Vor Koalitionsausschuss Hier wird's knallen
Bei einem Koalitionsgipfel am Sonntag wollen die Ampelparteien gleich mehrere Streitpunkte aus dem Weg räumen. Doch die Positionen sind verhärtet.
Die Stimmung in der Ampelkoalition ist gereizt. In zahlreichen Punkten sind sich SPD, Grüne und FDP uneinig. Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte diesen Zustand der Regierung deshalb scharf: "Wir haben einen Auftrag, für die Menschen, für Deutschland was zu leisten und im Moment kommen wir dem nicht ausreichend genug nach", sagte der Grünen-Politiker. Hier lesen Sie mehr dazu.
Er hoffe, "dass wir jetzt in dieser Woche viele Knoten lösen und viele Blockaden überwinden können". Worauf er dabei anspielt: Für Sonntag hat die Ampel einen Koalitionsausschuss angesetzt, bei dem die Parteien Kompromisse finden wollen. Dort wird es vermutlich um zwei große Streitthemen gehen:
Erstens: Die Verkehrswende
Mit Blick auf die Verkehrsstrategie gehen die Meinungen vor allem bei FDP und Grünen auseinander. Generell sieht der Bundesverkehrswegeplan 2030 vor, das sogenannte Gesamtnetz mit 270 Milliarden Euro zu stärken. Konkret heißt das: Mit dem Geld will die Regierung dafür sorgen, dass es weniger Staus auf den Bundesfernstraßen, mehr Kapazität im Personen- und Güterverkehr auf den Schienen und wirtschaftlichere Transportmöglichkeiten auf den Wasserstraßen des Bundes gibt.
Das Problem: "Beim beschleunigten Ausbau konkurrieren Schiene und Straße um ein und dieselben Fachkräfte", sagt etwa Dirk Flege, Chef der Allianz pro Schiene. Wo der Bedarf nun am größten ist, sorgt für Diskussionen.
FDP will Autobahnen, Grüne wollen Schienen bauen
FDP-Verkehrsminister Volker Wissing will, dass neben neuen Bahnstrecken und Brücken auch Autobahnen schneller gebaut werden. Die Grünen lehnen das ab. Ihr Fokus liegt auf Schienen und Stromnetzen. Die Argumentation: Der Koalitionsvertrag regele, wo Planungen beschleunigt werden sollten, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. "Und das sind Schienen, das sind Brücken, und das ist der Netzausbau."
Dröge argumentierte, wenn man in Deutschland wirklich Projekte beschleunigen wolle, müsse man Prioritäten setzen. "Das heißt, man muss Geld und Ressourcen, das heißt Personal, auch da bündeln, wo es gebraucht wird." Mit der Sanierung von Autobahnen würde man wichtiges Personal binden, sagte Dröge. "Und am Ende führt das dann zu einem Planungsstau in Deutschland. Und diesen Planungsstau, den wollen wir als Grüne nicht verantworten."
SPD: "Engpass-Liste" muss sich verkleinern
Die SPD pocht auf einen Kompromiss: Fraktionsvize Detlef Müller sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass es etwa bei wichtigen Schienenverkehrsprojekten einen Konsens zur Planungsbeschleunigung gebe. "Nicht geklärt sind die Bereiche Straße und Schifffahrt. Für die SPD-Fraktion gibt es auch in diesen Bereichen Projekte, die von überragender Bedeutung sind, weil sie an neuralgischen Punkten der jeweiligen Verkehrswege für entscheidende Verbesserungen sorgen."
Dafür habe die SPD Kriterien vorgeschlagen, anhand derer sich die "Engpass-Liste" der Autobahnprojekte verkleinern ließe, so Müller. "Den zusätzlichen Effekt einer Planungsbeschleunigung für Projekte im überragenden öffentlichen Interesse sollten wir für diejenigen Straßenbauvorhaben reservieren, die tatsächlich einen sehr großen Nutzen haben. Wenn wir uns hierauf konzentrieren, werden wir im Koalitionsausschuss zu einer gemeinsamen Position kommen."
