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Angela Merkel: Das hat die Kanzlerin falsch gemacht


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Merkels langer Schatten
Das ist aufs Fürchterlichste offenbar geworden

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 07.02.2023Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel: War sie eine große Kanzlerin?Vergrößern des Bildes
Angela Merkel: Die Folgen ihrer Politik werden jetzt erst deutlich. (Quelle: IMAGO/Ulrich Stamm/imago-images-bilder)

Angela Merkel war eine erfolgreiche Kanzlerin? Diese Deutung lassen all die Probleme – von der Energiewende bis zur Zuwanderung – nicht mehr zu.

Stechwarzen, das habe ich irgendwo mal gelesen oder gehört, lassen sich ganz gut wegbeten. Die Wirtschaft ist aber keine Warze, sie ist deutlich schwerer gesundzubeten als eine hinderliche Hautveränderung in der Handfläche oder am großen Zeh. Gleichwohl haben sich in dieser Kunst Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck versucht.

Sie erklärten erst jüngst die drohende Rezession für abgemildert, wenn nicht abgewendet. Es sah tatsächlich nach etwas Hoffnung aus – dann aber kam die Warze zurück: Das Statistische Bundesamt wies für das das vierte Quartal 2022 ein um 0,2 Prozent geschrumpftes Bruttoinlandsprodukt aus. Vorher war die deutsche Wirtschaft trotz der Teuerung und der Energieprobleme infolge des Ukraine-Kriegs gewachsen. 2023 droht nun am letzten Quartal 2022 anzuknüpfen.

Energiewende verschleppt, Zuwanderung verhindert

Das gefürchtete R-Wort ist also seit vergangener Woche zurück, und die Wirtschaftskollegin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Julia Löhr machte sich in ihrem Kommentar daran, die Ursachen für den drohenden Abschwung Deutschlands zu ergründen: "Das chaotische Management der Energiewende, allen voran der Ausstieg aus einer verlässlichen, günstigen und noch dazu klimafreundlichen Stromquelle wie der Atomkraft, lässt Unternehmen am Wirtschaftsstandort Deutschland zweifeln. Auch in der Zuwanderungspolitik läuft einiges schief. Derzeit drängen vor allem die vollen Flüchtlingsheime auf die politische Agenda und weniger die so dringend benötigte Einwanderung von Fachkräften."

Bei diesen Zeilen könnte ich kaum so viel nicken, wie ich zustimmen wollte. Um dann, als der leichte Schwindel wegen des vielen Nickens vorbei war, der Frage nachzuhängen: Wo kommt das Unheil her, wo fing es an?

Da landet man – tut mir leid – bei Angela Merkel. Denn, ja, die aktuelle Koalition ist verantwortlich dafür, dass darüber gefeilscht wird, ob die drei Rest-Atomkraftwerke in Deutschland noch drei Monate oder doch vielleicht drei Jahre länger als geplant laufen dürfen (es sind bekanntlich drei Monate und kein Tag mehr). Und auch für die aktuelle Not, Flüchtlingen aus den bisherigen Herkunftsländern, plus denen aus der Ukraine, Unterkunft und Versorgung zu sichern, kann die frühere Bundeskanzlerin nichts.

Deutschland am Beginn des Abstiegs

Aber Angela Merkel hat für beide Beschwernisse dieses Landes die strukturell-politische Verantwortung. Sie hat beide herbeigeführt mit einem kopflos-überhasteten Atomausstieg und einer resignativen Flüchtlingspolitik ohne jede Ambition auf Steuerung und Einflussnahme. Es sind nicht die beiden einzigen Bereiche, in denen Merkel das Land, von dem sie schwor, Schaden von ihm abzuwenden, mit Hypotheken belud. Und ihre Nachfolger nebenbei gesagt auch.

Es geht nicht um kleine Schwankungen, ein kleines Schwächeln. Die staatliche Förderbank KfW sieht über konjunkturelle Schwankungen hinweg Deutschland am Beginn eines jahrzehntelangen Abstiegs, nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels. Merkels Einwanderungspolitik (die keine war, die den Namen verdient hätte) hat dafür gesorgt, dass zwar viele kamen, aber nicht die, die man dringend gebraucht hätte.

Aus dem klassischen Drama kennt man das retardierende Moment. Es verzögert für eine gewisse Weile die Auswirkungen des Tragischen, das die handelnden Personen vorher angerichtet haben. Der Zuschauer wird kurz in den Glauben gelullt, dass alles doch noch gut ausgehen könne – um dann jäh von der Katastrophe aus dieser Illusion gerissen zu werden.

In der Politik gibt es dieses retardierende Moment auch, es dauert nicht Minuten, wie auf der Bühne, sondern Jahre. Dann aber ist es vorbei. Und die Folgen einer Amtszeit, ihrer strukturell wirkenden Entscheidungen (oder Unterlassungen) stellen sich vor aller Augen ein – meist erst, wenn der Amtsinhaber nicht mehr da ist.

Von Schröder und Kohl lernen

Das gilt im Guten wie im Schlechten. Gerhard Schröder hatte von Helmut Kohl ein Land in einem noch enger vereinten, neuen Europa mit einer vorbereiteten einheitlichen Währung übernommen. Schröder, der lange noch davon sprach, dass deutsche Steuergelder in der Europäischen Union "verbraten" würden, kam alsbald zu dem Schluss, dass sein Vorgänger Großes geleistet hatte, auf dem er aufbauen konnte. Er wiederum machte sich daran, die liegen gebliebenen Reformen auf dem deutschen Arbeitsmarkt anzugehen und machte das Land damit gegen großen Widerstand vor allem der Gewerkschaften flott.

Schröder und Kohl, das zeigt der Blick zurück und erweist sich (retardierendes Moment!) erst mit einem gewissen Abstand, waren beide große Kanzler. Es ist noch zu früh für eine endgültige Bilanz, aber bei Angela Merkel zeichnet sich zunehmend ab, dass sie das nicht war. Bei aller (auch etwas merkwürdigen) Huldigung, ja Verehrung, derer sie sich zu ihrer aktiven Zeit bei den meisten Kommentatoren sicher sein konnte.

Zwei ihrer langen Schatten, die bis ins Heute und Morgen reichen, sind schon genannt. Angela Merkel hat aber noch mehr auf der Soll-Seite. Dass die öffentliche Infrastruktur so aussieht, wie sie aussieht, ob Brücken, Straßen, Schulen oder die Bahn, hat eben sehr viel mit der Politik der Angela Merkel zu tun.

Das gilt auch für die Bundeswehr. Dass es um sie tragisch-verheerend steht, ist länger bekannt und seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs aufs Fürchterlichste offenbar geworden – und existenziell bedrohlich, nicht nur für die Ukraine. Die Kollegen vom "Spiegel" haben diesem Desaster in Olivgrün jüngst eine profunde Titelgeschichte gewidmet. Und die strukturell wehrkraftzersetzenden Ursprünge des Ist-Zustandes plausibel bei den beiden zuständigen Merkel-Ministern Thomas de Maizière und Karl Theodor zu Guttenberg festgemacht.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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