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Streit in der Ampel: So geht's nicht weiter


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Streit in der Ampel
Einer gegen alle


Aktualisiert am 15.03.2023Lesedauer: 5 Min.
Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner: Plötzlich brauchen alle Geld.Vergrößern des Bildes
Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner: Plötzlich brauchen alle Geld. (Quelle: IMAGO/Chris Emil Janssen)

Da braut sich was zusammen: Christian Lindner will sparen, seine Kabinettskollegen lieber mehr Geld ausgeben – und niemand als Verlierer dastehen.

Es sind zwei Sätze, die in diesen Tagen den Spielraum von Christian Lindner definieren. Sie stammen von ihm selbst, der Finanzminister hat beide am Sonntag im "Bericht aus Berlin" ausgesprochen. Der eine Satz lautet: "Wir haben ein massives Ausgabeproblem." Und der andere: "Wir brauchen kein Machtwort des Kanzlers." Das also sind die aktuellen Maximen des Finanzministers.

Übersetzen könnte man das mit: "Wir müssen mal grundsätzlich in der Ampelregierung über den Umgang mit Geld reden. Doch diese Gespräche führe ich, der Bundeskanzler kann sich da ruhig raushalten." Zu besprechen gibt es einiges. Denn es brodelt in der Koalition.

Eigentlich wollte Lindner an diesem Mittwoch die sogenannten Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 vorstellen. Dann wäre klar, welches Ministerium im kommenden Jahr mit wie viel Geld rechnen kann. Doch am vergangenen Donnerstag gab Lindner überraschend bekannt: Die Vorstellung verschiebt sich – auf unbestimmte Zeit. Ein neues Datum nannte Lindner nicht. Der Grund: Er wurde sich mit seinen Kabinettskollegen nicht einig darüber, wer wie viel Geld bekommt.

Der eine will sparen, die anderen wollen lieber prassen

In der Frage, wie es jetzt weitergehen soll, steht Lindner zwischen seinen zwei Sätzen vom Sonntag. Innerhalb der Koalition versucht man, den Erwartungshorizont kleinzuhalten: Beim nächsten Koalitionsausschuss, der wohl Ende März stattfindet, wird der Haushalt eher kein Thema sein, vermutet mancher. Stattdessen soll Lindner mit den anderen Ministern weiterhin Gespräche führen. Es könnte dabei brenzlig werden.

Das eigentliche Problem der Bundesregierung ist: Der eine will sparen, die anderen wollen lieber prassen.

Lindner will im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten und schließt Steuererhöhungen aus. Damit engt er den finanzpolitischen Spielraum ein. Gleichzeitig wollen seine Kabinettskollegen über 70 Milliarden Euro mehr ausgeben als in diesem Jahr. Also grob gesagt: rund 550 statt 476 Milliarden Euro.

"Dynamik der Neuverschuldung ist beispiellos"

Ein Mann, der sich mit der verzwickten Lage auskennt, ist Florian Toncar. Der 43-Jährige hat einen wachen Blick und einen sauber gezogenen Seitenscheitel. Er arbeitet als Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium und gilt als einer der engsten Vertrauten von Lindner. Auf der Homepage von Toncar steht: "Für eine Politik, die rechnen kann."

Gerechnet hat Toncar eine Menge in den jüngsten Wochen. Er war eng in das Ringen der Regierung um den Haushalt einbezogen. Wer bei Toncar anruft, hat einen Mann mit klaren Worten am Telefon: "Wir haben keinen Geldsack in Reserve", sagt er.

Der Vertraute des Finanzministers sagt zudem: "Einige Minister haben ihre Agenda – doch manche Erwartungen stammen aus einer Zeit, die so nicht wiederkehren wird: Das letzte Jahrzehnt war eines der sprudelnden Zinsen, dann wurde auch noch die Schuldenbremse in der Pandemie ausgesetzt. Das waren keine normalen haushälterischen Bedingungen, zu denen wir aber jetzt zurückkehren müssen." Toncar hält es für wichtig, dass sich die Ministerien untereinander absprechen, wer welche Projekte eigentlich durchsetzen kann.

Richtig ist, dass der Staat in den vergangenen Jahren enorme Schulden angehäuft hat. In einer Stellungnahme des Bundesrechnungshofes für den Bundeshaushalt 2024 und die weitere Finanzplanung bis zum Jahr 2027 findet sich der Satz: "Die Dynamik der Neuverschuldung ist beispiellos: Innerhalb von drei Jahren wurden Maßnahmen beschlossen, die den bis zum Jahr 2019 aufgebauten Schuldenberg des Bundes um 60 Prozent auf mehr als 2,1 Billionen Euro erhöhen können."

