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So gut war die Terrorverdächtige Malsack-Winkemann in der AfD vernetzt


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Die AfD und der Terrorverdacht
"Das ist unglaublich erschreckend"


Aktualisiert am 14.12.2022Lesedauer: 6 Min.
AfD-Vorsitzende Alice Weidel, Birgit Malsack-Winkemann, AfD-Abgeordneter Stephan Brandner: Die Terrorverdächtige Malsack-Winkemann war in der AfD gut vernetzt.Vergrößern des Bildes
AfD-Vorsitzende Alice Weidel, Birgit Malsack-Winkemann (M.), AfD-Abgeordneter Stephan Brandner: Die Terrorverdächtige Malsack-Winkemann war in der AfD gut vernetzt. (Quelle: Collage: Heike Aßmann/t-online/imago-images-bilder)
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Die AfD distanziert sich von ihrer Politikerin Malsack-Winkemann, die unter Terrorverdacht steht. Doch vor Kurzem noch hat sich die Partei sehr um sie bemüht.

Alice Weidel ist voll des Lobes für die Frau, die neben ihr auf dem Podium in Berlin sitzt. "Sie ist einfach eine tolle Politikerin", sagt die AfD-Fraktionschefin bei einem Bürgerdialog. Birgit Malsack-Winkemann habe eine "sehr, sehr gute Reputation in den Ausschüssen" und räume "so viel Arbeit für die Fraktion weg". Es folgt ein herzlicher Dank. Von AfD-Fraktionschefin zu AfD-Abgeordneter.

Das war im April 2019, ein Video von der Veranstaltung gibt es auf YouTube. Inzwischen sitzt die Frau, die von Weidel so gepriesen wurde, hinter Gittern.

Die Vorwürfe gegen Birgit Malsack-Winkemann wiegen schwer. Ihr wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Sie und ihre Mitstreiter sollen geplant haben, mit Waffengewalt eine neue Regierung zu etablieren. Im Kabinett der Putschisten war Malsack-Winkemann, die bis zu ihrer Verhaftung auch Richterin war, als Justizministerin vorgesehen.

Höcke reißt Witze über "Rollator-Putsch"

Die AfD bemüht sich seit den Ereignissen der vergangenen Woche sowohl um Beschwichtigung als auch um Distanzierung. Die Umsturzpläne werden von vielen AfDlern lächerlich gemacht: Über einen "Rollator-Putsch" amüsierte sich AfD-Rechtsaußen Björn Höcke rasch, Alice Weidel griff diese Formulierung am Dienstag bei einer Pressekonferenz auf. AfD-Innenexperte Gottfried Curio spricht von einer "Rentner-Kombo".

Mit Malsack-Winkemann will man kaum Kontakt gehabt haben. Als irgendwie seltsam und isoliert in der Partei wird die Juristin unter der Hand nun gern beschrieben, offiziell wollen sich die meisten gar nicht äußern. Von der Homepage zum AfD-Schiedsgericht, dem Malsack-Winkemann nach wie vor angehört, wurde ihr Name gelöscht.

Nicht nur der "Rentner"-Vorwurf ist wenig glaubhaft, schließlich ist Malsack-Winkemann mit 58 Jahren wie viele ihrer Mitstreiter noch Jahre von der Pensionierung entfernt. In der AfD ist sie außerdem so gut vernetzt, dass sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im Oktober 2021 beste Chancen auf eine neue Position im Namen der Partei hatte. Und noch in diesem Oktober wurde sie von hochrangigen AfD-Politikern vor Gericht unterstützt.

Besonders pikant: Die Nachrichtendienste beobachteten Malsack-Winkemann zu dieser Zeit bereits seit Monaten eng. Sie fürchteten, die Ex-Abgeordnete könne die mutmaßliche Terrorgruppe mit ihrem Wissen um die Liegenschaften des Bundestags entscheidend voranbringen.

"Getrieben von Wahnvorstellungen"

Während AfD-Chefin Weidel ihre Kollegin Malsack-Winkemann für ihre Arbeit lobte, fiel sie Abgeordneten anderer Parteien früh durch ihre zweifelhafte Einstellung zu Demokratie und Rechtsstaat auf. Als "getrieben von Wahnvorstellungen" und "zum Teil richtig besessen" beschreibt sie ein Abgeordneter, der mit ihr in der letzten Wahlperiode im Haushaltsausschuss saß, im Gespräch mit t-online.

Im für die Verteilung von Geldern zuständigen Ausschuss war Malsack-Winkemann unter anderem für den Einzelplan Gesundheit und damit mittelbar für die Corona-Politik zuständig – offenbar ein großes Reizthema für die Juristin. Corona habe Malsack-Winkemann konsequent geleugnet, sich gegen das Impfen gewandt und Verschwörungstheorien vom "Großen Austausch" und einer vom Staat erzwungenen "Gentherapie" verbreitet, erzählt der Abgeordnete. Anderen fiel Malsack-Winkemann in dem großen Gremium weniger durch ideologische, sondern vielmehr durch fachlich eher schwache Beiträge auf.

