Neonazis, Identitäre und Reichsbürger Bericht: Mehr als 100 Rechtsextreme arbeiten im Bundestag
Die AfD beschäftigt im Bundestag dutzende Rechtsextreme. Eine Recherche des Bayrischen Rundfunks zeigt, wie tief die rechtsextreme Szene in der Fraktion verankert ist.
Die AfD-Bundestagsfraktion beschäftigt dutzende Personen aus dem rechtsextremen Spektrum. Einer Recherche des Bayrischen Rundfunks (BR) zufolge sind in der AfD-Fraktion mehr als 100 Bundestagsmitarbeiter tätig, aus Organisationen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden – darunter Neonazis, Identitäre und Reichsbürger.
Nach eigener Aussage beschäftigt die AfD 182 Mitarbeiter. Laut den Recherchen des Bayrischen Rundfunks sind es jedoch weitaus mehr. Durch das Einsehen von aktuellen Mitarbeiterverzeichnissen aus der AfD-Fraktion und internen Namenslisten, auf die das Rechercheteam Einsicht hatte, identifizierten sie über 500 Personen, die als Bundestagsmitarbeiter für die Partei aktiv seien. Für diese hat die AfD mehr als 30 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, wie die Tagesschau berichtet.
Unter den Mitarbeitern sollen sich auch Personen befinden, die namentlich vom Verfassungsschutz genannt werden und solche, die Führungsrollen in beobachteten Organisationen bekleiden.
"Neue Rechte" besonders aktiv
Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten sollen der Recherche zufolge Personen beschäftigen, die in vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv sind – darunter auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Die Gelegenheit einer Stellungnahme wurde laut der Tagesschau in keinem Fall genutzt. Einige Abgeordnete hätten demnach jedoch die Unabhängigkeit der Verfassungsschutzämter infrage gestellt.
Auffällig häufig dabei seien die Akteure der "Neuen Rechten". Hierbei handelt es sich um eine rechtsextremistische Strömung, die eine ideologische Erneuerung nach dem Vorbild des Nationalsozialismus anstrebt. Zu der Strömung gehöre auch der Verein "Ein Prozent", der sich selber als "Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk" bezeichnet. Mithilfe von Spenden unterstützt dieser Aktivisten aus dem rechten Spektrum.
Der Verfassungsschutz beschreibt den Verein als "Projektförderungs- und Vernetzungsagentur", in deren Kampagnen Migranten pauschal herabgewürdigt werden. Im vergangenen Jahr wurde "Ein Prozent" von dem Bundesamt als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Dem Bayrischen Rundfunk zufolge hätten 20 AfD-Bundestagsmitarbeiter einen starken Bezug zu Organisationen aus der Neuen Rechten.
Ex-AfD-Mitglieder und Identitär werden ebenfalls beschäftigt
Aber nicht nur Personen aus der "Neuen Rechten" nahen Organisationen werden von den AfD-Abgeordneten beschäftigt. Auch ehemalige Abgeordnete der AfD, die der Partei zu extrem waren, werden von den jetzigen AfD-Mitgliedern angestellt – so zum Beispiel Frank Pasemann. Das ehemalige AfD-Parteimitglied Pasemann sei 2020 aus der Partei öffentlich ausgeschlossen wurden – ihm wurde parteischädigendes Verhalten und Antisemitismus vorgeworfen. Dem BR zufolge arbeite Pasemann nun für den Abgeordneten Jürgen Pohl. Beide äußerten sich auf Tagesschau-Anfrage hin nicht.
Zu den Mitarbeitern gehören auch Mitglieder der "Identitären Bewegung" (IB). Einer dieser hat der Tagesschau zufolge sogar Hausverbot im Bundestagsgebäude: Mario Müller. Müller arbeitet für den Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt aus Sachsen-Anhalt. Zudem habe das Mitglied der IB auch bei dem "Geheimtreffen" in Potsdam teilgenommen, bei der die Remigration von Millionen deutscher Staatsbürger geplant wurde.
Am Freitag sagte Müllers Arbeitgeber, AfD-Abgeordneter Schmidt, dem BR während einer Veranstaltung in einem AfD-Büro in Sachsen-Anhalt: "Ich behalte mein Personal, so wie es ist." Es sei ihm wichtig, dass seine Mitarbeiter "vernünftige Abschlüsse" hätten. Dann wandte er sich zum Publikum und verkündete: "Ich kann auch garantieren, dass die etablierten Parteien zu Recht Angst vor uns haben. Die haben zu Recht den Verfassungsschutz auf uns angesetzt. Wir werden maßgebliche Dinge verändern, wenn wir regieren."
Sie könnten "Einfluss ausüben und Propaganda verbreiten".
Die Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte dem BR, Mitarbeiter mit einer Verbindung zu rechtsextremen Kreisen seien eine Gefahr, sie wollten die Demokratie von innen aushöhlen. "Das sollten wir ändern. Das können wir nicht einfach so laufen lassen."
Kritisch sehe dies auch der Professor für Politikwissenschaft Armin Pfahl-Traughber, der bis 2004 im Bundesamt für Verfassungsschutz Referent für Rechtsextremismus war. Dieser sagte dem ARD-Politikmagazin "Report München", es sei ein Problem, "dass tatsächlich im organisatorischen Herzen der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland Rechtsextremisten sitzen". Dort könnten sie "Einfluss ausüben und Propaganda verbreiten".
- br.de: "BR-Recherche: AfD beschäftigt mehr als 100 Rechtsextreme"
- tagesschau.de: "AfD im Bundestag beschäftigt mehr als 100 Rechtsextreme"
- tagesschau.de: "Wieso Rechtsextreme im Bundestag arbeiten"