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Zum journalistischen Leitbild von t-online.AfD in Ostdeutschland "Die Politiker sind doch alle fremdgesteuert"
Die AfD befindet sich im Umfragehoch – und das insbesondere im Osten Deutschlands. In Mecklenburg-Vorpommern könnte sie bald einen Bürgermeister stellen. Woran liegt das?
32 Prozent. So groß wäre der Stimmanteil, den die Alternative für Deutschland (AfD) derzeit in den ostdeutschen Bundesländern bekäme, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Das macht die rechtspopulistische, teils sogar rechtsextreme Partei zur stärksten Kraft in Ostdeutschland – mit weitem Abstand vor der CDU, die auf nur 23 Prozent der Stimmen käme.
Die Zahlen gehen aus einer Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa am Mittwoch veröffentlichte. Mehr dazu lesen Sie hier.
Ein Ort, an dem der Erfolg der Rechtsaußen-Partei besonders deutlich zutage tritt, ist Schwerin. Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt befindet sich im Wahlkampf. Am 18. Juni entscheidet sich hier in einer Stichwahl, wer als Bürgermeister ins Rathaus der Stadt einzieht. Schwerins Bürgerinnen und Bürger haben dabei die Wahl zwischen Rico Badenschier, dem Amtsinhaber von der SPD, und Leif-Erik Holm von der AfD.
Die aktuellen Umfragen sehen Badenschier zwar vorne, sicher ist seine Wahl bis zum 18. Juni allerdings nicht. Was halten die Schweriner von der Wahl, die sie haben? Was denken sie über die AfD? Und was versprechen sie sich von einem rechtspopulistischen Bürgermeister? t-online hat Schwerinerinnen und Schweriner in der Fußgängerzone zu ihren Gedanken dazu befragt.
"Man sollte sich Sorgen um die AfD machen"
Christoph Beyer: "Ich bin natürlich auf Seite der SPD, wenn es gegen die AfD geht. Die Stichwahl wird ein klares Ding werden, denke ich. Um die AfD sollte man sich aber schon Sorgen machen. Zwar glaube ich nicht, dass Holm als Bürgermeister gewählt wird, aber natürlich ist das ein ungutes Gefühl, wenn er derjenige mit den zweitmeisten Stimmen in Schwerin ist."
"In der AfD findet sich die bürgerliche Mitte"
Rüdiger Sommer: "Ich war überrascht, dass Herr Badenschier die meisten Stimmen bekommen hat. Eigentlich dachte ich, dass es Herr Tweer mit Unterstützung der FDP, der CDU und den Unabhängigen schafft. Herr Holm ist vermutlich so erfolgreich, weil die Leute unzufrieden sind und die Schnauze voll haben."
"Herr Holm ist außerdem Schweriner. Das ist auch gut. Ob er wirklich rechts ist, kann ich nicht einschätzen. Aber heute wird ja mittlerweile alles als rechts bezeichnet, was mit der AfD zu tun hat. Das ist in meinen Augen gar nicht so. Auch ich kenne viele, die die AfD wählen, die sind nicht alle rechts. Dort findet sich mittlerweile auch die bürgerliche Mitte ein."
"Ich finde Politik mittlerweile total kacke"
Jonas: "Von beiden zur Wahl stehenden Kandidaten halte ich nicht viel. Mittlerweile finde ich Politik total kacke. Ich kann mich mittlerweile mit keiner Partei so richtig identifizieren."
"Von den beiden Optionen ist die SPD auf jeden Fall die bessere Wahl. Aber eigentlich möchte ich keinen der beiden Kandidaten wählen. SPD und Grüne haben viel in Sachen Umweltschutz und Frieden versprochen, aber wenig gehalten."
"Die Politiker sind alle fremdgesteuert"
Frau Mende: "Ich werde die AfD wählen. Wir brauchen mal ein bisschen frischen Schwung, wir schlafen alle noch ein bisschen. Es wird sich einiges ändern, auch wenn die Politiker nicht viel machen. Die bekommen ja nur ihre Instruktionen von oben."
Wer "den Politikern" ihre "Instruktionen" gibt, verrät Frau Mende im Gespräch mit t-online allerdings nicht: "Das kann ich jetzt nicht sagen, das mache ich auch nicht. Aber sie sind fremdgesteuert".
Damit spielt sie auf einen antisemitischen Verschwörungsmythos an, demzufolge eine mächtige Minderheit die Politik und weitere Institutionen kontrolliert. Meistens sind mit dem "sie" Juden gemeint.
