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Robert Habeck im Nahen Osten: Sein Stil sorgt für Irritationen


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Vizekanzler im Nahen Osten
Die Methode Habeck kommt nicht überall gut an

Von Fabian Reinbold, Amman und Ramallah

09.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Habeck in Ramallah: Im Nahen Osten steht der Vizekanzler mit mancher Idee etwas allein da.Vergrößern des Bildes
Habeck in Ramallah: Im Nahen Osten steht der Vizekanzler mit mancher Idee etwas allein da. (Quelle: Britta Pedersen/dpa)

Sonne, Wasserstoff und ein bisschen Frieden: Robert Habeck verfolgt im Nahen Osten große Pläne. Doch mit seinen Vorstößen sorgt er vor Ort auch für Irritationen.

Es ist bald Mitternacht, aber weiter drückend heiß, und Robert Habeck hat noch nicht genug. Futtert noch ein paar Nüsse, nimmt einen Schluck Bier.

Der Tag begann mit einer Joggingrunde durch West-Jerusalem, er besuchte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und rezitierte dort mit brüchiger Stimme ein Gedicht. Hatte einen Termin beim Premierminister der Palästinenser in Ramallah, bei dem er seinen Gastgeber kurz irritierte. Und jetzt sitzt er nach einer langen Fahrt hinab bis 400 Meter unter dem Meeresspiegel in Jordanien am Toten Meer.

Manch ein Mitreisender ist platt, aber der Vizekanzler wird nicht müde. Und falls doch, dann soll man es zumindest nicht merken. Habeck strahlt im informellen Gespräch auf der Dachterrasse aus: Also wenn's nach mir ginge, könnt' ich noch lange so weiter machen.

Robert Habeck genießt seine Reise in den Nahen Osten sichtlich. Vier Tage Israel, Palästinensergebiete, Jordanien. Deutsch-israelische Beziehungen, Energiewende, Krisenpolitik und Klimawandel. Er muss hier nicht um Gas-Nothilfe bitten wie kürzlich in Katar, sondern kann das ganz große Rad der Umgestaltung unserer Welt drehen.

Denn wer Habeck kennt, den wird es nicht wundern, dass der Mann überzeugt ist, etwas wuppen zu können, auch hier in der politisch verminten Region.

Habeck stößt auf Hindernisse

Habeck sieht auf diesem Trip im Nahen Osten vor allem einen Brennpunkt der Klimakrise. Drastische Erhitzung, Wassermangel und ein viel zu hoher CO2-Ausstoß. Er will versuchen, mit Klimaschutz den politischen Konflikt zwischen Israel und den Arabern ein wenig zu entschärfen. Das verleiht seinem Besuch eine gewisse Fallhöhe. Funktioniert die Methode Habeck im Nahen Osten, beim vertracktesten aller Konflikte?

In Habecks Welt ist immerhin vieles möglich, wenn man das Notwendige tut, sich dabei halbwegs clever anstellt und dann noch packend darüber sprechen kann. Doch im Nahen Osten stößt Habeck mitunter auf Hindernisse.

Als er in Ramallah den Premierminister der Palästinenser, Mohammed Schtajjeh, besucht, sprechen die beiden erst eine gute Stunde miteinander und dann mit der Presse. Es werden Höflichkeiten ausgetauscht, auch kritische Punkte. So weit, so gewöhnlich. Man ist eigentlich schon am Ende, doch dann will Habeck doch noch "zwei Minuten etwas sagen".

Ein Appell und eine trockene Antwort

Es folgt eine typische Habeck-Betrachtung – dieses Mal angewandt auf den Nahost-Konflikt, in dem sich in den vergangenen Wochen die Gewalt wieder hochgeschaukelt und auf beiden Seiten Dutzende Tote gefordert hat. Auf Englisch sagt er, man dürfe nicht immer nur auf die Gegenseite zeigen. Das gelte für die Israelis, aber auch für die Palästinenser. "Bitte verstehen Sie, dass die Verluste, Gefühle und Emotionen auch auf der anderen Seite existieren."

Es ist ein Appell, auch vor der eigenen Haustür zu kehren. Hat man schon öfter von ihm gehört, weit weg in Deutschland, aber nicht hier in Nahost. Premier Schtajjeh lässt den Deutschen nicht aus dem Blick, während der seinen Zwei-Minuten-Appell vorträgt. Dann, als Habeck fertig ist, sagt der Premier trocken: "Vielen Dank. Wie Sie wissen, lebt das palästinensische Volk unter Besatzung, und das spricht wirklich für sich." Punkt.

