Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Angeblicher Professor im Europaparlament AfD-Abgeordnetem drohen neue Ermittlungen
Wegen eines mutmaßlich zu Unrecht geführten Professorentitels ist der AfD-Abgeordnete Gunnar Beck bereits zum zweiten Mal verurteilt worden. Zwar hat er Berufung eingelegt, doch nun soll erneut seine Immunität aufgehoben werden.
Schon wieder beschäftigt sich der Rechtsausschuss des EU-Parlaments mit dem AfD-Abgeordneten und erneuten Europa-Kandidaten Gunnar Beck. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf will Informationen von t-online zufolge ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten und hat deswegen erneut die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität beantragt. Noch ist unklar, welche neuen Vorwürfe gegen Beck geprüft werden.
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf betonte auf Anfrage von t-online, es gelte die Unschuldsvermutung. Becks Anwalt teilte mit, das Verfahren sei ursprünglich eingestellt worden und werde nach einem "Wechsel in der sachbearbeitenden Zuständigkeit aus politischen Gründen" wieder aufgenommen. Der Antrag zur Aufhebung der Immunität werde "trotz mangelnden Tatverdachts oder allenfalls eventueller Geringfügigkeit gestellt".
Langes Tauziehen um den Titel
Erst im November 2023 war Beck zum zweiten Mal wegen des mutmaßlichen Missbrauchs eines Titels verurteilt worden. Das Urteil ist allerdings immer noch nicht rechtskräftig. Beck hatte im letzten Europa-Wahlkampf öffentlich einen Professorentitel geführt. Da er das mutmaßlich zu Unrecht tat, hatte das Amtsgericht Neuss zunächst im November 2021 einen Strafbefehl in Höhe von 60 Tagessätzen erlassen. Dagegen legte Beck Einspruch ein und wurde daraufhin im Juni 2022 zu einer Geldstrafe in Höhe von 9.200 Euro verurteilt. Da Becks Verteidigung allerdings die Zuständigkeit des Amtsgerichts bestritt, legte Beck auch dagegen Berufung ein.
Das Oberlandesgericht bestätigte daraufhin im Dezember 2022 zwar die Zuständigkeit des Amtsgerichts, hob das Urteil allerdings aufgrund eines Formfehlers auf. Erneut befasste sich daraufhin das Amtsgericht Neuss mit dem Fall, kam im November 2023 aber zu einem ähnlichen Ergebnis: Nun soll Beck eine Geldstrafe in Höhe von 6.900 Euro zahlen. Dagegen hat die Verteidigung wiederum Berufung eingelegt. Derzeit liegt der Fall beim Landgericht Düsseldorf.
Weitere AfD-Kandidaten in Schwierigkeiten
Beck selbst hatte die Vorwürfe stets bestritten und darauf gepocht, er habe seit vielen Jahren als sogenannter Barrister-at-Law (Rechtsanwalt) und Hochschullehrer an der SOAS University of London gearbeitet. Er sei nicht habilitiert, habe aber den Titel auch nur umgangssprachlich geführt. Weder das Wissenschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen noch das Gericht folgten dieser Rechtsauffassung. Es handle sich um einen "klassischen Fall von Titelmissbrauch" urteilte das Amtsgericht im ersten Hauptverfahren. Becks Verteidiger bleibt hingegen auf Anfrage von t-online bei der Darstellung.
Beck ist nicht der einzige aktuelle Europa-Kandidat der AfD, der aufgrund hochtrabender Angaben im Lebenslauf Schwierigkeiten hat: Recherchen von t-online deckten im August auch gewichtige Falschangaben des Listenkandidaten Arno Bausemer auf. Die Hochstapler-Affäre beschäftigte daraufhin über Monate die Parteibasis, Landes- und Bundesvorstände sowie weitere wichtige Parteigremien. Zeitweise stand eine komplette Neuwahl aller Kandidaten im Raum.
Die Folgen der Hochstapler-Affäre
Da parteiintern auch Zweifel an der Kandidatin Mary Khan-Hohloch laut geworden waren, ordnete der AfD-Vorstand eine Überprüfung aller Kandidaten an. Bausemer verlor daraufhin seine Parteiämter und ist seitdem mit einer Ämtersperre belegt, darf aber wie Gunnar Beck weiter kandidieren. Beide werden angesichts aktueller Umfragen voraussichtlich ins Europaparlament einziehen.
Weitere Kandidaten blieben von der Überprüfung im Auftrag des Bundesvorstands unbeschadet. Parteiinterne Kritiker bemängelten, der Vorstand habe nicht alle wesentlichen Angaben zu Lebensläufen und Qualifikationen prüfen lassen. So habe eine aufwendige und teure neue Aufstellungsversammlung vermieden werden sollen. Konkurrierende Parteilager fürchteten demnach zudem, Kandidaten auf der Liste nicht erneut durchsetzen zu können.
Im Fall Beck wird das Landgericht Düsseldorf in den kommenden Wochen entscheiden, wie es im Verfahren um den mutmaßlich zu Unrecht geführten Professorentitel weitergeht. Ob die Staatsanwaltschaft Düsseldorf neue Ermittlungen einleiten darf, wird das Europäische Parlament entscheiden.
- Eigene Recherchen