Mehr Geld für die Bundeswehr – das unterstützt sogar Lindner

Schulden kosten Geld, denn auch der Staat muss Zinsen zahlen. In den vergangenen Jahren war das allerdings kein allzu großes Problem, denn die Zinsen waren niedrig. Teilweise zahlten die Gläubiger dem Bund sogar Geld dafür, dass sie seine Anleihen kaufen durften.

Zuletzt sind die Zinsen allerdings stark gestiegen. Im Interview mit t-online sagte Lindner vor Kurzem dazu: "In diesem Jahr zahle ich als Finanzminister voraussichtlich 36 Milliarden Euro mehr an Zinsen als 2021. 36 Milliarden Euro, die ich an die Finanzmärkte für die Vergangenheit überweisen muss, statt heute in Digitalisierung oder Bildung zu investieren."

Das sind gute Argumente. Aber auch die anderen Minister, die lieber mehr ausgeben wollen, haben gute Argumente. So will der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius zusätzlich zehn Milliarden Euro für die Bundeswehr. Dagegen hat auch Lindner eigentlich nichts.

Doch nicht nur ihn dürfte die Sorge umtreiben, dass auch im Außenministerium der grünen Amtschefin Annalena Baerbock und im Entwicklungsministerium der SPD-Politikerin Svenja Schulze die Rufe nach mehr Geld lauter werden könnten. Die vereinfachte Rechnung dahinter: Wer mehr Geld für das Militär ausgibt, muss auch mehr in Frieden investieren.

Hinzu kommt der Streit um die Kindergrundsicherung. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will etwa elf Milliarden dafür. Wie das Vorhaben finanziert werden soll, steht jedoch nicht im Koalitionsvertrag.

Nun sind da also die Minister-Forderungen, die an einem Finanzminister größtenteils abprallen. Das Problem ist: Sparen ist gar nicht so einfach. Die Personalausgaben sind weitgehend fix und liebgewonnene Projekte will auch niemand gern aufgeben.

Wer neue Ideen hat, soll woanders sparen

Jedes Haus, so das Argument der Haushaltspolitiker, könnte allerdings ernsthafter als bislang Einsparungen prüfen. Etwa Verträge mit bestimmten Anbietern kündigen oder Liegenschaften nicht mehr weiterbetreiben. Also den Rotstift überall dort ansetzen, wo es geht.

Das Potenzial ist durchaus da. Denn in Haushaltsverhandlungen gilt oft: Fordere mehr, als du brauchst, damit du am Ende erhältst, was du wirklich willst. Nach dem Prinzip wird seit Jahrzehnten Politik gemacht. Das Problem im Moment ist, dass die Minister sich mit ihren Forderungen bereits weit vorgewagt haben. Niemand möchte am Ende als derjenige dastehen, der sich nicht durchsetzen konnte – die Stimmung in der Koalition ist ohnehin schon etwas gereizt.

Es liegt nun am Finanzminister, eine Lösung zu finden, bei der alle gesichtswahrend aus der verfahrenen Lage herauskommen – auch er selbst. In den nächsten Wochen dürfte es viele Gespräche auf Ministerebene geben. Weil die Zeit nun drängt. Grünen-Chefin Ricarda Lang erklärte bereits, der März sei "der entscheidende Monat" bei den Gesprächen.

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Eigentlich sollte die Planung des Haushalts, die dann viel detaillierter ist als die Eckwerte, um die es bislang geht, bis zum Beginn der Sitzungswoche des Bundestags am 19. Juni abgeschlossen sein. Jetzt heißt es bei den Liberalen bereits: Zur Not könnte man die Haushaltsplanung noch etwas weiter nach hinten schieben.

Florian Toncar, der Staatssekretär im Finanzministerium, findet, die einzelnen Ministerien könnten ihre Lieblingsprojekte auch anders finanzieren: "Wenn ein Minister neue Ideen umsetzen möchte, kann er im Gegenzug ja auch andere Projekte beenden. Dafür sind wir im Finanzministerium natürlich offen." Es sei ja "kein Naturgesetz, dass nur die Ausgaben steigen" und dafür nicht an anderer Stelle gespart werde.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Hintergrundgespräche mit Haushaltspolitikern
  • Telefonisches Interview mit Florian Toncar
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