"Es gibt ja nur noch Ausländer hier"
Wolfgang: "Holm ist natürlich problematisch wegen seiner Parteizugehörigkeit. Seine persönlichen Fähigkeiten kann ich nicht einschätzen. Es könnte schon sein, dass er tatkräftig ist."
Einem Wechsel in der Schweriner Kommunalpolitik steht er kritisch gegenüber: "Badenschier hat natürlich auch seine Vorteile wegen seiner Berechenbarkeit. Bei Holm weiß man ja gar nicht, was so rauskommt."
Grundsätzlich sei die AfD im Osten so stark, weil "die Migrationspolitik komplett aus dem Ruder gelaufen ist", sagt Wolfgang. "Sieht man ja hier in der Stadt. Bis auf meine Person sind ja nur noch Ausländer hier".
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"Ich möchte gerne die AfD wählen."
"Ich bin natürlich, wenn es jetzt um die AfD geht, auf jeden Fall auf der SPD Seite."
In Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin treten bei der Stichwahl zum Oberbürgermeister Amtsinhaber Rico Badenschier von der SPD und der AfD-Kandidat Leif-Erik Holm an.
Mit dem gebürtigen Schweriner Holm könnte erstmals ein AfD-Politiker in einer deutschen Landeshauptstadt Oberbürgermeister werden.
Der frühere Radiomoderator ist seit 2017 stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion und zählt zu den bekanntesten Politikern in Mecklenburg-Vorpommern – auch, wenn er in Schwerin lokalpolitisch bis zum Wahlkampf kaum in Erscheinung getreten ist.
Ihm gegenüber steht SPD-Amtsinhaber Rico Badenschier: Der 44-jährige Mediziner steht seit 2016 an der Spitze der Landeshauptstadt.
t-online hat mit Wählerinnen und Wählern in Schwerin gesprochen und sie unter anderem gefragt, warum die AfD in der Landeshauptstadt so erstarkt ist.
"Ja, weil die Migrationspolitik so aus dem Ruder gelaufen ist, sieht man ja hier in der Stadt. Sind ja nur noch Ausländer bis auf meine Person."
"Ich denke, dass die denken, dass die was anders machen, weil sie tun wahrscheinlich auch was anderes. Und da man vielleicht merkt hey, das, was wir grade haben, das funktioniert nicht so richtig, dass man dann heißen auch Alternative für Deutschland vielleicht denkt, das ist eine Alternative, kann ich mir vorstellen.
Ich werde auf jeden Fall die SPD wählen, weil sie immer noch die bessere Wahl ist. Aber ich find trotzdem, eigentlich möchte ich keine von beiden wählen."
"Ich glaube, wir bräuchten mal ein bisschen Abwechslung. Also wir brauchen schon mal was Neues. Wir schlafen ja alle noch.
Wir wollen alle noch so, wie es war. So wird es aber nicht mehr. Das hat viele vergessen. Es bleibt nicht so, wie es ist. Es wird sich vieles ändern, wenn die Politiker auch nicht viel machen. Die kriegen auch nur von oben ihre Instruktionen."
"Wenn die Klimakleber so eine Angst vor dem Klimawandel haben, dass wir morgen alle tot sind, alle Angst haben, dann ist meine Angst das Problem in den Schulen, die Kriminalität, die müssen sie mir auch zugestehen. Also ein Rechter ist nicht ängstlich, weil er irgendwie Paranoia ist, sondern vielleicht sind manche besser belesen und holen sich Information."
"Ich glaube zwar nicht, dass sie jetzt realistische Chancen haben gewählt zu werden, also Holm als Bürgermeister, aber natürlich ist das so ein ungutes Gefühl, wenn er derjenige ist mit den zweitmeisten Stimmen in Schwerin."
Im ersten Wahldurchgang konnte der SPD-Mann Badenschier 42 Prozent der Stimmen für sich gewinnen, Holm lag mit 27,4 Prozent auf Platz zwei.
Wer nun der neue Oberbürgermeister von Schwerin wird, entscheidet die Stichwahl am 18. Juli.
Dass währenddessen zahlreiche Deutsch sprechende Menschen in den umliegenden Cafés in der Schweriner Fußgängerzone die Nachmittagssonne genießen und Deutsch mit weitem Abstand die meistgehörte Sprache auf der Straße ist, scheint er dabei entweder nicht zu merken oder zu ignorieren.
- Eigene Recherche und Gespräche in Schwerin