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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Haushaltseinigung abermals vertagt Die Hängepartie geht weiter
Noch immer kein weißer Rauch: Die Ampelspitzen beraten am Freitag weiter über einen Kompromiss für den Haushalt 2024. Die Zeit wird immer knapper.
Die Ampel ringt weiter um einen Kompromiss für den Haushalt 2024, eine endgültige Einigung ist immer noch nicht absehbar. Wie t-online aus Regierungskreisen erfuhr, wollen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ihre Verhandlungen noch einmal fortsetzen, wenn Lindner vom informellen Treffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister zurückgekehrt ist.
Lindners Termin in Brüssel ist für den Donnerstagabend angesetzt. Olaf Scholz wird derweil Freitagvormittag den SPD-Parteitag besuchen. Weitere Gespräche des Ampel-Führungstrios im Kanzleramt sind anschließend für Freitagnachmittag geplant.
Damit wird die Zeit immer knapper, um noch in diesem Jahr den Bundeshaushalt für 2024 zu finalisieren. Sollte eine Einigung auf oberster politischer Ebene stehen und das Bundeskabinett – möglicherweise im Umlaufverfahren – den Haushalt in der nächsten Woche beraten und verabschieden, müsste der Bundestag voraussichtlich in der Woche vor Weihnachten zu einer Sonder-Haushaltssitzung zusammenkommen. Der Bundesrat könnte den Etat dann in seiner letzten regulären Sitzung am 22. Dezember durchwinken.
Ein ziemlich enger Zeitplan also, weshalb es inzwischen als wahrscheinlicher gilt, dass es in diesem Jahr keinen finalen Haushaltsbeschluss geben wird. Stattdessen könnte es nur noch für eine politische Einigung zwischen den Ampelpartnern reichen, bestenfalls für einen Kabinettsbeschluss. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte sich am Mittwoch optimistisch gezeigt, dass Letzteres noch vor Weihnachten erreicht werden könnte.
Gibt's den Ampel-Weihnachtsfrieden?
Damit hätte die Ampel zumindest eine Art Weihnachtsfrieden gefunden: Über die Feiertage dürfte sich dann niemand aus den Reihen der Koalition bemüßigt sehen, immer wieder neue Forderungen für den Haushalt aufzustellen. Auch für die Opposition wäre die Angriffsfläche damit kleiner.
Dass es noch einen Tick länger dauern könnte als ursprünglich avisiert, dass die Zeit bis Weihnachten also lediglich für eine politische Einigung reicht, nicht jedoch für einen Beschluss im Bundestag, dafür sprechen auch die Äußerungen von FDP-Fraktionschef Christian Dürr und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Donnerstagmorgen.
Dürr sagte dem rbb-Inforadio, die Haushaltslücke betrage 17 Milliarden Euro. Dies sei zwar "eine Menge Geld", der Bundeshaushalt habe aber ein Volumen von 450 Milliarden Euro. Die Schließung der Lücke sei damit "bewältigbar". Kühnert erklärte mit Blick auf einen baldigen Durchbruch in den Verhandlungen im Fernsehprogramm von n-tv: "Ich glaube, das ist auch möglich. Aber es dauert so lange, wie es dauert."
Lindner lehnt Aussetzen der Schuldenbremse ab
Das Trio Scholz, Habeck, Lindner hatte sich in den vergangenen Tagen mehrfach getroffen, etwa am Sonntag und am Mittwochabend. Bislang jedoch haben sie keine Lösung gefunden, wie das Milliarden-Loch im Etatentwurf 2024 zu stopfen ist.
Verkürzt gesagt verlaufen die Fronten wie folgt: Die FDP will, dass die Ampel spart und Ausgaben kürzt. Eine abermalige Notlage zum Aussetzen der Schuldenbremse lehnen die Liberalen ab. SPD und Grüne können sich derweil eine Notlage durchaus vorstellen, um durch neue Schulden weniger sparen zu müssen.
Lindner zeigte sich in einem Interview der "Wirtschaftswoche" erneut hart: Er lehne eine Aussetzung der Schuldenbremse sowie Steuererhöhungen ab. Zuletzt war allerdings aus Regierungskreisen zu hören, dass im Finanzministerium die Abschaffung einzelner Steuerprivilegien geprüft und durchgerechnet werde – die Lindner den FDP-Anhängern immerhin nicht als echte Steuererhöhungen verkaufen müsste.
SPD und Grüne wollen keine Kürzungen beim Sozialstaat
Lindner stellte in der "Wirtschaftswoche" zugleich den Sinn staatlich geförderter großer Infrastruktur-Investitionen im Halbleiter- und Batteriesektor infrage. Er sei nicht der Ansicht, dass Deutschland Schlüsselindustrien bei Halbleitern, Batterien oder Wasserstoff fördern müsse, sagte er. "Ich teile das Paradigma der Autonomie nicht."
Damit stellt sich der FDP-Chef gegen Scholz und Habeck, die sich klar für milliardenschwere Hilfe, etwa beim Bau von Halbleiter-Fabriken in Magdeburg und Dresden ausgesprochen haben. SPD und Grüne verharren derweil auf ihrem Standpunkt, keine Kürzungen beim Sozialstaat hinnehmen zu wollen, etwa beim Bürgergeld.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor drei Wochen fehlen im Bundeshaushalt für das kommende Jahr laut Lindner rund 17 Milliarden Euro. Das höchste deutsche Gericht hatte die Umschichtung von 60 Milliarden Euro für nichtig erklärt. Das Geld war ursprünglich als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber später für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft genutzt werden.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters