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Trauzeuge im Chefsessel? Habeck-Ministerium: Umstrittene Job-Vergabe wird geprüft


Wirtschaftsministerium unter Druck
Trauzeuge im Chefsessel: Habeck verteidigt seinen Staatssekretär

Von dpa
Aktualisiert am 28.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Rober HabeckVergrößern des Bildes
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: In seinem Ministerium sind einige Spitzenmitarbeiter familiär verbunden. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)

Im Wirtschaftsministerium soll es auffällig viele familiäre Beziehungen geben. Ein Posten steht jetzt auf dem Prüfstand.

Neuer Wirbel um das Wirtschaftsministerium: Dort sollen bevorzugt miteinander familiär verbundene Mitarbeiter eingestellt worden sein. Die Vergabe eines Postens soll jetzt überprüft werden. Dabei geht es um die Deutsche Energie-Agentur (Dena). Der Vorsitz der Geschäftsführung war an den Trauzeugen von Staatssekretär Patrick Graichen gegangen. Jetzt beabsichtigt das Wirtschaftsministerium zu überprüfen, wie das Verfahren ablief – und eventuell die Stelle neu zu besetzen.

Graichen habe Habeck zu Wochenbeginn darüber informiert, dass der neue Dena-Chef Michael Schäfer sein Trauzeuge war, teilte das Ministerium mit. "Mithin kann der Anschein einer möglichen Befangenheit nicht vollständig ausgeschlossen werden", so das Ministerium. Der Minister habe daraufhin unmittelbar zu Wochenbeginn um interne Prüfung gebeten. Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Wenzel hatte offenbar als Aufsichtsratsvorsitzender der Dena am Donnerstag den Aufsichtsrat gebeten, das Verfahren zu überprüfen.

"Es sind zwar rein rechtlich keine Fehler im Verfahren aufgetreten; die Beschlüsse des Aufsichtsrats der Dena sind wirksam. Aber aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein", hieß es. Dies habe die auf Bitten Habecks eingeleitete interne Prüfung ergeben.

Habeck verteidigte Graichen und betonte seine bisherigen Leistungen für das Ministerium. "Ohne die konsequente Art von Patrick Graichen wäre Deutschland heute in einer schweren Wirtschaftskrise", sagte Habeck der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Er hat in Windeseile das Gesetz zur Befüllung der Gasspeicher durchgebracht und die rechtzeitige Einspeicherung von Gas gewährleistet, den Bau von LNG-Terminals für eine sichere Gasversorgung vorangetrieben, den Gasversorger Uniper stabilisiert und alte Kohlekraftwerke zurück ans Netz geholt."

"Grüne Clanstrukturen"

Familiäre Verflechtungen wichtiger Mitarbeiter Habecks hatten für Irritationen bei der Opposition gesorgt. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf den Grünen vor, das Ministerium zum "Familienministerium" zu machen. "Um bei Habeck Karriere zu machen, muss man offenbar Teil der Familie sein. Robert Habeck muss die Vetternwirtschaft im BMWK um den Graichen-Clan aufklären, Patrick Graichen ist nicht mehr als Staatssekretär haltbar."

Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban hatte am Mittwoch bei einer Debatte im Bundestag von "mafiösen Tendenzen" gesprochen, Stephan Brandner von der AfD, auf deren Betreiben der Bundestag in Berlin das Thema in einer Aktuellen Stunde diskutierte, redete von "grünen Clanstrukturen". Vertreter der Ampel-Fraktionen betonten, es seien keine Regeln verletzt worden. Das Wirtschaftsministerium erklärte auf Anfrage, dass Vorkehrungen zur Verhinderung von Interessenkonflikten getroffen worden seien.

Auch der FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben legte Habeck die Abberufung von Graichen nahe. "Herr Graichen wird zunehmend zu einer politischen Belastung für Wirtschaftsminister Habeck", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion dem "Handelsblatt". Es stelle sich die Frage, "ob Herr Graichen in seinem Amt noch tragbar ist".

Houben erklärte, Befangenheiten bei der Personalauswahl dürfe nicht zur Diskreditierung der Wirtschafts- und Energiepolitik der Bundesregierung führen. "Statt weiter eine Salami-Taktik zu verfolgen, muss jetzt alles auf den Tisch."

Zwei hochrangige Mitarbeiter Habecks haben zudem familiäre Bindungen zum Öko-Institut, einer ökologisch ausgerichteten Forschungseinrichtung. Die Schwester von Staatssekretär Graichen, Verena Graichen, arbeitet bei der Naturschutzorganisation BUND. Sie ist aber auch, wie auch ein weiterer Bruder, beim Öko-Institut, wie der SPD-Abgeordnete Markus Hümpfer darstellte. Verena Graichen ist auch verheiratet mit dem parlamentarischen Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne).

Habeck bekam Preis von seinem Bruder überreicht

Habeck selbst sorgte für Verwunderung, als ihm der Energieküste-Preis verliehen wurde – ausgerechnet von seinem Bruder Hinrich. Der wiederum leitet die WT.SH, eine Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Technologietransfer in Schleswig-Holstein, die auch vom Land finanziert wird. Christopher Vogt, FDP-Landespolitiker und Vorstandsmitglied, sagte zu der Preisverleihung gegenüber t-online: "Es kann nicht die Aufgabe von öffentlichen Einrichtungen sein, für aktive Politiker Awards zu erfinden. Dass Minister Habeck diesen Preis dann auch noch von seinem eigenen Bruder überreicht bekommt, ist wirklich skurril."

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Auswahlverfahren für Neubesetzung in mehreren Etappen erfolgt

Die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur versteht sich laut Eigendarstellung als "Wegbereiter" der Energiewende. Dem Wirtschaftsministerium zufolge liegt die Entscheidung über die Überprüfung und mögliche Neuaufsetzung des Verfahrens um den Dena-Chefposten beim Aufsichtsrat.

Die Dena hatte Anfang April mitgeteilt, Gesellschafter und Aufsichtsrat hätten Schäfer mit Wirkung zum 15. Juni 2023 zum neuen Vorsitzenden der Dena-Geschäftsführung bestellt. Der Verwaltungswissenschaftler werde die Geschäfte der Dena gemeinsam mit Kristina Haverkamp führen, deren Vertrag verlängert wurde. Schäfer war zuvor Mitglied der Geschäftsleitung des Naturschutzbundes Deutschland und saß für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

Der Aufsichtsrat habe sich nach einem Auswahlgespräch aufgrund der "herausragenden Qualifikation" einstimmig für Schäfer entschieden, so das Ministerium. Auch die Gesellschafter hätten zugestimmt.

Fehler angeblich vor dem Auswahlverfahren

Im Aufsichtsrat der Dena seien unter anderem das Verkehrsministerium und das Umweltministerium vertreten. Die Gesellschafterversammlung bestehe aus der staatlichen Förderbank KfW sowie dem Bund, vertreten durch das Wirtschaftsministerium, das im Einvernehmen mit anderen Ministerien entscheide.

Das Auswahlverfahren sei in mehreren Etappen erfolgt, so das Ministerium. Es habe eine Findungskommission gegeben. In dieser hätten Staatssekretär Wenzel, Graichen, die zweite Geschäftsführerin und Referatsleiter gesessen.

Ein externer Personaldienstleister sei mit der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten beauftragt worden. Dessen Vorschläge seien dann in eine Vorauswahl gemündet. Offenbar soll es vor dem formellen Auswahlverfahren einen Fehler gegeben haben – es wurden aber keine weiteren Details genannt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • twitter.com
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