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AfD | Hochstapler-Affäre: Feuer auf allen Kanälen


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Hochstapler-Affäre in der AfD
Feuer auf allen Kanälen


Aktualisiert am 21.10.2023Lesedauer: 6 Min.
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Alice Weidel: Urlaub an der Côte d’Azur? Gerne! AfD-Konventsitzung? Lieber nicht! (Quelle: IMAGO/imago-images-bilder)

Parteiintern protestieren Funktionäre gegen das lasche Vorgehen der AfD-Spitze in der Hochstapler-Affäre. Eine Sondersitzung des Parteikonvents wurde einberufen, Delegierte drängen auf harte Maßnahmen.

Der Waffenstillstand ist vorbei, die Kritik kocht wieder hoch: Mitglieder und Funktionäre der AfD laufen Sturm gegen den eigenen Bundesvorstand unter Leitung von Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Eine Sondersitzung des Parteikonvents ist für Sonntag im sachsen-anhaltinischen Barleben einberufen. Vertreter aus 14 von 16 AfD-Landesverbänden reisen dafür an. Eine Delegierte aus Bayern hatte den Antrag auf die Eilsitzung gestellt, mehr als ein Viertel der Konvents-Delegierten, darunter weitere Parlamentarier, hatte den Antrag unterstützt.

Einziger Punkt auf der Tagesordnung: die Hochstapler-Affäre in der AfD – und der Umgang der Parteispitze damit. In Anträgen für die Sitzung werden harte Maßnahmen gefordert. Der weitreichendste Antrag fordert, dass die fraglichen AfD-Kandidaten eine eidesstattliche Erklärung abgeben, um auf ihr Mandat nach der Wahl zu verzichten – und ansonsten von der Liste geworfen werden.

Schwindel-Kandidaten sollen EU-Abgeordnete werden

Die Affäre zieht sich seit Wochen hin. Recherchen von t-online hatten enthüllt, dass zwei Kandidaten, die im Juli und August in Magdeburg auf die Liste der AfD für die Europawahl 2024 gewählt wurden, bei ihrer Bewerbung nicht die Wahrheit gesagt hatten. Bei Arno Bausemer (Listenplatz 10) stimmte kaum eine Angabe im wohlklingenden Lebenslauf. Bei Mary Khan-Hohloch (Listenplatz 14) standen Angaben zu Studium wie Berufserfahrung in Zweifel.

Der Bundesvorstand ließ alle 35 Europakandidaten prüfen – besonders im Fokus standen dabei Bausemer und Khan-Hohloch – und musste schließlich einräumen: Bausemer hat keine Berufsausbildung, Khan-Hohloch hatte zumindest zum Zeitpunkt ihrer Rede in Magdeburg nicht das Abschlusszeugnis für ein Studium. Weitere Zweifel, die im Raum standen, wurden von den Vertrauensleuten gar nicht erst unter die Lupe genommen. Nur nicht zu genau hingucken, schien die Devise zu sein.

Die anschließende Reaktion der Parteispitze fiel in den Augen vieler Mitglieder zu milde aus: Sie verhängte eine Ämtersperre für Bausemer wie Khan-Hohloch. Ehrenamtliche Parteiämter dürfen sie so zwei Jahre nicht bekleiden. Auf der Liste für die Europawahl aber sollen sie bleiben, so will es der Vorstand. Bausemer und Khan-Hohloch also wurden des Schwindels überführt – sollen für die AfD aber weiterhin die hochdotierten und begehrten Mandate im EU-Parlament einheimsen dürfen.

In der AfD sorgte das für Empörung, bis hinauf zu den Abgeordneten im Bundestag. Öffentlich äußerten sie sich aber zunächst nicht. Vor den für die Partei wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen schwiegen die Kritiker lieber. Ein Waffenstillstand, zum Wohle der Partei.

Drei Schärfegrade bei der Eilsitzung

An diesem Sonntag wird es damit vorbei sein. Für die Sitzung am Sonntag wurden mehrere Anträge eingereicht, die in der Hochstapler-Affäre Aufklärung und weitreichende Maßnahmen fordern. Die Anträge liegen t-online vor.

Die Anträge unterscheiden sich in ihrer Schärfe: Der baden-württembergische Abgeordnete Thomas Seitz fordert in Antrag 1, die Kandidaten Bausemer und Khan-Hohloch sowie die Vertrauenspersonen Christoph Basedow und Joachim Keiler vorzuladen und zu befragen.