Greenpeace warnt vor vervielfachten Kosten
Aus der FDP-Führung hieß es, Bundesverkehrsminister Volker Wissing habe schon vor Wochen eine Liste von 144 Projekten vorgelegt, die exakt der Definition der SPD entsprächen. Müllers Äußerung wurde dort als Unterstützung für Wissing gewertet, die somit ein Signal an die Grünen sei, nun einzulenken und den Weg für eine Gesamtverständigung freizumachen. "Nur die komplette Verweigerung der Grünen bei den Straßen steht einer Lösung des Entscheidungsstaus bislang entgegen", zitiert die Nachrichtenagentur dpa die Parteiführung.
Nicht gerade in die Karten spielt der FDP in der Debatte nun eine Studie, die Greenpeace am Donnerstag veröffentlicht hat: Demnach droht der Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen dreimal so teuer zu werden, wie von Wissings Ministerium ursprünglich kalkuliert. Statt der ursprünglich kalkulierten 50,9 Milliarden wird der Bau von den ursprünglich 800 Straßenprojekten mit höchster Priorität bis 2035 insgesamt 153 Milliarden Euro kosten, heißt es in der Analyse.
Zweitens: Die Wärmewende
Ebenfalls für Diskussionen dürfte am Sonntag der anhaltende Heizungsstreit sorgen. Konkret geht es um einen Gesetzentwurf, der für den Einbau neuer Heizungen ab 2024 verschärfte Regeln vorsieht. Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies könnte de facto auf ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen hinauslaufen. Hier lesen Sie mehr dazu.
Habeck betonte dabei stets: "Es war ein guter und ein richtiger und ein gemeinsamer Beschluss." Jetzt kommt aber vor allem aus der FDP scharfe Kritik an dem Entwurf, auch weil Details für Übergang und Betriebsfristen noch nicht festgelegt sind. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hält zudem Habecks geplante Förderprogramme für nicht finanzierbar.
Grüne betonen Einigkeit, FDP widerspricht
Habeck hatte zuvor ein milliardenschweres Förderprogramm für den Heizungstausch in Aussicht gestellt, das sich am Einkommen der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren solle. Das Problem: Mit der Förderung kommen dann noch immer zwischen 10.000 und 20.000 Euro auf Hausbesitzer zu. Hier lesen Sie mehr dazu.
Wissing betonte an dieser Stelle, entscheidend sei, die Menschen beim Klimaschutz mitzunehmen. "Eine Regierung muss die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst nehmen", sagte er. "Bauen, Wohnen, Heizen muss auch bezahlbar bleiben, und diese Dinge müssen wir in der Regierung besprechen." Wenn man sich dann auf einen Gesetzentwurf verständigt habe, "dann stehen wir auch dahinter".
Weitere Streitpunkte werden vertagt
Auch die Aufstellung des Bundeshaushalts für nächstes Jahr sorgt seit Wochen für viel Streit in der Ampelkoalition. Die vom Finanzminister angeführte FDP dringt auf weitere Steuerentlastungen sowie zusätzliches Geld für die geplante Aktienrente. Die SPD meldet vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs vor allem einen höheren Bedarf im Verteidigungshaushalt an: Die Rede ist von zehn Milliarden zusätzlich im Jahr.
Die Grünen wiederum haben die Kindergrundsicherung zum zentralen Projekt erklärt. Familienministerin Lisa Paus geht von elf bis zwölf Milliarden Euro an jährlichen Zusatzkosten aus. Am Sonntag stehe der strittige Haushalt aber nicht auf der Tagesordnung, heißt es aus Regierungskreisen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- bmdv.bund.de: "Bundesverkehrswegeplan 2030"
- presseportal.greenpeace.de: "Greenpeace-Analyse: Straßenplänen des Verkehrsministeriums droht Verdreifachung der Kosten"