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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Linke fordert Kehrtwende "Das ist sozial nicht zu verantworten"
In vielen Städten ist die Wohnungsnot groß. Die Linke will den Markt entlasten – indem sie Abrissbirnen eine Zwangspause verordnet.
Die Wohnungsnot ist groß, trotzdem trifft viele Immobilien in Deutschland die Abrissbirne: Allein in den Jahren 2017 bis 2021 wurden rund 106.000 Wohnungen abgerissen, davon 17.828 Wohnungen in Ostdeutschland zudem mit staatlicher Förderung. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Caren Lay hervor, die t-online exklusiv vorliegt. Für das Jahr 2022 lägen noch keine Zahlen vor, heißt es darin.
Während im Jahr 2017 mit rund 25.000 abgerissenen Wohnungen ein Hoch erreicht wurde, sanken die Zahlen auf rund 17.900 im Jahr 2020. Zuletzt aber ging der Trend wieder nach oben: 2021 wurden 18.500 Wohnungen abgerissen.
Die Gründe können laut Ministerium vielfältig sein: Abrisse wegen Schadensfällen und ordnungsbehördlichen Maßnahmen werden ebenso dokumentiert wie Immobilien, bei denen die Nutzung von Wohn- zu Nichtwohnzwecken geändert wird.
"Muss sich auf Schrottimmobilien begrenzen"
"Noch immer werden Wohnungen auch in Großstädten abgerissen. Häufig wird bezahlbarer Wohnraum vernichtet und es entstehen teure Luxusgebäude", kritisiert Caren Lay. "Das ist sozial nicht zu verantworten." Auch ökologisch ergebe der Abriss oft keinen Sinn, weil ein bereits bestehendes Haus, selbst wenn es schlecht gedämmt sei, in der Regel weniger CO2 generiere als ein Neubau.
Lay fordert deswegen: "Wir brauchen einen Abrissstopp, insbesondere für Städte mit angespannten Wohnungsmärkten." Ausnahmen dürften nur bei triftigen Gründen gemacht werden. Dann müsse sichergestellt werden, dass keine bezahlbare Wohnung verloren gehe, so Lay. "Die staatliche Förderung von Abrissen gehört auf den Prüfstand und muss sich auf Schrottimmobilien begrenzen."
Ob und welcher Wohnraum anstelle der abgerissenen Wohnungen entsteht, geht aus der Antwort des Ministeriums nicht hervor. Meldungen aus den Ländern aber lassen den Schluss zu, dass oft gar nicht für Ersatz gesorgt wird. So wurden in Berlin in den Jahren 2018 bis 2021 mehr als 1.000 Wohnungen abgerissen – aber nur 400 neue Wohnungen an ihrer Stelle neu geschaffen.
Auch Experten aus Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen kritisieren den Abriss von Wohnungen scharf. So schrieben im Herbst vergangenen Jahres mehr als 100 Architekten, Stadtplaner und Wissenschaftler anderer Gebiete einen offenen Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz, in dem sie ein Abriss-Moratorium forderten.
Sie zielten vor allem auf die günstige Klimabilanz: Würden Wohnungen erhalten statt abgerissen und neu gebaut, würden weniger Flächen versiegelt, weniger Energie, CO2, Beton und Stahl verbraucht, hieß es im offenen Brief.
- Anfrage von Caren Lay
- rbb.de: "Auf günstige alte Wohnungen folgen kaum preiswerte neue"
- klimaforum-bau.de: "Abriss-Moratorium: Offener Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz"