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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hochstapler-Affäre: AfD zieht Konsequenzen "Unverschämtheit!"
Seit Wochen stößt die Hochstapler-Affäre auf massive Kritik in der AfD. Nun zieht die Parteispitze erstmals Konsequenzen. Ob das genügen wird, ist fraglich.
Recherchen von t-online deckten die Hochstapler-Affäre in der AfD auf, nun zieht die Parteispitze erstmals Konsequenzen: Der Bundesvorstand der AfD hat in seiner Sitzung am Montag eine zweijährige Ämtersperre für seine Europa-Kandidaten Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch beschlossen. Das erfuhr t-online aus Vorstandskreisen.
Bausemer soll demnach seinen Posten als Landesschatzmeister sowie im AfD-Landesvorstand in Sachsen-Anhalt verlieren. Khan-Hohloch hat keine parteiinternen Ämter inne, für sie bleibt der Beschluss ohne Folgen. Wann die Ämtersperre genau greift, blieb am Montag unklar. Die Landesverbände sollen den Beschluss des Bundesvorstands umsetzen.
Die Entscheidung für die Sperre war in der AfD bereits erwartet worden, viele kritisierten sie als zu lasch und als "Finte" der Parteispitze. Schließlich dürfen Bausemer wie Khan-Hohloch damit die aussichtsreichen Listenplätze 10 und 14 behalten. Sie haben so gute Chancen, im nächsten Jahr in das EU-Parlament einzuziehen, hohe Bezüge, Büroplätze und Mitarbeiter zu erhalten.
"Lächerlich!"
"Unverschämtheit" und "Lächerlich!", hieß es am Montag nach dem Beschluss dann auch aus Kreisen der Partei. Die Ämtersperre sei auch für Bausemer leicht verkraftbar. Das Amt des Landesschatzmeisters sei ohnehin nicht vergütet, arbeitsaufwendig und oft lästig.
Im Bundesvorstand war einigen Mitgliedern die Ämtersperre vor diesem Hintergrund offenbar ebenfalls zu wenig: In namentlicher Abstimmung stimmten elf Mitglieder des Bundesvorstands pro Ämtersperre, zwei enthielten sich. Khan-Hohlochs Ehemann Dennis Hohloch nahm nicht an der Sitzung teil.
Fehlende Aufklärung
Nach Informationen von t-online enthielten sich Christina Baum und Mariana Harder-Kühnel. Sie gelten als Gegnerinnen von Weidel beziehungsweise Khan-Hohloch und zählen in der Hochstapler-Affäre zu den kritischsten Stimmen im Bundesvorstand, die auf Aufklärung pochten. Ihnen dürfte die Ämtersperre zu wenig, viel zu wenig gewesen sein.
Auch an der Basis hätten viele lieber sehr viel härter durchgegriffen und die beiden Kandidaten von der Liste gestrichen, sie zumindest dazu aufgefordert oder verpflichtet, im Fall einer Wahl auf ihre Mandate zu verzichten. Von "Gier", "Mandatserschleichung" und "Vetternwirtschaft" war die Rede.
Geht die Affäre trotzdem weiter?
Ob mit dem Beschluss des Bundesvorstands die Diskussion tatsächlich final beendet ist, ist deswegen fraglich. In unterschiedlichen Gremien der AfD – darunter im Landesvorstand Brandenburg und dem AfD-Parteikonvent – laufen Anstrengungen, weitergehende Beschlüsse zu fassen.
Obwohl es innerhalb der Partei Zweifel an Lebensläufen gleich mehrerer Kandidaten gibt, standen vor allem Bausemer und Khan-Hohloch im Fokus der Prüfung und der Diskussionen in der Parteispitze. Der Grund: Die Fälle wurden in der Öffentlichkeit wie an der Basis heftig diskutiert – und taugten auch als parteiinterne Munition gegen Mitglieder des Bundesvorstands. Darunter: Dennis Hohloch, Khan-Hohlochs Ehemann, und die ihr nahestehende Parteichefin Alice Weidel.
t-online enthüllte Falschangaben
t-online hatte zahlreiche Falschbehauptungen in Bausemers Lebenslauf für die Aufstellungsversammlung in Magdeburg offengelegt. Er hatte dort wohlklingende Qualifikationen angegeben: einen Berufsabschluss als Journalist, bekannte Medien als Arbeitsreferenzen, über 10 Jahre als Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs und 15 Jahre Berufserfahrung außerhalb der Politik.
Tatsächlich entsprachen nur kleinste Teile davon den Tatsachen. Den Berufsabschluss erwarb er nicht, die Arbeitsreferenzen waren Hilfstätigkeiten und eine abgebrochene Ausbildung. Geschäftsführer war er nie, wie er selbst einräumte.
"Unglaubwürdig"
Mary Khan-Hohloch hatte bei ihrer Vorstellung vor den Delegierten in Magdeburg angegeben, ein "Studium der Religionswissenschaften, Öffentliches Recht und Schwerpunkt Europarecht" absolviert sowie vier Jahre Berufserfahrung außerhalb der Politik zu haben. Parteikollegen zweifelten das an. Bereits in einem Antrag auf der Europawahlversammlung hieß es: "In Anbetracht des Zeitrahmens und der Vita erscheint beides unglaubwürdig."
Nach massivem Druck der Basis und immer neuen Veröffentlichungen zu Bausemer ließ der Bundesvorstand im September schließlich Studien- und Berufsabschlüsse aller 35 Europa-Kandidaten überprüfen. Mit schlechtem Ergebnis für Bausemer und Khan-Hohloch: Zwar legten nach Informationen von t-online beide Kandidaten Dokumente bei den Vertrauensleuten vor – allerdings keine, die ihre Angaben vollumfänglich belegen konnten.
Ohne Berufsabschluss
Khan-Hohloch konnte demnach kein offizielles Abschlusszeugnis für ihr Studium mit Datum vor der Versammlung in Magdeburg nachweisen. Bausemer konnte laut Nachrichtenagentur AFP keinen Berufsabschluss belegen.
Trotzdem dürfen beide nun für die AfD ins Europaparlament einziehen.
- Eigene Recherche