In einem Punkt sind sich aber alle einig: Malsack-Winkemann lag mit ihrer Haltung ganz auf Linie der Partei. Mitnichten sei sie isoliert gewesen, mit dem AfD-Ausschussvorsitzenden Peter Boehringer sei sie sogar glänzend zurechtgekommen. Die beiden hätten stets "sehr vertraut" gewirkt, so fasst es einer. "Ich hatte den Eindruck: Zwischen Peter Boehringer und sie hat kein Blatt gepasst", sagt Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch t-online. Auch Boehringer zählt zu den AfD-Funktionären, die immer wieder offen Verschwörungstheorien teilen.

Malsack-Winkemann auf Listenplatz 5 im Wahlkampf 2021

Die gute Zusammenarbeit wollte die AfD gerne weiterführen: Für die Bundestagswahl 2021 stellte die Berliner AfD Malsack-Winkemann erneut auf und setzte sie auf den recht aussichtsreichen Listenplatz 5. In ihrem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf tourte Malsack-Winkemann so im September durch Schulen und diskutierte mit Vertretern der anderen Parteien vor Jugendlichen. Auch die AfD sollte als demokratisch gewählte Partei bei den Veranstaltungen vertreten sein, dieser Logik folgten viele Schulen.

Ruppert Stüwe, der für die SPD in Steglitz-Zehlendorf kandidierte und mittlerweile im Bundestag sitzt, landete im Herbst 2021 so mehrfach auf dem Podium mit Malsack-Winkemann. Diese sei damals eher unauffällig geblieben, habe in Diskussionen defensiv argumentiert. Dennoch wünscht Stüwe sich heute ein Umdenken im Umgang mit der AfD: "Die Demokratie zählt für die AfD nicht, sie will eine grundlegend andere Gesellschaft", sagte er t-online. "Dafür sollten wir ihr so wenig Podien wie möglich bieten. "

Von den Podien schaffte Malsack-Winkemann es allerdings ohnehin nicht in den Bundestag. Am Ende verhinderte das schwache Abschneiden der AfD in Berlin im Herbst den Wiedereinzug der mutmaßlichen Terroristin in das Parlament.

Schulterklopfer von Bundesvorständen

Malsack-Winkemann aber hatte Alternativen, die ebenfalls viel Macht und Einfluss mit sich bringen. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag wollte sie in ihr Amt als Richterin zurückkehren. Die von der Linken geführte Berliner Justizverwaltung versuchte das zu verhindern und beantragte, die AfD-Politikerin frühzeitig in den Ruhestand zu versetzen. Die Begründung: Malsack-Winkemann habe sich rassistisch geäußert und sei regelmäßig durch Nähe zum nur offiziell aufgelösten rechtsextremen "Flügel" der AfD aufgefallen.

Bei der mündlichen Anhörung, zu der es in Folge des Antrags des Landes Berlin kam, erschien Mitte Oktober 2022 mit Stephan Brandner denn auch ein AfD-Bundestagsabgeordneter, der als wichtiges Mitglied des "Flügels" gilt. Brandner gilt als enger Vertrauter von Höcke und ist Mitglied des AfD-Bundesvorstands. Mit Roman Reusch war ein weiteres Mitglied des AfD-Vorstands vor Ort, wie die "taz" berichtet.

Brandner bedachte Malsack-Winkemann mit Schulterklopfern und lobte sie. Die Vorwürfe gegen sie seien "völlig absurd", teilte er vor laufenden Kameras und später in einer Pressemitteilung mit.

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Warum er Malsack-Winkemann erst vor Kurzem bei Gericht unterstützt habe? Persönlich wie beruflich habe er kaum Kontakt mit ihr gehabt, sagt Brandner, der selbst Jurist ist, nun t-online. "Mein Antrieb war, dass die richterliche Unabhängigkeit tangiert war – und die ist ein sehr hohes Gut mit Verfassungsrang." Das zuständige Gericht habe das ebenso gesehen.

Tatsächlich unterlag das Land Berlin in dem Rechtsstreit. Aussagen, die Malsack-Winkemann im Plenum des Bundestags machte, wurden unter Verweis auf die sogenannte Indemnität von Abgeordneten nicht als Beweise zugelassen. Diese besagt, dass Abgeordnete wegen Äußerungen im Bundestag, in der Fraktion oder in einem Ausschuss nicht gerichtlich oder dienstlich belangt werden dürfen. Der Terrorverdacht war da aber noch nicht publik – für den Berufungsprozess, der noch aussteht, schätzen Experten die Lage nun anders ein.

