Umstrittene Bund-Länder-Beschlüsse OB findet deutliche Worte: "Wir gehören an den Tisch"
Stundenlang haben Bund und Länder diskutiert – doch nicht in allen Bereichen kamen sie zu einem Ergebnis. Zudem gibt es Kritik an den Migrationsplänen.
Bis in die Morgenstunden haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs und -chefinnen der Länder verhandelt, im Mittelpunkt stand das Thema Migration. So sollen etwa Asylbewerber, die seit mehr als eineinhalb Jahren in Deutschland sind, nur noch eingeschränkte Leistungen erhalten. Außerdem soll die irreguläre Migration eingedämmt werden.
- Im Überblick: Das haben Bund und Länder beschlossen
Scholz selbst sprach nach den stundenlangen Verhandlungen von einem "historischen Moment". Aber was sagen die Länderchefs und andere Politiker? Ein Überblick über die Reaktionen.
"Das reicht noch nicht"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bewertete die Ergebnisse der Bund-Länder-Verhandlungen zur Migration als Fortschritt, aber noch nicht als ausreichend. "Positiv: Es bewegt sich was! Negativ: Das reicht noch nicht", schrieb der CSU-Chef am Dienstagmorgen auf der Plattform X, früher Twitter. "Wir müssen weiter Druck machen, um die Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen", betonte Söder.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Ähnlich äußerte sich Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Man habe einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. "Klar ist aber auch, dass ein Weg aus sehr vielen Schritten besteht und natürlich noch weitere Schritte folgen müssen."
Der Deutsche Städtetag sieht Licht und Schatten bei den Bund-Länder-Beschlüssen zur Migration. Positiv zu bewerten sei die geplante Pro-Kopf-Pauschale des Bundes pro Asylerstantragsteller, sagte Vizepräsident Burkhard Jung (SPD) am Dienstag im Deutschlandfunk. Allerdings seien die verabredeten 7.500 Euro "deutlich zu wenig". Die Bundesländer hatten zunächst 10.500 Euro pro Flüchtling und pro Jahr gefordert, der Bund wollte nur 5.000 geben.
Verständigt hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder mit Kanzler Scholz ferner darauf, dass Asylbewerber mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen sollen. Jung, der auch Leipziger Oberbürgermeister ist, hofft hier auf eine unbürokratische Lösung. "Nicht, dass wir noch viel mehr zu tun haben als vorher." Noch nicht zu beurteilen sei, wie die anderen geplanten Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration wirken würden. Außer der Grenzkontrollen sei "alles noch sehr unklar", so Jung.
"Dieses Gezerre ist fürchterlich zwischen Bund und Ländern"
Er kritisierte die zähen Verhandlungen, die bis in den Dienstagmorgen anhielten. "Dieses Gezerre ist fürchterlich zwischen Bund und Ländern", sagte er. Jung erneuerte zugleich den Anspruch der Kommunen, bei solchen Verhandlungen dabei zu sein. "Wir gehören an den Tisch. Ich werde nicht müde, das zu fordern." Der Leipziger OB betonte: "Wir gehen alle auf dem Zahnfleisch." Es gebe keine Unterkünfte, man wisse nicht mehr, wohin.
Zudem monierte er, dass Diskussionen wie die zum Deutschlandticket aufgeschoben wurden. "Das kann doch nicht sein, dass man solche wichtigen Entscheidungen immer wieder verschiebt, jetzt aufs nächste Jahr. Diese Hängepartie. Ich glaube, Menschen können erwarten, dass verantwortliche Politik (...) durchaus diskutiert, aber dann zu Lösungen und klaren Botschaften kommt." Lesen Sie hier mehr zur Zukunft des Deutschlandtickets.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die Bund-Länder-Einigung als einen "rabenschwarzen Tag" für Kommunen, Bürgermeister und Landräte. Er forderte höhere Steuern für Superreiche. "Deutschland ist zweifellos am Limit. Daher brauchen die Kommunen maximale Unterstützung. Die Kosten sollten nicht länger vom normalen Steuerzahler getragen werden", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
"Wir können jetzt nicht jahrelang warten"
Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bezeichnete die Beschlüsse zur Migrationspolitik als unzureichend. "Es ist ein kleiner Schritt", sagte Linnemann am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Das Papier reiche "bei Weitem nicht aus", um die illegale Migration in Deutschland einzudämmen.
"Wir können jetzt nicht jahrelang warten, bis die europäische Außengrenze wirklich geschützt wird, sondern da müssen wir auch an unseren Grenzen Kontroll- und Transitzentren einführen", forderte er. Asylbewerber sollten erst dann auf die Kommunen verteilt werden, wenn ein Bleiberecht bestehe. Zudem solle der Familiennachzug eingeschränkt und Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden. "In dem Papier heute Nacht steht drin, wir wollen das alles prüfen", sagte der CDU-Politiker. "Das ist alles zu weich."
"Gutes Gesamtergebnis"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der an der MPK teilgenommen hatte, versicherte derweil, man habe es am Ende geschafft, "wirklich zu einem guten Gesamtergebnis zu kommen". Er wünsche sich, dass dies nun durch eine Einigung zwischen Bundesregierung und Union ergänzt werde. Der Beschluss von Bund und Ländern biete dafür "eine sehr gute Grundlage". Dass es auch eine Einigung in der umstrittenen Finanzierungsfrage gegeben habe, sei bis zum frühen Morgen ungewiss und keine Selbstverständlichkeit gewesen. Das sei "wirklich ein Ausrufezeichen wert", so Weil.
Die FDP zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Bund-Länder-Einigung zur Finanzierung der Migrationskosten. Die geplante Einschränkung bei den Leistungen für Asylbewerber könne zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen, schrieb Bundesfinanzminister Christian Lindner am Dienstagmorgen auf X. Dadurch würden nicht nur Länder und Kommunen entlastet. "Durch diese Maßnahme wird auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert", so der FDP-Chef.
Embed
"Schnell in die Umsetzung der Maßnahmen kommen"
Bundesjustizminister Marco Buschmann sprach von guten Schritten zu einer "neuen Realpolitik auf dem Gebiet der Migration". Der FDP-Politiker nannte auf X insbesondere die Verabredung, dass Asylbewerber mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf einer Bezahlkarte erhalten sollen. Auch würden Spielräume zur Reduzierung von Maßnahmen genutzt, die eine Sogwirkung auf Migranten hätten.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte indes eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen zur Steuerung und Begrenzung der Migration nach Deutschland. Mit der Verständigung von Bund und Ländern seien wichtige Voraussetzungen geschaffen worden, den Zuzug nach Deutschland zu begrenzen, sagte Günther der Deutschen Presse-Agentur am frühen Dienstagmorgen nach Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. "Jetzt geht es darum, dass der Bund und die Länder schnell in die Umsetzung der Maßnahmen kommen."
- Nachrichtenagentur dpa
- deutschlandfunk.de: "Interview mit Burkhard Jung, SPD, OB Leipzig und Vize des Dt. Städtetages"