Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der neue "harte Hund" der Union Dieser Mann ist nicht zimperlich
Carsten Linnemann ist der neue Generalsekretär der Union. Wer ist er, wofür steht er? Und wie ändert sich jetzt der Kurs der stärksten Oppositionspartei? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen
Parteiintern war die Ablösung von Mario Czaja schon länger erwartet worden. Zu blass, zu leise, zu versöhnlich sein Wirken nach außen – so die Wahrnehmung seiner Parteifreunde. Zu zögerlich, zu langsam, zu ineffizient sein Auftreten in der Partei. Und die Neuorganisation der Strukturen in der Parteizentrale kam auch nicht so recht voran. Obwohl Friedrich Merz Czaja Ende Juni im Interview mit t-online noch öffentlich den Rücken gestärkt hatte, war klar: Lange würde Merz nicht mehr zusehen, wie sein Generalsekretär unglücklich agiert.
Carsten Linnemann, derzeit im Konrad-Adenauer-Haus zuständig für die Erarbeitung des neuen Grundsatzprogramms, soll es nun richten. Der 45-Jährige kommt wie Merz aus Nordrhein-Westfalen, gilt als eloquenter, erfahrener Politiker – und als Vertrauter des Parteichefs.
Warum hat Merz Czaja ausgetauscht?
Als Friedrich Merz vor anderthalb Jahren Mario Czaja als neuen Generalsekretär vorstellte, kam das für manche überraschend, galt aber zunächst als kluge Entscheidung. Czaja hatte bei der Bundestagswahl seinen Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf direkt gewonnen – und Merz damit beeindruckt. Als Ostberliner repräsentiert Czaja als einer von wenigen prominenten Gesichtern der Partei den Osten.
Als früherer Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin ist er ein erfahrener Sozialpolitiker und repräsentiert den Sozialflügel der Partei. Auch wenn Merz und er nicht viel gemeinsam haben: Die Hoffnung war, Czaja würde als Ergänzung zum Parteichef wahrgenommen werden, eine andere Seite der Union repräsentieren und dazu beitragen, die CDU nach der verlorenen Wahl 2021 wieder in der Mitte der Gesellschaft zu verankern.
Doch im politischen Alltag ging die Rechnung nicht auf. Czaja positionierte sich zwar zu Sozialthemen wie Wohnungsnot und Bürgergeld. Aber als "harter Hund" Debatten anzustoßen, eine der Aufgaben eines Generalsekretärs, gelang ihm nicht. Auf Merz' Versprechen von 2019, der AfD mit der Union zukünftig die Hälfte ihrer Wähler abzujagen, zahlte Czajas Kurs nicht ein. Die Unzufriedenheit der Deutschen mit der Politik der Ampel schlägt sich nicht in breiter Zustimmung für die Union nieder, sondern führt zu immer stärkerer Ablehnung der Politik insgesamt.
Merz' Entscheidung gegen Czaja kann deshalb auch als Rettungsaktion für sich selbst interpretiert werden. Merz will die Union im Bundestagswahlkampf 2025 anführen. Er braucht dafür starke Truppen und geschlossene Reihen hinter sich – und keine Diskussionen über den schlingernden Kurs der CDU.
Wer ist Carsten Linnemann?
Carsten Linnemann ist 45 Jahre alt und stammt aus Paderborn. Er ist Diplom-Kaufmann und Volkswirt. Seit frühester Jugend engagiert er sich in der CDU, war Chef der örtlichen Jungen Union, studierte mit einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Seit 2009 sitzt Linnemann im Bundestag, holte jeweils ein Direktmandat und engagiert sich vor allem wirtschaftspolitisch, unter anderem im Parlamentskreis Mittelstand und von 2013 bis 2021 als Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). Linnemann gehört seit 2013 dem Bundesvorstand der CDU an, 2022 wurde er stellvertretender Bundesvorsitzender.+D
Den Erwartungen entsprechend gab sich Linnemann bei seiner Vorstellung als neuer Generalsekretär im Konrad-Adenauer-Haus sogleich kämpferisch. Merklich unter Anspannung stehend, kündigte er an, er werde sofort mit allen Mitarbeitern in der Parteizentrale, dem CSU-Kollegen und mit den Wahlkämpfern in Hessen reden: "Ich muss mich jetzt sofort an die Arbeit machen." Mit Blick auf die Wahl in Hessen in diesem und die drei Landtagswahlen im Osten im kommenden Jahr versprach er, die Wahlkämpfe zu unterstützen. "Wir müssen kampagnenfähig werden."
Wofür steht der neue Generalsekretär?