Terrorverdächtige sollte Ordnungsamt leiten

Malsack-Winkemann suchte nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag aber auch nach anderen beruflichen Perspektiven – und fand sie im Berliner Stadtteil Marzahn-Hellersdorf, einer Hochburg der AfD in Berlin. Die AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung schlug sie Anfang November 2021, also kurz nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag, als Stadträtin vor. Sie sollte die Leitung des Ordnungsamtes übernehmen. Ausgerechnet jenes Amt also, das in der Hochphase der Pandemie auch für die Ahndung von Corona-Verstößen etwa in der Gastronomie zuständig war.

Zur Wahl trat Winkemann nie an, bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am 10. November schob die AfD-Fraktion den Antrag auf ihre Wahl erst auf, bei der nächsten Sitzung zog sie ihn schließlich ganz zurück.

Die Pläne, sie zu einer von 72 Stadträten in Berlin zu machen, waren allerdings konkret und weit vorangeschritten: Bei mehreren Fraktionen, darunter Linke und SPD, hatte sie sich nach Informationen von t-online bereits als Kandidatin für das Amt vorgestellt. Gefragt wurde sie von den anderen Parteien dabei vor allem nach ihrer Haltung zum Höcke-"Flügel" der Partei. Malsack-Winkemann bestritt eine Nähe und betonte, sie gehöre nicht zu den radikalen Kräften in der Partei.

Bürgermeister fordert Aufklärung

Die Einschätzung, sie sei nicht radikal, lässt sich heute anzweifeln. Als "unglaublich erschreckend" bezeichnet Gordon Lemm, Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, dass der Bezirk "der Gefahr ausgesetzt war, jemanden in eine Position wählen zu sollen, der nun unter Terrorverdacht steht". Er fordert Aufklärung von der AfD-Fraktion darüber, wie sie zu ihrem Vorschlag gekommen ist – "zumal Frau Malsack-Winkemann mit Marzahn-Hellersdorf nichts zu tun hat", sagte er t-online.

Der AfD-Bezirksvorsitzende Gunnar Lindemann, der sich im Wahlkampf 2021 an mehreren Parteiständen mit Malsack-Winkemann fotografierte, distanziert sich auf Nachfrage von t-online von ihr. Er habe Malsack-Winkemann zu keinem Zeitpunkt unterstützt, sondern auf einen ihrer Konkurrenten, Michael Adam, gesetzt, so Lindemann.

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion in Marzahn-Hellersdorf, Werner Wiemann, erklärt auf Nachfrage von t-online, dass Malsack-Winkemann sich selbst für die Position als Stadträtin ins Spiel gebracht habe. Um welchen Bereich des Bezirksamts es sich dabei handeln könnte, sei da noch unklar gewesen. Eine Bevorzugung habe es nicht gegeben, aus einer geheimen Wahl sei Malsack-Winkemann als Kandidatin hervorgegangen. "Für sie sprachen ihre Qualifikation und die jahrelange Tätigkeit als Richterin", so Wiemann weiter. Aus "persönlichen Gründen" habe sie ihre Bewerbung schließlich selbst zurückgezogen.

Deutlich machen die Entwicklungen im Wahlkampf, im Bezirk Marzahn-Hellersdorf 2021 und im Gericht 2022: Malsack-Winkemann war eine Funktionärin in der AfD, die bestens vernetzt und wohl geschätzt war – auch, als die Behörden sie wegen Terrorgefahr schon im Blick hatten.

Es wird nicht der einzige Fall bleiben, in dem die AfD sich im Zuge der "Reichsbürger"-Razzia kritische Fragen gefallen lassen muss. Neben Malsack-Winkemann wurde mit der Hellseherin und Astrologin Hildegard L. mindestens ein weiteres AfD-Mitglied verhaftet, das für die Partei den Ortsverband Heppenheim aufbaute. In Sachsen wurde außerdem Christian W. festgesetzt, ein ehemaliger Stadtrat der AfD in Olbernhau.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses in der vergangenen Wahlperiode
  • Gespräche mit Mitgliedern der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf
  • Gespräch mit Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD)
  • Gespräch mit SPD-Abgeordnetem Ruppert Stüwe (SPD)
  • Gespräch mit Stephan Brandner (AfD)
  • Anfragen an die AfD-Fraktion Marzahn-Hellersdorf
  • Anfrage an die Pressestelle des AfD-Bundesverbandstaz.de: "AfD-Richterin darf weiter urteilen"
  • youtube.de: "Europa Neu Denken" - Birgit Malsack-Winkemann und Alice Weidel bei Bürgerdialog 2019
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