Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet. Corona-Beschlüsse Das wurde aber auch Zeit!
Das Ergebnis des Corona-Gipfels markiert einen Paradigmenwechsel und beweist, dass es
Bundeskanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten haben im Kampf gegen das Coronavirus das Werkzeug gewechselt. Obwohl die Fallzahlen drastisch steigen, bedienen sie sich nicht mehr des Vorschlaghammers – wie so oft in der Vergangenheit. Nun kommt vielmehr ein Hämmerchen zum Einsatz, der das Virus zielgerichtet bekämpft, den Menschen aber keine allgemeinen Schmerzen mehr zufügt.
Unter anderem mehr Corona-Tests soll es geben. So wie es Experten seit Langem fordern, um die Dunkelziffer zu reduzieren.
Auch sollen häufiger FFP-Masken getragen werden, etwa in der Bahn, weil sie eben besser schützen als medizinische Masken.
Die Schwarzmaler werden sich melden
Und wer ins Restaurant will, muss geboostert oder zweifach geimpft bzw. genesen und getestet sein, weil dort das Ansteckungsrisiko tendenziell höher ist.
Es ist absehbar, dass viele Kritiker nach dieser Ministerpräsidentenkonferenz tun werden, was sie eigentlich immer getan haben: schwarzmalen. Schlimm, schlimm, das reicht alles nicht, die Politik wird der Größe der Herausforderungen nicht gerecht. Und so weiter.
Doch wer derlei behauptet, täuscht sich. Denn die Beschlüsse vom Freitag sind absolut angemessen. Schließlich geht ihre Wirkung über das, was auf ein paar DIN-A4-Seiten zusammengetragen wurde, hinaus: Die deutsche Politik hat sich endgültig vom Panikmodus verabschiedet und vollzieht einen Paradigmenwechsel. Der war längst überfällig. Aber gerade bei einer Jahrhundertkrise sollte gelten: lieber spät als nie.
Deutschland geht künftig einen pragmatischeren Weg – wie ihn viele andere Länder schon länger beschreiten. Und das sei den Kritikern an dieser Stelle auch gesagt: Auf einen Lockdown zu verzichten, heißt eben nicht Laisser-faire.
Wir sind strenger als China
Denn unter anderem die Kontaktbeschränkungen aus dem Dezember, die bereits wegen Omikron beschlossen wurden, bleiben ja bestehen. Und glaubt man dem "Covid 19 Government Reponse Tracker" der Universität Oxford, der die allgemeinen Eindämmungsmaßnahmen in den einzelnen Staaten miteinander vergleicht, haben wir bereits die zweithärtesten Corona-Regeln der Welt. Wir sind strenger als China! Wer also findet: Was Deutschland jetzt macht, reicht nicht, müsste fast überall auf der Welt noch deutlich mehr Überzeugungsarbeit leisten.
Vermutlich erfolglos. Denn längst hat sich weltweit die Erkenntnis durchgesetzt, dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Konkret bedeutet das: Jede und jeder wird sich früher oder später anstecken. Das Beste ist, auf diesen Fall optimal vorbereitet zu sein – mit einer Impfung. Auf absehbare Zeit wird es keine medizinische Lösung geben, die besser wirkt.
Wozu aber schärfere Corona-Regeln oder noch schlimmer: neuerliche Ausgangsbeschränkungen, wenn wir mit der Booster-Impfung ein Mittel haben, das wirksam einen schweren Krankheitsverlauf auch bei Omikron verhindern kann? Die Strategie darf deshalb nicht lauten "Alles dichtmachen!", sondern es muss die Parole gelten: "Alle boostern!"
Zumal nach fast zwei Jahren Pandemie die meisten Menschen coronamüde sind. Die Sehnsucht nach einem weitestgehend normalen Leben wird sich immer stärker durchsetzen – egal, wie hart die Regeln sind. Strengere Maßnahmen würden deshalb vor allem zu mehr Verstößen führen, aber vermutlich nicht zu einem signifikant anderen Verhalten.
Das Unverständnis über eine neuerliche Regelwut wäre noch aus einem anderen Grund groß. Auch am Ende der ersten Januarwoche hat sich der Nebel bei den Fallzahlen, den wir nach Feiertagen bereits gewöhnt sind, noch immer nicht gelichtet. Belastbare Zahlen wird es aller Voraussicht nach erst wieder Mitte des Monats geben. Ohne eine verlässliche Basis wären schärfere Regeln aber schon gar nicht vermittelbar.
Zumal ausgerechnet jene Zahl seit Wochen sinkt, die in dieser Pandemie seit jeher die verlässlichste ist: die Zahl der Corona-Intensivpatienten.