Inventur im Gesundheitsministerium Lauterbach: "Impfstoff reicht nicht für Boosterkampagne"
In seinem neuen Amt als Gesundheitsminister hat sich Karl Lauterbach zunächst einen Überblick über den Bestand an Corona-Impfstoff verschafft. Das Ergebnis habe ihn selbst überrascht.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bestätigt, dass im ersten Quartal 2022 ein Mangel an Corona-Impfstoff droht. "In der Tat, wir haben zu wenig Impfstoff. Das hat viele überrascht – mich auch", sagte Lauterbach in den ARD-"Tagesthemen". Lauterbach hatte vergangene Woche angekündigt, sich einen Überblick über die vorrätigen Impfstoff-Mengen zu verschaffen. Das Ergebnis dieser Inventur ist nun, dass die Reserven und Bestellungen für Januar bis März nicht ausreichen.
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Er arbeite bereits an einer Lösung und hoffe, in den kommenden Tagen eine positive Botschaft übermitteln zu können, sagte Lauterbach in der ARD. "Das läuft über alle Kanäle, die zur Verfügung stehen, wir können hier nichts auslassen. Ich nutze auch die Kanäle, die wir direkt zu den Unternehmen haben, aber es muss alles EU-konform funktionieren", erläuterte der Minister. "Wir müssen hier Geschwindigkeit gewinnen, von daher bin ich auf mehreren Ebenen hier unterwegs, schon seit dem Wochenende."
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Versäumnis von Jens Spahn?
Auf die Frage im ZDF-"heute journal", ob der Mangel auf ein Versäumnis des Lauterbach-Vorgängers Jens Spahn (CDU) zurückzuführen sei, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), es sei jetzt nicht die Frage, wo was bestellt worden sei. "Sondern die Frage ist, wie können wir noch mehr beschaffen."
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprach von einem fatalen Signal an alle, die mit vollem Einsatz die Pandemie bekämpften. "Wir haben in Deutschland gerade Rekordtempo beim Impfen in den Praxen erreicht, da kommt diese Nachricht", sagte Gassen "Bild". "Es ist niemandem zu erklären, dass im Land der Impfstoffentwicklung zu wenig Impfstoff gekauft wurde."
Lauterbach erwartet bald Expertenrat zu Omikron
Laut "Spiegel" hatte Lauterbach schon am Dienstagnachmittag in einer Sitzung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern gesagt, dass von der Vorgängerregierung zu wenig Impfstoff beschafft worden sei. "Die Mengen reichen nicht, um die Booster-Impfkampagne zu fahren", wurde der Minister zitiert. Dies gelte für das gesamte erste Quartal. Im Januar würden nur rund 1,2 Millionen Impfdosen von Biontech für Boosterimpfungen zur Verfügung stehen, hieß es. Dies sei etwa ein Sechstel der vorherigen Menge.
Mit Blick auf die hochansteckende Omikron-Variante des Coronavirus will Lauterbach nach eigenen Angaben Empfehlungen des neuen Expertenrats der Bundesregierung abwarten. Weitergehende Kontaktbeschränkungen noch vor Weihnachten schloss der Gesundheitsminister nicht aus: "Ich hoffe, dass das nicht nötig sein wird, ich kann aber nicht darüber spekulieren. Ich möchte einfach dem Expertenrat nicht vorgreifen".
Der Expertenrat war am Dienstag erstmals zusammengekommen und will noch vor Weihnachten eine erste Stellungnahme zur Omikron-Variante vorlegen. "Das wissenschaftlich Abgesicherte wird eine viel größere Rolle für die Bundesregierung und für mich spielen als in der Vergangenheit", führte Lauterbach aus. "Wenn die Empfehlungen so wären, dass man radikale Schritte empfiehlt, dann würden wir die auf jeden Fall in Erwägung ziehen."
Die Regierung treibt in der Pandemiebekämpfung als zentralen Baustein eine große Impfkampagne voran. Dies liegt neben der massiven vierten Welle auch an der sich ausbreitenden, hochinfektiösen Omikron-Variante. Lauterbach hatte nach seinem Amtsantritt angekündigt, sich einen Überblick über die vorrätigen Impfstoffmengen zu verschaffen.
Erleichterungen beim Testen für Dreifach-Geimpfte
Ein Wegfall von Extra-Tests für Dreifach-Geimpfte bei Zugangsregeln nach dem Modell 2G plus soll für zusätzliche Impfanreize sorgen. Auf diese Maßnahme hatten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Dienstagabend verständigt. Die Erleichterungen sollen aber spätestens nach zwei Monaten überprüft werden, wie der GMK-Vorsitzende Holetschek nach den Beratungen sagte. In medizinischen und Pflegeeinrichtungen soll zum Schutz der dort besonders verwundbaren Menschen weiter auch von Geboosterten ein Test verlangt werden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte dies. "So kann das Virus gestoppt werden, bevor es unbemerkt in die Einrichtung kommt", sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Nur leider übernähmen die Gesundheitsminister nicht die Verantwortung für die Organisation vor Ort. So laufe es wie im vergangenen Jahr. "Niemand da, der es macht", kritisierte Brysch.
An Test-Erleichterungen für dreifach Geimpfte war zuvor Kritik laut geworden. Manche Experten hielten diesen Schritt für verfrüht. Lauterbach rechtfertigte ihn jedoch. "Der Verzicht auf die Testung von Geboosterten macht epidemiologisch Sinn", sagte er noch vor der Bund-Länder-Runde der Gesundheitsminister. Mit einer Auffrischungsimpfung habe man nur noch ein geringes Risiko, sich zu infizieren – und ein noch geringeres, dass man für andere ansteckend sei.
Lauterbach: Booster ist das wichtigste Instrument gegen Omikron
Konkret geht es um Corona-Regeln nach dem Modell 2G plus – also wenn bei Zugang nur für Geimpfte und Genesene (2G) zusätzlich ein Test verlangt wird. 2G gilt nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen etwa für Gaststätten, Freizeit- und Kultureinrichtungen; ergänzend können auch noch 2G-plus-Vorgaben dazu kommen. Holetschek erläuterte, dass eine Befreiung 15 Tage nach der Boosterimpfung greifen könne.
Lauterbach sagte in der ARD, wenn Omikron in Deutschland Fuß fassen würde, müsse man an den Beschluss erneut heran. Daher sei er auf zwei Monate begrenzt. Für die jetzige Delta-Welle gebe es nun aber mehr Anreize für Boosterimpfungen – und die seien das wichtigste Instrument, eine Omikron-Welle zu bekämpfen. Die verstärkende dritte Spritze soll in der Regel fünf bis sechs Monate nach einer vollständigen Grundimmunisierung gegeben werden.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP