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Prozess: Sechseinhalb Jahre Haft für IS-Rückkehrerin


Prozess
Sechseinhalb Jahre Haft für IS-Rückkehrerin

Von dpa
24.03.2022Lesedauer: 3 Min.
Die Angeklagte (vorne, 2.Vergrößern des Bildes
Die Angeklagte (vorne, 2.v.l.) zu Beginn des Prozesses am 13. Januar 2022. (Quelle: Marcus Brandt/dpa Pool/dpa./dpa)

Hamburg (dpa) - Die Verbrechen des Islamischen Staates (IS) sind längst bekannt, als eine Bad Oldesloerin im Sommer 2016 mit ihrem 14-jährigen Sohn in das Gebiet der Terrormiliz in Syrien reist.

Die Deutsche teilt die islamistischen Ansichten ihres zehn Jahre älteren Mannes, der sich bereits dem IS angeschlossen hat. Die Mutter lässt es zu, dass auch ihr Sohn zum Kämpfer ausgebildet wird. Im Februar 2018 stirbt er bei einem Bombenangriff. Am Donnerstag hat der Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg die Frau nun zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Kriegsverbrechen, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und fahrlässiger Tötung.

Im Alter von 15 Jahren hatte die Angeklagte ihren aus den Palästinensergebieten stammenden Mann kennen gelernt und ihn nach der Geburt eines gemeinsamen Sohnes geheiratet, wie der Vorsitzende Richter, Norbert Sakuth, erklärte. Der Imbiss-Laden der Familie in Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein sei 2013 pleitegegangen. Danach habe sich der Mann radikalisiert. Im Ramadan 2015 sei er wie immer im Fastenmonat in eine Lübecker Moschee gezogen. Kurze Zeit später reiste er dann zum IS nach Syrien aus. Seine Frau war verzweifelt und wollte ihm folgen.

Obwohl der Verfassungsschutz versuchte, sie aufzuhalten, habe sie Möbel und Auto verkauft und mit einer gefälschten Unterschrift ihres Mannes einen Pass für ihren jüngeren, 2002 geborenen Sohn beantragt. Einen Tag vor dessen 14. Geburtstag flog sie mit ihm in die Türkei.

Anschläge von Paris 2015 gerechtfertigt

Der Junge habe sich auf das Wiedersehen mit seinem Vater gefreut und die Tragweite der Entscheidung gar nicht verstanden, sagte Richter Sakuth. Der Mutter sei dagegen durchaus klar gewesen, dass Jugendliche vom IS in Kampfgruppen eingegliedert werden. Sie habe jedoch die radikal-islamische Ideologie der Terrororganisation geteilt. Ihrer Schwester gegenüber habe sie die Attentate vom November 2015 in Paris, bei denen Islamisten 130 Menschen erschossen, gerechtfertigt. Für die Tötung von Ungläubigen kämen die Attentäter in den Himmel.

Mit Hilfe von Schleusern gelangten Mutter und Sohn in die nordwestsyrische Provinz Idlib. Die islamistische Miliz Jund al-Aqsa nahm den Jungen als Rekruten auf und brachte die Angeklagte in ein "Frauenhaus", wie Sakuth weiter erklärte. Der 14-Jährige erhielt eine Waffenausbildung und wurde unter anderem an Checkpoints der Miliz eingesetzt. Er habe einen Beschuss durch einen Hubschrauber und eine Gefangennahme überlebt. Einmal entging er nur ganz knapp einem Anschlag.

Erst im Dezember 2016 habe die Angeklagte in die IS-Hochburg Rakka weiterreisen können und ihren Mann getroffen. 2017 sei der Sohn gefolgt und habe gleich eine neue ideologische und militärische Schulung beim IS begonnen. Mit der Überlassung des Jungen an die Terrormiliz habe die Angeklagte ein Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch begangen, erklärte Sakuth.

In der Zeit sei auch ihr älterer Sohn in Deutschland aus der Haft freigekommen. Die Mutter habe ihn aufgefordert, ebenfalls nach Syrien auszureisen und möglichst viel Geld mitzubringen. Doch dazu sei es nicht gekommen. Der junge Mann wollte zwar ohne Pass ein Flugzeug in Richtung Griechenland nehmen, habe aber noch vor dem Start der Maschine gesundheitliche Probleme bekommen.

In Rakka habe die Angeklagte ihrem Mann, der als Funktionär für den IS tätig war, den Haushalt geführt. Als der IS militärisch unter Druck geriet, sei die Familie mit der Terrormiliz in Richtung irakischer Grenze geflohen. In einem Dorf am Euphrat sei der Junge am 23. Februar 2018 bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Die Mutter habe daraufhin von einem Märtyrertod gesprochen und gesagt, dass das der Traum ihres Sohnes gewesen sei.

Die Verteidigung hatte erklärt, damit habe die Angeklagte sich selbst trösten wollen. Sie habe glauben wollen, dass ihr Kind nun an einem besseren Ort sei - das sah der Staatsschutzsenat aber anders. Nach zwei Jahren in einem kurdischen Gefangenenlager und einem Jahr Untersuchungshaft in Deutschland habe sich die Angeklagte noch immer nicht vom Islamismus distanziert. "Sie leugnet, je radikal gewesen zu sein", sagte der Richter. Mildernd rechnete das Gericht der 44-Jährigen an, dass sie unter dem Tod ihres Sohnes leide und die fahrlässige Tötung eingeräumt habe. Die Angeklagte nahm das Urteil ohne erkennbare Regung entgegen.

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