Schon vor anderthalb Jahren war der ehrgeizige und durchsetzungsstarke Carsten Linnemann Favorit für die Rolle des Generalsekretärs. Im Gegensatz zu Czaja brachte er viel bundespolitische Erfahrung mit. Weil er aber wie Merz aus dem starken NRW-Landesverband stammt, galt er CDU-intern als nicht durchsetzbar.
Linnemann ist ein scharfer Rhetoriker, der sich nicht scheut, schwierige Themen anzusprechen. Als ehemaliger MIT-Chef vertritt er wie Merz den Wirtschaftsflügel der CDU und soll jetzt vor allem die Kompetenzen der Union in der Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt rücken.
Merz hatte Linnemann zuletzt nicht weniger als die Neuausrichtung der Partei aufgetragen. Er verantwortet die Erarbeitung des Grundsatzprogramms der Union. Immer wieder hat er in dieser Funktion für Schlagzeilen gesorgt, weil Vorschläge aus den Arbeitsgruppen bekannt wurden, unter anderem zur Renten- und Steuerpolitik.
Neben der Wirtschaftskompetenz traut Merz Linnemann auch zu, schwierige Debatten über Fragen wie Migration und Integration anzustoßen. Dass der designierte Generalsekretär nicht zimperlich ist, hat er immer wieder gezeigt, zuletzt bei seiner Forderung nach einer "Jobpflicht" für Arbeitslose.
Schwächt der Wechsel Friedrich Merz?
Dass Friedrich Merz seine eigene Spitzenpersonalie nach nur anderthalb Jahren nun kassiert, mag als riskanter Schritt interpretiert werden. Klar ist aber auch, dass Merz noch vor der Sommerpause Ruhe in seine Partei bringen muss. Zu laut hatte sein parteiinterner Kritiker, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, opponiert. Zu unverhohlen fiel die Unterstützung für Wüst zum Beispiel durch dessen Amtskollegen Daniel Günther aus Schleswig-Holstein aus. Schließlich: Zu viele Debatten über Schwächen der Union unter Friedrich Merz liefen öffentlich ohne Widerspruch weiter.
Ein neuer Generalsekretär Linnemann als jemand, der Merz nahesteht und dessen Positionen vertritt, dürfte da auf den ersten Blick für Ruhe sorgen. Ein Führungsduo, das untereinander nicht um Positionen ringen muss, ist eine Chance für die Union.
Es kann aber auch das Gegenteil passieren. Wenn sich die Merz-Kritiker um Wüst mit Linnemann nun noch weniger repräsentiert sehen, kann die Kritik am Parteichef noch lauter werden – und im schlimmsten Fall könnten die Machtkämpfe noch offener geführt werden.
Ändert sich nun der Kurs der CDU?
Merz will das Profil der Union in Wirtschaftsfragen schärfen und damit auch den Kurs der Partei in der Opposition korrigieren. Davon ist auszugehen. Hintergrund ist wohl, dass die Deutschen, Meinungsforschern zufolge, der Ampel nur wenig Wirtschaftskompetenz zuschreiben. In diese Lücke will Merz nun mit der CDU vorstoßen.
Merz steht hier auch persönlich vor einem großen Problem: Der frühere Spitzenmanager müsste eigentlich bei Wirtschaftsthemen punkten. Doch der bisherige Kurs der Partei in der Opposition konnte seine wirtschaftspolitische Kompetenz noch nicht deutlich machen. Der neue General dürfte nun daran arbeiten, dass Merz seine Stärken besser ausspielen kann. Das birgt allerdings zugleich die Gefahr, dass die sozialpolitischen Themen in der Partei stärker in den Hintergrund treten.
Wie will die CDU nun weiter mit Hans-Georg Maaßen umgehen?
Als innerparteiliche Herausforderung gilt der zukünftige Umgang mit Hans-Georg Maaßen. Anfang des Jahres hat die CDU ein Parteiausschlussverfahren gegen ihr umstrittenes Mitglied eingeleitet. Doch am Dienstag wurde bekannt, dass ein CDU-Kreisparteigericht in Thüringen den Ausschluss des Ex-Bundesverfassungsschutzpräsidenten aus der CDU ablehnt. Am Mittwoch wollten weder der neue Generalsekretär Linnemann noch der Parteichef Merz sagen, wie die Union jetzt weiter vorgehen wird. Merz sagte dazu: "Wir kennen bisher nur den Tenor, nicht die Entscheidungsbegründung." Solange die nicht vorliege, werde die Partei nicht entscheiden, ob sie Beschwerde gegen den Beschluss des Kreisparteigerichts einlegen werde.
- Eigene Recherchen