Hintergrund: In der AfD gibt es massive Zweifel nicht nur an den Kandidaten, sondern auch an der Prüfung der Vertrauenspersonen. Die seien befangen, viel zu spärlich habe die Parteispitze außerdem über das Vorgehen informiert, heißt es in Parteikreisen. Was genau geprüft wurde, und welche Unterlagen die Kandidaten vorlegten, bleibe unklar.

Seitz schreibt in seinem Antrag: "Für eine abschließende Bewertung bedarf es einer belastbaren tatsächlichen Grundlage." Hierfür sei eine Unterrichtung durch die Vertrauenspersonen erforderlich. Und: "Eine Anhörung der betroffenen Kandidaten sollte für eine Rechtsstaatspartei selbstverständlich sein (…)".

Antrag 2 wurde ebenfalls von Delegierten aus Baden-Württemberg gestellt, darunter der Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun. Dieser Antrag stellt eine ganze Reihe von konkreten Fragen zu den von den Kandidaten vorgelegten Unterlagen und zur Prüfung der Vertrauensleute. Darunter: "Warum wurden die Angaben auf den Bewerberseiten sowie die angegebenen Arbeitsreferenzen nicht geprüft?"

Antrag 3 fordert Mandatsverzicht – Gründe: Gier und Unverfrorenheit

Es folgt Antrag 3 – und dieser Antrag hat es in sich: Er fordert Khan-Hohloch und Bausemer im Namen des Konvents dazu auf, eine Erklärung abzugeben. Darin sollen sie sich verpflichten, nach der Wahl auf ihre Mandate im EU-Parlament zu verzichten. Die beiden sollten die "notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung" bis zum 31. Oktober vorlegen.

Sollten die beiden Kandidaten dieser Aufforderung nicht nachkommen, so heißt es weiter, weise der Konvent die Vertrauensleute an, die beiden Kandidaten von der Liste zu streichen. "Beide sind charakterlich nicht geeignet, die Alternative für Deutschland in hervorgehobener Position zu vertreten."

Das Streichen von Kandidaten macht potenziell die gesamte EU-Liste hinfällig, rechtlich notwendig ist dann in jedem Fall eine neue Aufstellungsversammlung. In der AfD ist das bisher das größte Hindernis, Bausemer und Khan-Hohloch von der Liste zu nehmen. Denn solche Versammlungen sind aufwendig und teuer, 600 Delegierte reisen dafür aus ganz Deutschland an.

Die Antragsteller aber sind gewillt, diese Kröte zu schlucken. Zur Begründung schreiben sie: Bausemer und Khan-Hohloch hätten die Delegierten "vorsätzlich getäuscht". Die Angelegenheit wiege schwer, habe der Partei schon jetzt enorm geschadet. Der "erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwand" für eine neue Aufstellungsversammlung erscheine angesichts dessen ein geringer Preis.

"Die Partei muss rücksichtslos nicht nur diejenigen außerhalb der Partei bekämpfen, die Deutschland in den Untergang treiben, sondern auch diejenigen innerhalb der Partei, die diesem Kampf durch Gier, Unverfrorenheit und der Sehnsucht nach einem bequemen Leben in einem auskömmlichen Mandat schaden oder ihn gar verunmöglichen", heißt es weiter.

Vorwurf der Befangenheit gegen ein Mitglied des Bundesvorstands

Unter dem Verdacht der "Gier" stehen aus Sicht der Antragsteller nicht nur die Kandidaten selbst – sondern auch Dennis Hohloch, Ehemann von Mary Khan-Hohloch und als Schriftführer Mitglied des Bundesvorstands. Der Konvent weise den Bundesvorstand an, bis Ende Oktober zu prüfen, ob Hohloch "in seinem Parteiamt befangen war und unziemlichen Einfluss auf die Geschehnisse genommen hat". Insbesondere solle festgestellt werden, ob Hohloch an Beschlüssen und Diskussionen beteiligt war, in denen es um seine Ehefrau ging.

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Sollte das der Fall sein, so heißt es weiter, solle der Bundesvorstand Ordnungsmaßnahmen gegen Hohloch "wegen Missachtung allgemeingültiger Befangenheits- und Amtsneutralitätsprinzipien" einleiten. Die Landesverbände Brandenburg und Sachsen-Anhalt werden außerdem aufgefordert, Ordnungsmaßnahmen gegen die beiden Kandidaten Khan-Hohloch und Bausemer durchzusetzen.

