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Robert Habeck und die Trauzeugen-Affäre: Bei den Grünen brodelt es


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Robert Habeck
Auch das noch


Aktualisiert am 06.05.2023Lesedauer: 6 Min.
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Robert Habeck: Minister in der Krise. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de)

Robert Habeck soll die Krisen der Zeit bekämpfen, nun steckt er selbst in der Krise. Unterwegs mit einem Mann, der auf schmalem Grat wandeln muss.

"Robert, welcher Verwandte bekommt den nächsten Posten?", schallt es aus dem Halbdunkel. Robert Habeck schaut sich um, lässt seine Augen durch die Stuhlreihen flitzen. Er scheint die Quelle gefunden zu haben, den Zwischenrufer, doch Habeck verzieht keine Miene, wendet sich ab und erwidert: nichts.

Es ist Dienstagabend, Habeck steht auf der Bühne des Metropol-Theaters in Bremen. Nächste Woche wird hier gewählt, Habeck soll seinen Grünen helfen. Anderthalb Stunden lang schien das zu funktionieren, er war unter Freunden, konnte das tun, was er am liebsten tut und womit er bislang noch immer gut angekommen ist: seine Politik zu erklären, und zwar in großen Linien, mit großen Worten.

Doch zum Schluss holt sie ihn doch ein, seine unangenehme Gegenwart. Es ist eine Gegenwart der multiplen Krisen, wie er es formulieren würde: Das Klima erhitzt sich, die Stimmung in Teilen des Landes auch, die Wirtschaft ist fragil, die Ampelkoalition ebenso. Und jetzt ist Habeck auch noch selbst in der Krise.

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Mit seinem Heizungsgesetz regiert der Vizekanzler tief in den Alltag der Menschen hinein, buchstäblich in ihre Heizungskeller. Der Widerstand ist heftig. Und ausgerechnet jetzt, wo er so viel Vertrauen braucht, wie er kriegen kann, um das Gesetz durchzubringen, holen ihn die vielen Graichens in seinem Umfeld ein. Eine unangenehme Affäre um Verwandte und Vetternwirtschaft. Auch das noch.

Wer Robert Habeck in diesen Tagen begleitet, ihn bei seinen Terminen beobachtet, der erlebt einen Mann, der sich von alldem möglichst wenig anmerken lassen will. Der aber doch immer wieder durchblicken lässt, wie er sich wirklich fühlt. Und der aufpassen muss, sich jetzt nicht in die grüne Wagenburg zurückziehen, in ein "Wir gegen Die-da-draußen". Um nicht alles zu verspielen, was er für sich und seine Grünen aufgebaut hat.

Habeck steigt aufs Dach

Eigentlich hatte er sich das alles anders vorgestellt, so wie am Dienstagmorgen im Bremer Gewerbegebiet zum Beispiel. Es ist ein Termin wie aus dem Bilderbuch von Robert Habeck. Auf dem Hof eines Logistikers steht er auf einer Bühne und darf die große Koalition zwischen Klimaschutz und Wirtschaft beschwören. Vor ihm ein gewaltiges Blumenbouquet, hinter ihm ein noch gewaltigerer Fuhrpark.

Das Unternehmen BLG will bis 2030 klimaneutral sein und hat hier ein Logistikzentrum gebaut, mit Lärchenholz und Moos an der Wand für die grüne Wohlfühlstimmung in den Hallen, vor allem aber mit 80.000 Quadratmetern Photovoltaik obendrauf. Es ist die größte zusammenhängende Dachsolaranlage Deutschlands, wenn nicht gar Europas, wie alle betonen.

Für Robert Habeck ist es der Beweis, dass funktionieren kann, was für ihn funktionieren muss: selbst traditionell klimafeindliche Wirtschaftszweige wie die Logistik CO2-neutral und glücklich zugleich zu machen. Und damit mit der eigenen Politik nicht mehr nur die grüne Blase, sondern alle anzusprechen. Das Gegenteil von Wagenburg also.

Streng genommen hat der Logistiker zwar mit dem Bau seines nachhaltigen Logistikzentrums begonnen, bevor Habeck Klimaminister wurde und eine Solardachpflicht für Gewerbe durchsetzen konnte. Es ist also gar kein Verdienst seiner Politik.

Doch als Habeck wenig später zur Anlage aufs Dach klettert, ist das wenig mehr als eine Fußnote. Für die Kameras installiert er in orangefarbener Warnjacke selbst ein paar Solarpaneele. Die Botschaft stimmt, die Bilder auch.

Besser nichts sagen als das Falsche

Was Habeck nicht tut und was er die ganze Woche nicht tun wird, ist vor den vielen Kameras auch ein paar Fragen von Journalisten zu beantworten. Eigentlich nutzen Politiker solche Termine gerne dafür. Habeck weicht den Mikrofonen diesmal aus. Er lässt sein Umfeld mitunter schon vor seiner Ankunft mitteilen, dass es keine Statements geben wird: Tut uns leid, aber man ist vorsichtig.

Habeck weiß, dass er natürlich zur Verwandtenaffäre befragt werden würde. Und er weiß auch, dass alles, was er dazu sagt, neue Schlagzeilen produziert, selbst wenn er sich nur wiederholen und erneut von einem "Fehler" sprechen würde, der "heilbar" sei durch ein neues Auswahlverfahren für den Posten.

