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Ampel-Streit nimmt kein Ende: Ist die Koalitions-Krise zu bewältigen?


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Zerstrittene Koalition
Die Ampel schadet dem Land

MeinungVon Heike Vowinkel

06.07.2023Lesedauer: 3 Min.
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Christian Lindner (FDP), Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne): Die Ampel-Koalitionäre liefern aktuell kein gutes Bild ab. (Quelle: IMAGO/Frank Ossenbrink)
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Die Ampelkoalition vermittelt immer mehr den Eindruck einer gescheiterten Zweckehe: Es regiert zusammen, was nicht zusammenpasst. Jetzt gibt es nur noch einen Ausweg.

Der Unterschied zwischen einer Liebesheirat und einer Zweckehe besteht darin, dass bei der einen Gefühle dominieren und bei der anderen Vernunft. Voraussetzung für die Zweckehe ist eine Basis an Gemeinsamkeiten, Kompromissbereitschaft und vor allem der Wille, auf dieser Basis Ziele zu erreichen, die allein nicht zu erreichen wären.

In diesem Sinne schien die Ampelkoalition anfangs eine gut funktionierende Zweckehe zu führen – trotz großer inhaltlicher Unterschiede. Sie führte das Land sicher durch turbulente Krisenzeiten, die abflauende Corona-Pandemie, den Beginn des Ukraine-Kriegs, die daraus resultierende Energiekrise, die Härten der Inflation.

Doch nun steckt die Beziehung selbst in einer tiefen Krise, und es dominiert der Eindruck: In dieser Ehe haben sich Partner zusammengefunden, die nicht zusammenpassen und auch kein Interesse mehr haben, sich umeinander zu bemühen. Schuld an diesem Zustand haben – wie das in einer kriselnden Beziehung meistens ist – alle Beteiligten. Denn jeder der drei sogenannten Koalitionspartner missachtet inzwischen die Voraussetzungen dieser Zweckehe. Sie schaden damit nicht nur sich selbst, sondern auch dem Land. Längst möchte man ihnen zurufen: Reißt euch endlich mal zusammen!

Die FDP geriert sich wie die innerkoalitionäre Opposition

Da wäre die FDP, der kleinste Partner in dieser Gemeinschaft. Sie sieht sich als Stimme der Vernunft, die darauf achtet, dass die Wirtschaft nicht überfordert wird, dass der Schuldenberg nicht immer weiter wächst. Eine wichtige Rolle. Doch statt diese Aufgabe sachorientiert und kollegial wahrzunehmen, hinter verschlossenen Türen um Positionen zu ringen und dann auch hinter gefundenen Kompromissen zu stehen, geriert sie sich seit Monaten öffentlichkeitswirksam wie eine IKO, eine innerkoalitionäre Opposition.

Das monatelange Gezerre um das Heizungsgesetz, das eigentlich Gebäudeenergiegesetz (GEG) heißt, ist ein besonders trauriges Beispiel dafür. Da wurden Papiere und Briefe durchgestochen, "Heizungsverbots"-Ängste geschürt und der Koalitionspartner öffentlich wahlweise als unfähig oder verbohrt dargestellt.

Und es geht gerade munter so weiter: Nachdem das Bundesverfassungsgericht die schnelle Abstimmung im Bundestag gestoppt und damit verhindert hat, dass es noch vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen wird, tun einzelne FDP-Abgeordnete so, als hätten sie am liebsten selbst das Gericht angerufen. Und was macht ihr Parteichef? Christian Lindner lässt sie gewähren.

Hier dominiert Ideologie vor Vernunft

Außerdem wären da noch die Grünen, die zweitstärkste Kraft dieser Zweckehe. Die Partei sieht sich als Garant dafür, dass die klimapolitischen Ziele dieser Regierung auch wirklich umgesetzt werden. Doch dann legen ihre Minister halbgare Gesetze vor – wie etwa das GEG – oder stellen Milliardenforderungen wie bei der Kindergrundsicherung, ohne genau vorrechnen zu können, warum diese tatsächlich notwendig sind.

Beides sind wichtige Ziele, auf die sich nebenbei bemerkt ALLE Partner bereits im Koalitionsvertrag geeinigt hatten. Doch die Grünen haben es nicht geschafft, diese wichtigen Projekte so auszugestalten und zu kommunizieren, dass die Bevölkerung davon überzeugt ist. Viel zu oft überwiegt dadurch der Eindruck: Hier dominiert Ideologie über Vernunft.

Dieser Führungsstil funktioniert nicht

Und schließlich wäre da die SPD, die politisch stärkste Kraft der Regierung. Sie tut so, als habe sie mit dem Streit der kleineren Partner im Grunde nichts zu tun. Der Kanzler agiert nach dem Motto: Lass die sich mal zanken, am Ende werden sie sich schon einigen – oder ich spreche dann doch ein Machtwort, das ich natürlich nicht so nenne. Denn ich bin ja ein moderner Vater.

Diesen Eindruck versucht Olaf Scholz zu vermitteln, wenn er sagt, er sei kein John Wayne, der einsam entscheide, draufhaue und der Regierungsfamilie vorschreibe, was sie tun soll. Es ist derselbe Kanzler, der einst behauptete, wer bei ihm Führung bestelle, bekomme sie auch. Auch die SPD und Olaf Scholz müssen nun endlich erkennen: Dieser Führungsstil funktioniert nicht. Jedenfalls nicht in einer zerrütteten Vernunftehe.

Das zerstrittene Erscheinungsbild der Koalition fällt längst nicht mehr nur auf die Regierung insgesamt und die beteiligten Parteien zurück. Es gefährdet die Demokratie. Denn der Frust vieler Bürgerinnen und Bürger wird immer größer und treibt einige von ihnen in die Arme der AfD.

Will die Koalition jetzt nicht scheitern und sich trennen, dann muss sie sich endlich auf das besinnen, was sie sich vor eineinhalb Jahren versprach: Keine Liebesbeziehung, aber trotzdem eine gute Zweckehe zu führen. Und zwar eine, die die im Koalitionsvertrag angekündigten Ziele hart, aber sachorientiert diskutiert, die zu Kompromissen bereit ist und nach außen endlich geschlossen und geeint auftritt.

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