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FDP-Verkehrsminister Volker Wissing: Ein Mann lässt es knallen


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FDP-Verkehrsminister Volker Wissing
Dann eben mit Karacho


Aktualisiert am 07.04.2023Lesedauer: 8 Min.
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FDP-Verkehrsminister Wissing: Einst Architekt der Ampelregierung – und heute? (Quelle: IMAGO/Xander Heinl/photothek.de)

Die meisten Wähler haben ein eher schlechtes Bild von Volker Wissing. Dabei hat der Verkehrsminister schon jetzt mehr bewegt als seine Vorgänger. Porträt eines Unterschätzten.

Der Kies knirscht unter den Reifen, als der Bagger vor dem Verkehrsministerium losrollt. Daneben steht Volker Wissing mit einem Hammer in der Hand und schaut auf eine Wand aus Pappe. "1,5 Grad Klimalimit" steht darauf. Der Bagger walzt die Mauer platt, Wissing schlägt mit dem Hammer darauf ein.

Und dann fällt die Maske: Es ist natürlich nicht der echte Volker Wissing, der da loslegt, sondern ein verkleideter Umweltaktivist. Die Botschaft an diesem Mittwoch Mitte März soll sein: Der Verkehrsminister persönlich räumt Baggern den Weg für den Straßenbau frei – ohne Rücksicht auf die Umwelt.

Volker Wissing, 54 Jahre, ehemaliger Richter und Staatsanwalt, war einer der Architekten der Ampelkoalition in Berlin – auch weil er schon Minister in Rheinland-Pfalz in einer Regierung von SPD, Grünen und FDP war.

Doch inzwischen gilt Wissing manchem in der Koalition als ihr größter Querulant. Als jemand, dem der Klimaschutz egal ist, weil er aus einer wirtschaftsfreundlichen Partei stammt. Der absichtlich die Reform der Deutschen Bahn verschläft, weil er nur Politik für Autofahrer macht. Und der keine politische Vision hat, weil lange niemand damit gerechnet hatte, dass ausgerechnet die FDP den Verkehrsminister stellen würde.

"Volker Wissing ist der Mann, der halb Europa ausbremst", titelte kürzlich eine Regionalzeitung. Die Schlagzeile bringt sein Bild in der Öffentlichkeit auf den Punkt: Volker Wissing, der Buhmann.

Wer Wissing einige Wochen begleitet, erfährt, wie dieses Bild zustande kommt. Aber auch, wie wenig es manchmal mit der Realität zu tun hat. Wissing will sich nicht ständig erklären. Er glaubt an die Kraft der Vernunft. "Nur weil wir nicht wie andere lautstark immer die Werbetrommel in eigener Sache rühren, heißt das nicht, dass wir nicht vorwärtskommen. Im Gegenteil", sagt er bei einem Treffen.

Am liebsten würde er nur mit lautloser Sachpolitik überzeugen. Inszenierungen, wie sie etwa sein Vorgänger Andreas Scheuer liebte – hier eine Marketingaktion für eine Minute Aufmerksamkeit, dort ein medienwirksamer, aber ergebnisloser Bahn-Gipfel – sind Wissing zuwider.

Doch er spürt, dass er im Politikbetrieb mit seiner Art oft untergeht. Deshalb ändert er in diesen Wochen seine Strategie. Manchmal arbeitet er weiter vor sich hin. Und manchmal greift er seine Gegner offensiv an.

Der Verkehr nimmt zu – ob die Grünen wollen oder nicht

Eine halbe Stunde nach der inszenierten Baggerfahrt vor seinem Ministerium sitzt der echte Volker Wissing in seinem Büro. Vom Fenster aus kann er den Platz sehen, wo die Aktivisten gerade das Klimaziel überrollt haben. Er kennt das schon. Wissing atmet tief ein und sagt dann ruhig: "Die sind regelmäßig da und es ist ja auch grundsätzlich gut, wenn Menschen sich engagieren und für das Klima einsetzen. Ich würde mir dann allerdings auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit unserer Politik wünschen." Er setzt hinzu: "Stattdessen denken sie wirklich, ich sei persönlich für das große Unheil verantwortlich."

Woher kommt eigentlich Wissings Image des Umweltverpesters? Er zieht die Augenbrauen hoch. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht – es hat jedenfalls keine Grundlage, wenn man sich die Mühe machen würde, einmal genauer hinzuschauen. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass überhaupt kein Interesse daran besteht, sich ernsthaft mit den Herausforderungen zu beschäftigen, vor die der Klimawandel unsere Gesellschaft stellt. Hauptsache, die Lautstärke stimmt. Von großen Teilen der Bevölkerung Verzicht zu fordern, die nichts zum Verzichten haben, ist keine erfolgversprechende Lösung." Er ist nicht rausgegangen zu den Aktivisten. Er muss nicht jeden überzeugen. Und in diesem Fall wäre es wohl ohnehin aussichtslos gewesen.