Und so zieht sich Habeck lieber zurück. Er vermeidet Situationen, in denen er nichts sagen kann, was ihm helfen könnte. Denn kaum jemand bestreitet, dass es falsch gewesen ist, dass Habecks wichtigster Staatssekretär Patrick Graichen seinem Trauzeugen zu einem Topjob verholfen hat. Auch Habeck nicht.

Es ist offensichtlich die grüne Parteistrategie in der Affäre, vor allem zu schweigen. Auch wenn sich nicht jeder daran hält. Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin beweist, dass man sich auch mit Worten einmauern kann und poltert von einer "gezielten Kampagne" der Union. Wir, die Opfer.

Ganz großes Theater

So etwas würde Robert Habeck nicht sagen, zumindest nicht öffentlich. Aber auch bei ihm deutet sich mehrfach an, dass er sich der Stimmung bei den Grünen nicht ganz entziehen kann. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, überhart kritisiert und alleingelassen in der Regierung, besonders beim Klimaschutz. Das "Wir gegen Die-da-draußen"-Gefühl ist stark dieser Tage.

In Bremen, zurück im Metropol-Theater, krempelt Robert Habeck vor seiner Rede die Ärmel hoch. In schönster Habeck-Prosa spricht er von einem "widerwindigen Wahlkampf" in Bremen, verschweigt dann aber höflich seinen Anteil an diesem Widerwind.

Habeck versucht sich stattdessen auf der Theaterbühne als Zeitanalytiker, der die Gegenwart sortiert. Es ist seine Paraderolle. Diesmal geht seine Geschichte so: Der Abschied von der Ära Merkel war nicht mit der Bundestagswahl vollzogen, sondern läuft noch immer. Im vergangenen Jahr habe sich Deutschland durch Putins Krieg außenpolitisch von der Ära Merkel verabschieden müssen. Dieses Jahr müsse man sich innenpolitisch von ihr trennen.

Und das heißt für Habeck: Statt nur abstrakte Ziele beim Klimaschutz zu formulieren, müsse jetzt "konkret ausbuchstabiert" werden, wie man die Ziele erreicht. Auch wenn das schmerzhaft ist oder, wie Habeck formuliert: ohne "Angst vor Diskussionen". So wie beim Heizungsgesetz.

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Der Held seiner Geschichte

Robert Habeck ist dabei nicht nur Erzähler seiner Geschichte, sondern passenderweise auch ihr Held. Er wolle endlich "entlang der Aufgabe" handeln, sagt er. Wirklich etwas tun, statt nur so zu tun als ob. Keine Ausreden suchen, sondern Lösungen. "Eines wird man uns nicht vorwerfen können nach dieser Legislatur", sagt er an einer Stelle: "Dass wir nicht gehandelt haben".

Und da wird der Grat zwischen dem Werben für die eigene Politik und der grünen Wagenburg eben auch bei Robert Habeck schmal. "Wir benutzen Ämter nicht als Vorbereitung für die nächsten Ämter, sondern als Ausbuchstabierung dessen, was uns aufgetragen wurde", sagt er. Später wird er noch sagen, er wolle im Bund handeln, "so lange ich kann".

Das klingt ehrenhaft und kann es – richtig verstanden – auch sein: Einfach das Beste versuchen, ohne auf die nächste Umfrage oder die nächste Wahl zu schielen. Selbst wenn es unbequem wird. Aber es kann – falsch verstanden – eben auch dazu führen, dass man sich gegen Kritik imprägniert. Selbst wenn sie gerechtfertigt ist, selbst wenn sie ein wichtiges Korrektiv der eigenen Politik sein könnte.

Von Tatkraft zu Trotz ist es manchmal nicht weit.

Sehnsuchtsort Kartellamt

Es ist eben alles kompliziert gerade. Ein wenig Beistand kann da wahrscheinlich nicht schaden. Und so betritt Robert Habeck am sonnigen Donnerstagnachmittag den Französischen Dom in Berlin.

An den Wänden des Barock-Baus hängen noch die Liedertafeln, die Kanzel ist verwaist. Statt des Herrgotts ist heute das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zu Gast, eher linke Wirtschaftswissenschaftler nach Habecks Geschmack.

Habeck, der "Stargast", wie er angekündigt wird, spricht über Inflation und wie er sie bekämpfen will. Über die "drei Ds", die Herausforderungen der Zeit: den demografischen Wandel, die Digitalisierung, die Dekarbonisierung. Und darüber, wie er ihnen mit "transformativer Angebotspolitik" beikommen will. Na, halleluja.

Als Habeck irgendwann beim Wettbewerbsrecht angekommen ist und den Möglichkeiten, es zu stärken, strahlt er plötzlich. "Jetzt rede ich mich langsam warm", sagt er. Da merke man einfach, wie interessant es in den Details werde. Der Sehnsuchtort des Robert Habeck, derzeit kann es auch mal das Kartellamt sein.

Doch in der Kirche wird nach dieser Woche auch klar: Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn er das Kanzleramt abgeschrieben hätte. Er will noch was, trotz der Krisen, wegen der Krisen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Begleitung des Klimaministers Robert Habeck in der vergangenen Woche bei verschiedenen Terminen in Bremen und Berlin
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