Der Habeck-Ansatz, mit Emotion und Empathie Probleme zu betrachten und über Politik gern auch etwas zerknirscht zu sprechen, läuft an diesem Nachmittag in Ramallah ins Leere.

Ein No-Brainer, findet zumindest Habeck

Die Logik, mit der Habeck die Politik und die Welt betrachtet, konkurriert hier mit ganz anderen Logiken, um es freundlich auszudrücken. Das merkte er bereits zum Auftakt seiner Reise in Israel und er wird es im Laufe der Reise noch öfter feststellen.

Für den grünen Vizekanzler gehört das alles freilich zusammen. Klima, Erneuerbare Energien, Sicherheit, Stabilität in der Region. Am Mittwoch in Jordanien spricht er auf einer deutsch-jordanischen Energiekonferenz, der ursprüngliche Anlass dieser Reise. Hier sollen Partnerschaften für die erneuerbaren Energien geschlossen werden.

Vor den ersten Absolventen der Deutschen Energieakademie in Jordanien macht er seinen Punkt besonders deutlich: Ihr im Nahen Osten seid unter den größten CO2-Emittenten und zugleich werdet ihr mit am meisten unter dem Klimawandel leiden. Deshalb müsse man einfach aus fossiler Energie aussteigen. Ein No-Brainer, zumindest aus Habecks Sicht.

Die Politik kommt ihm in die Quere

Er setzt auf Solarprojekte, aus denen dann auch bald grüner Wasserstoff gewonnen wird. Mit jedem Monat hoher Gaspreise setze sich die Zukunftstechnologie mehr durch. Man brauche die Politik kaum noch, sagt er im Konferenzzentrum am Toten Meer. "Was bisher eine politische Forderung war, wird jetzt zu einem Business Case", sagt er.

Doch die Politik ist im Nahen Osten niemals aus dem Spiel. Auch bei einem Projekt, das der deutsche Besucher auf der Reise zu mehreren Gelegenheiten als Modell erwähnt.

Vereinfacht gesagt geht es dabei darum, dass mit Milliardeninvestitionen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in Jordanien und den palästinensischen Gebieten Solarparks entstehen, die Strom nach Israel schicken, welches damit Entsalzungsanlagen betreibt, um aus Meerwasser Trinkwasser zu gewinnen und dieses dann in die Gegenrichtung zu schicken. Ein sogenannter Green Blue Deal.

Probleme bei Habecks Modellprojekt

Der Besuch bei der ideengebenden Nichtregierungsorganisation Eco Peace Middle East in der Palästinenserhauptstadt Ramallah zeigt aber, wie schwierig das ist. Die Palästinenser selbst sind schon einmal gar nicht an Bord. Es ist im Westjordanland extrem schwierig, von Israel eine Erlaubnis zur Nutzung von Flächen zu erhalten.

Und so stellt sich nach wenigen Fragen heraus, dass es weder einen konkreten Zeitplan noch einen klaren Umfang für Habecks Modellprojekt gibt. Unklar, wie so vieles in dieser schwierigen Lage in Nahost.

Habeck wäre nicht der erste westliche Politiker, dessen Ideen für den Nahen Osten an der vertrackten Realität vor Ort scheitern. Soweit ist es nach dieser ersten Reise in die Region sicher nicht. Doch die Hürden sind jedenfalls nicht zu übersehen.

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Und so betont er bei der Energiekonferenz, bei der übrigens keine Vertreter Israels zugegen sind, schließlich neben den Ideen für die regionale Zusammenarbeit doch verstärkt Kooperationen mit Europa und Deutschland. Wenn Länder wie Jordanien grünen Strom und Wasserstoff nach Europa liefern könnten, mittels neuer Kabelverbindungen etwa, "dann freue ich mich darüber sehr", sagt Habeck. "Es gibt eine Riesennachfrage in Deutschland."

Vielleicht ist doch das der Ansatz, der schneller umzusetzen ist, als Habecks Idee von der Energiewende als Friedensbringer im Nahen Osten.

Verwendete Quellen
  • Begleitung von Robert Habeck in Israel, den Pälastinensergebieten und in Jordanien
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