Die Aufgabe, vor der Wissing steht, ist gewaltig. Er hat sie extra noch mal vermessen lassen. Bis 2051 soll der Güterverkehr auf der Straße um 54 Prozent zunehmen, auf der Schiene um etwa ein Drittel. Der Personenverkehr soll um 13 Prozent zulegen. Das sind zwar Prognosen, aber sie zeigen, dass es eher mehr als weniger Verkehr geben wird. Doch es gibt auch die Klimaziele, an die sich die Bundesregierung halten will.

Die Grünen nutzten seine Idee – das will Wissing künftig verhindern

Im Verkehrsressort ist die CO2-Bilanz bislang so schlecht, dass die Ampelkoalition sich kürzlich darauf einigte, die Statistik nicht mehr nach einzelnen Ressorts auszuwerten. Für Wissing heißt das nicht: Klimaschutz ade. Aber es erfordert eben ein behutsames Vorgehen. Wissing sagt, dass viele Angst hätten, "auf der Verliererseite zu landen".

Er glaubt: Es gärt in der Bundesrepublik. Deswegen brauche es einfache, wirksame Hebel, um die Verkehrswende zu ermöglichen. So wie seine Idee des 9-Euro-Tickets im vergangenen Jahr. Das Problem war nur, dass der Erfolg nicht dem Urheber angerechnet wurde, sondern den Grünen. Die lobten das Ticket, tagein, tagaus. Wissing dagegen, so wirkte es, hatte nicht mal seinen eigenen Parteichef überzeugt. Finanzminister Christian Lindner feierte sich zwar als Erfinder des "Tankrabatts", geißelte im Zusammenhang mit dem 9-Euro-Ticket aber eine "Gratismentalität". Wissing kämpfte trotzdem für einen Nachfolger des Tickets.

Es ist Ende März, als er auf einer Pressekonferenz über das im Mai startende 49-Euro-Ticket spricht, das offiziell Deutschlandticket heißt. Eine Journalistin will wissen, ob die Umweltaktivisten mit der Reform zufrieden sein könnten. Wissing ist jetzt angriffslustig, für seine Verhältnisse platzt es geradezu aus ihm heraus: "Wir bringen jetzt Dinge auf den Weg, die selbst der Deutschen Umwelthilfe nicht eingefallen sind. Die hätten in den letzten Jahren auch mal ein Deutschlandticket vorschlagen können!" Rumms.

Die größte Reform seit Jahrzehnten

Es ist sein Signal: Noch mal lasse ich mir meine Idee nicht klauen. Und es ist ja auch nicht irgendeine Idee, sondern die größte Nahverkehrsreform seit Jahrzehnten. Das Ende des undurchschaubaren Tarifwirrwarrs.

Man kann diesen Erfolg schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Aber man muss sich dann eben auch klarmachen, was von Wissings Vorgängern als Verkehrsminister geblieben ist, was also der Maßstab für Vermächtnisse ist: Peter Ramsauer ermöglichte, dass Bürger ihr Nummernschild bei einem Umzug mitnehmen können. Alexander Dobrindt erfand die Ausländer-Maut, die Andreas Scheuer durchdrückte, bis der Europäische Gerichtshof das Vorhaben stoppte, wodurch vermutlich ein immenser Schaden für die Steuerzahler entstand.

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Wirklich etwas zu bewegen, ist bei anderen Projekten schwieriger. Da ist zum Beispiel die Deutsche Bahn, das Dauersorgenkind der Verkehrspolitik. Die Züge sind so unpünktlich wie nie, das Schienennetz ist maroder denn je. Wissing versucht nun einen Neustart. Die Strecken sollen nicht mehr saniert werden, während Züge darüberfahren, weil das zu lange dauert und nur neue Probleme schafft.

Der Wissing-Plan sieht vor, wichtige Abschnitte für mehrere Monate zu sperren und komplett mit einem Update zu versehen. Losgehen soll es im nächsten Jahr mit der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Die letzte Strecke soll 2030 geschafft sein. Wissing glaubt an den Erfolg seiner Idee: "Mancher in Deutschland glaubt, man müsse nur ausreichend Geld auf den Tisch legen, dann erledigten sich alle Reformen von selbst. Doch das stimmt nicht."

Mit Stille schafft man kein Verständnis

Natürlich werden die monatelangen Sperrungen wichtiger Korridore auch viel Ärger hervorrufen. Vielleicht spricht Wissing deshalb nicht so viel darüber. So, wie es insgesamt wirkt, als würde er bei schwierigen Fragen am liebsten so lange schweigen, bis sie gelöst sind. Besser Positives verkünden, statt zu klagen, scheint manchmal seine Devise zu sein. Das Problem ist: Mit Stille schafft man kein Verständnis. Schon gar nicht in aufgeregten Zeiten.

