf untersagte der Generalstaatsanwalt von Wisconsin Musk die Übergabe weiterer Schecks, weil er befürchtet, dass damit illegaler Einfluss auf die Richterwahl am Dienstag genommen werden könnte.

Musk wiederum machte noch auf der Bühne am Sonntagabend keinen Hehl daraus, was er mit den Geldgeschenken bezwecken möchte. "Es geht nur um Aufmerksamkeit. Indem ich hier stehe und die Schecks überreiche, bringe ich die Mainstream-Medien um den Verstand. Ich weiß, sie werden alle darüber berichten. Und die Sendezeit, die ich dadurch bekomme, ist zehnmal so viel wert wie dieser Scheck."

Die zynische Rechnung des vermögendsten Menschen der Welt könnte aufgehen. In einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf können die letzten Stunden womöglich entscheidend sein – und diese Stunden waren in den Nachrichten voll mit Musks Auftritt in Green Bay. Susan Crawfords Sendezeit hingegen schrumpfte auf ein Minimum. Sollte Musks Rechnung aufgehen und Schimel tatsächlich am Dienstag gewinnen, wäre das viele Geld, das er in die Kampagne in Wisconsin gepumpt hat, aus seiner Sicht hervorragend angelegt gewesen.

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