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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Debatte ums Bürgergeld Jusos und Grüne Jugend kritisieren "unehrliches Spiel" der Ampel
Arbeitsminister Hubertus Heil will "Totalverweigerern" das Bürgergeld in Gänze streichen. Bei den Jugendverbänden von SPD und Grünen formiert sich Widerstand.
Die Jungsozialisten in der SPD (Jusos) und die Grüne Jugend haben in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen Verbänden die Bürgergeld-Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kritisiert. "Dass in der aktuellen Lage, in der ohnehin die meisten Menschen Abstiegserfahrungen machen, ständig die Ärmsten gegeneinander ausgespielt werden, ist ein unehrliches Spiel", heißt es in dem Papier, das t-online exklusiv vorliegt.
Die Pläne der Ampel hätten zur Folge, dass "Erwerbslose, die ein Jobangebot ausschlagen, mit Vollsanktionen bestraft werden" und damit "de facto hungern müssen". Das sei nicht "mit unserem Rechtsstaat und internationalen Vereinbarungen wie dem UN-Sozialpakt vereinbar", heißt es weiter. Die Erklärung wurde auch von der DGB-Jugend, dem Jugendverband der Linkspartei sowie von mehreren Betroffenenverbänden unterzeichnet: dem Verein Sanktionsfrei, der Oneworryless-Foundation, der Initiative #IchBinArmutsbetroffen, von Tacheles e. V., der Wohnungslosen-Stiftung und dem Koordinierungskreis der Nationalen Armutskonferenz.
Heils Gesetzentwurf will die Sanktionen für einen Teil der Bürgergeld-Bezieher drastisch verschärfen. Wer künftig zumutbare Arbeit ablehnt, soll nach dem Willen des Ministers eine Kürzung von bis zu 100 Prozent seiner Leistungen hinnehmen müssen. Nur Miete und Heizung sollen in dem Fall weiter vom Jobcenter bezahlt werden. Bislang waren nur Sanktionen von bis zu 30 Prozent des Bürgergeldes möglich. Heil will damit nach eigenen Angaben gegen eine kleine Gruppe von "Totalverweigerern" vorgehen.
"Gefahr von Stromsperren"
Die Unterzeichner des Aufrufes widersprechen dem scharf. Ziel des Bürgergeldes sei es gewesen, "ein neues Miteinander zwischen Jobcentern und Sozialleistungsbeziehenden zu prägen". Dieses Ansinnen sei jedoch nicht vereinbar mit einer "Vollsanktionierung der Betroffenen nach einmaligem Pflichtverstoß", wie nun geplant ist. Statt Druck auf Arbeitssuchende auszuüben, sollten "Förderung und Qualifikation im Vordergrund" stehen.
Die Unterzeichner weisen zudem darauf hin, dass das Bürgergeld auch die Kosten für Strom deckt. Bei einer kompletten Streichung bestehe die "Gefahr von Stromsperren" für Betroffene.
Studien zufolge gebe es ohnehin nur einen "verschwindend geringen Anteil" an Bürgergeld-Beziehern, die sich willentlich der Annahme passender Jobangebote verweigern, heißt es in der Erklärung. Darüber hinaus sei nachgewiesen, dass Sanktionen ungeeignet seien, um etwa Menschen mit psychischen Problemen zu motivieren und in sichere Jobs zu bringen.
In der Krise nicht am Sozialstaat sparen
In der Erklärung argumentieren die Unterzeichner zudem, dass der Bürgergeld-Plan auch indirekt Auswirkungen auf Beschäftigte habe. So könnten Löhne und Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer "einfacher gedrückt werden, wenn Menschen de facto keine Wahl haben, ob sie einen Job annehmen wollen oder nicht". Eine gute Absicherung für Arbeitslose würde demnach die kollektive Verhandlungsposition von Beschäftigten verbessern. "Auch kein Arbeitnehmer und keine Arbeitnehmerin kann diese Sanktionspolitik wollen", heißt es im Aufruf.
"Umso wichtiger ist es, dass die Regierung ein Signal setzt, dass in der Krise nicht am Sozialstaat gespart wird, sondern die Gewissheit besteht, dass Menschen entsprechend ihrer Interessen und Stärken gefördert werden, wenn sie arbeitslos werden", fordern die Unterzeichner.
Forderung nach Stopp der Heil-Pläne
Das "Gemeinsame Bündnis gegen Vollsanktionen beim Bürgergeld" ruft die Ampel dazu auf, das Gesetzesvorhaben zu stoppen. Es dürften "keine Kürzungen im Haushalt zulasten der Schwächsten" stattfinden. Stattdessen solle die Bundesregierung sich vornehmen, die "immer schneller wachsenden Vermögen" anzugehen.
"Die Vermögen der Reichsten wachsen immer schneller. Hier gilt es anzusetzen. Die Zeche für das verfehlte Einhalten der Schuldenbremse dürfen nicht die Schwächsten zahlen." Der öffentlichen Hand gingen jährlich rund 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren.
- Erklärung "Statement zu den geplanten Vollsanktionen beim Bürgergeld"