Lernen musste er das gerade beim Streit über den Ausbau von Autobahnen. Die FDP war dafür, dass auch sie künftig schneller ausgebaut werden dürfen, die Grünen dagegen. Wochenlang ging es hin und her. Wissing hörte sich die Argumente in Ruhe an, doch irgendwann platzte ihm der Kragen. Auf einer Parteiveranstaltung warf er den Ökodemonstranten, die sich auf die Seite der Grünen geschlagen hatten, vor, sie würden nur "Klima-Blabla" von sich geben. Plötzlich kam Wissing wieder häufig in den Medien vor.

War das klug? "Natürlich war der Begriff etwas zugespitzt. Aber wir stehen vor großen Aufgaben, und von den Demonstranten kommen keine Lösungen. Immer heißt es nur, alles sei zu wenig." Es ist seine Art zu sagen: Ich mache wenigstens etwas. Am Ende einigte sich die Koalition bei den Autobahnen darauf, dass 144 Abschnitte schneller ausgebaut werden dürfen – wenn die jeweiligen Länder das wollen. Es war ein vernünftiger Kompromiss: Wer keine zusätzlichen Autobahnen haben will, bekommt auch keine. Aber die Lösung galt als Niederlage der Grünen und als Beweis für Wissings Unerbittlichkeit.

Andere hätten an ihrer Parteikarriere gearbeitet – Wissing wurde Richter

Wer verstehen will, warum Wissing so oft um die Sache kämpft und nur wohldosiert laute Töne von sich gibt, muss seinen Werdegang in der Politik betrachten. Er trat 1998 in die Partei ein, als sie fast aus dem Bundestag geflogen wäre. Er machte Wahlkampf, half mit, Flyer zu verteilen. Die FDP blieb im Parlament. Andere hätten nun an ihrem Aufstieg gefeilt, Wissing arbeitete stattdessen als Jurist. Zunächst als Staatsanwalt, dann als Richter. Erst als ein Platz im Bundestag zufällig frei wurde, rückte er ins Parlament nach.

Doch während Weggefährten von ihm bei ihrer Ochsentour durch die Partei das Geschäft des Politikverkäufers lernten, blieb Wissing lieber bei Paragrafen und Anträgen, der Sacharbeit. Manchmal übernimmt nun sogar sein Parteichef das Marketing für ihn. Bei "Maybrit Illner" sagte er kürzlich sogar: "Es ist nicht Wissing, der die Klimaziele nicht erreicht, sondern die Bürger." Wissing hätte das so nie gesagt. Schon allein wegen des darauf folgenden Aufschreis. Aber auch, weil er es anders versuchen will.

Ein politische Mutprobe?

Am Dienstag dieser Woche will er einen Blick in die Zukunft werfen. Er ist nach Bruchsal bei Karlsruhe gekommen. Die Sonne scheint auf die süddeutsche Vorstadtidylle, Anzugmänner mit weißen Hemden begrüßen den Herrn Minister aus dem fernen Berlin. Hier weiht an diesem Tag die Firma Volocopter einen Hangar für Flugtaxis ein. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der auch da ist, sagt grinsend: Vor ein paar Jahren wäre so eine feierliche Hangar-Eröffnung noch eine "politische Mutprobe" für einen Verkehrsminister gewesen.

Mutprobe? Glaubt Wissing nicht. Schon 2024 sollen die Flugtaxis bei den Olympischen Spielen fliegen. Er vermutet, die Helikopter könnten die ideale Lösung für etliche seiner Probleme bei der Verkehrswende sein. Eine kurze Rede, eine Power-Point-Präsentation, dann geht Wissing raus aufs Rollfeld.

Es wäre jetzt ideal, wenn er selbst in die kleine Kapsel steigen könnte. Sogar Fernsehsender aus dem Ausland sind da, sie hätten das perfekte Bild: Der Verkehrsminister fliegt den Deutschen die Verkehrswende vor. Doch der Hubschrauber ist noch nicht für Passagiere zugelassen. Also zählt Wissing stattdessen die Argumente auf, die für das Verkehrsmittel sprechen: "Die Vorteile sind riesig: Es ist relativ leise, sicher und klimaneutral. Und es ist schnell: Gerade im medizinischen Bereich, wo Zeit meistens der kritischste Faktor ist, kann das Leben retten."

Sachargumente ersetzen aber keine guten Bilder. Es dauert ein bisschen, aber irgendwann setzt sich Wissing dann doch in einen Helikopter. Zwar nur in einen, der auf dem Boden steht, aber immerhin. Er inspiziert die Technik, schaut durch die Scheibe nach vorn. Das ist sein Kompromissangebot.

Als er wieder ausgestiegen ist, noch eine Frage zum Schluss: Passt sein eher zurückhaltender Politikstil noch in die heutige Zeit? Wissings Blick gleitet über die Kameraleute vor ihm. Dann sagt er: "Offensichtlich ja."

Verwendete Quellen
  • Persönliche Gespräche mit Volker Wissing
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