Kritische Stimmen werden oft "kaltgestellt"

Wie die Mehrheiten im Konvent in der Causa stehen, ist unklar. Zwar teilen viele in der AfD die Kritik und wollen Khan-Hohloch und Bausemer für ihre Falschangaben abstrafen. Allerdings sind andere Funktions- und Mandatsträger, die im Konvent stark vertreten sind, aus machtstrategischen Gründen zurückhaltender – oder "feige", wie es Gesprächspartner verlautbaren lassen.

Parteiinterne Kritik nämlich ist in der AfD nicht gerne gesehen. Wer den Mund auftut, müsse befürchten, im Auftrag des Vorstands "kaltgestellt" oder "auf die Abschussliste" gesetzt zu werden, heißt es. Zum Wohle der eigenen Karriere schweigt da manch einer lieber.

Schon beim letzten Konvent aber hatte es trotzdem aus mehreren Bundesländern zumindest Nachfragen zum Vorgehen des Bundesvorstands gegeben – auch aus Thüringen, dem starken Landesverband von Björn Höcke. Damals waren sie mit Blick auf die noch nicht ganz abgeschlossene Kandidatenprüfung sowie die bevorstehenden Wahlen aber zum großen Teil vertagt worden.

Weidel wird fehlen

Für Kritik sorgt schon jetzt, dass AfD-Chefin Alice Weidel, so der Stand der Informationen am Freitag, nicht an der Sitzung teilnehmen wird. Weidel steht in der Affäre auch persönlich in der Kritik, weil sie Khan-Hohloch nahesteht und sie geschützt haben soll. Während Weidel am vergangenen Wochenende aber noch auf einem Kurztrip an der Côte d’Azur mit Müllermilch-Milliardär Theo Müller gesehen wurde, wie die "Bild" berichtet, wird sie der Sitzung am Sonntag nach Informationen von t-online fernbleiben.

Interessante Prioritäten habe die Parteichefin, heißt es unter der Hand. Andere beklagen, dass Weidel bisher noch nicht an einer einzigen Sitzung des Parteikonvents teilgenommen habe und sich auch Chrupalla selten blicken lasse. Sehr viel seltener als vorherige Parteichefs. "Unwürdig", heißt es in Parteikreisen.

Landesvorstand Brandenburg schaut genau hin

Der Groll ist groß, die Sitzung am Sonntag könnte zum Showdown werden. Selbst wenn nicht, ist die Affäre zumindest für die Kandidatin Mary Khan-Hohloch damit noch nicht ausgestanden.

Denn schon jetzt ist klar: Ihr eigener Landesvorstand Brandenburg will weiter gegen sie vorgehen. Bereits Anfang Oktober hatte er Khan-Hohloch aufgefordert, eine Erklärung zum Mandatsverzicht bis zum 6. Oktober vorzulegen – falls das nicht geschehe, wolle man beim Landesschiedsgericht einen Antrag auf Parteiausschluss stellen.

Nach Informationen von t-online stimmten neun Mitglieder des Landesvorstands für den Antrag, vier dagegen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde also erreicht, die Kritiker sind zahlenmäßig stark vertreten.

Khan-Hohloch aber reagierte auf die Forderung des Landesvorstands nicht. Weder legte sie eine Erklärung vor, noch widersprach sie – sie stellte sich einfach stumm. In Brandenburg kam das nicht gut an.

Am Samstag steht dort die nächste Vorstandssitzung an. Erwartet wird aber in der Sache erst einmal kein weiterer Schritt. Lieber wartet man auf die Diskussion und mögliche Beschlüsse im Konvent. Das eigene Vorgehen könnte sich so erübrigen.

Die Hochstapler-Affäre – ausgestanden? Nein, für dieses Wochenende gilt: Feuer auf allen Kanälen.

Hinweis: Zunächst hieß es in dem Artikel, ein Bundestagsabgeordneter aus Bayern habe den Antrag auf Sondersitzung des Konvents gestellt. Das ist nicht korrekt und wurde geändert. Antrag 3 wurde nicht, wie zunächst im Text beschrieben, unter anderem von den Bundestagsabgeordneten Thomas Seitz und Jürgen Braun eingereicht. Wir haben die entsprechenden Passagen dies betreffend angepasst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anträge für die Sitzung des Konvents am 22. Oktober
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