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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verwirrung um neue Regel Impfnachweis soll nur begrenzt gültig sein – was das jetzt bedeutet
Der künftige Kanzler Olaf Scholz will die Gültigkeit des Impfzertifikats auf ein halbes Jahr begrenzen. Müssen nun in Kürze Millionen doppelt Geimpfte bei 2G doch draußen bleiben? Eher nicht. Das steckt hinter den Plänen.
"Weil der Schutz der Impfung über die Zeit deutlich nachlässt, wird der Impfstatus perspektivisch nach sechs Monaten seine Anerkennung als vollständiger Impfschutz verlieren." Um dann weiterhin als vollständig geimpft zu gelten, müssten sich doppelt geimpfte Menschen nach einer Übergangsfrist boostern lassen.
Diese Aussagen des designierten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) sorgten am Dienstag bei vielen Bürgerinnen und Bürgern für Verunsicherung. Die drängende Frage: Läuft mein Impfzertifikat bald schon aus, womöglich schneller, als es Termine für eine Auffrischung gibt?
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist konkret geplant?
Bei Scholz' Vorhaben ist ein Wort von großer Bedeutung: perspektivisch. Dass die Regel überstürzt schon in den nächsten Tagen eingeführt wird, ist ausgeschlossen. Der Corona-Gipfel mit den Ministerpräsidenten der Länder an diesem Donnerstag könnte aber mehr Klarheit über die Details bringen.
Scholz deutete bereits an, dass es auch nach Einführung der neuen Gültigkeitsdauer noch eine Übergangszeit geben soll. In einer ersten Beschlussvorlage dazu, über die zuerst RTL berichtete, heißt es: "In einer Übergangszeit bis Ende Januar/Februar wird der Impfstatus nach der zweiten Impfung seine Gültigkeit für sieben/acht/neun Monate behalten." Die Details sind also noch offen, es soll aber verhindert werden, dass doppelt Geimpfte plötzlich ihre 2G-Berechtigung verlieren.
Konkret bedeutet das: Wenn ein Bürger seine zweite Impfung etwa Anfang Juli bekommen hat, ist die Sechsmonatsfrist Anfang Januar abgelaufen. Mit der geplanten Übergangsfrist soll er aber bis Februar, März oder gar April Zeit bekommen. Das muss politisch noch ausgehandelt werden.
Hierbei könnte auch die Abstimmung mit der Europäischen Union noch wichtig werden. Dort werde über eine Gültigkeitsdauer von neun Monaten diskutiert, berichtete Scholz im ZDF-"heute journal". "Ich glaube, das ist etwas, wo wir uns einklinken sollten", so Scholz. Es sei nicht getan mit der zweiten Impfung, sondern es müsse irgendwann die nächste kommen. Wissenschaftler sagten, dass es nach sechs Monaten "dringend erforderlich" sei, eine neue Impfung zu bekommen.
Entsprechend steht in der Beschlussvorlage für die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag, die t-online vorliegt: "Bund und Länder werden sich unter Berücksichtigung der Impfkampagne und der zur Verfügung stehenden Impfstoffe bis zum Jahresende verständigen, ab wann und wie eine entsprechende Regelung in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden soll."
Wie machen es andere Länder?
In drei Ländern sind vergleichbare Regelungen bereits geplant oder gelten sogar schon. In Griechenland etwa müssen sich alle Menschen über 60 die Auffrischungsimpfung spätestes sieben Monate nach der vorherigen Dosis verabreichen lassen – sonst verfallen ihre Impfzertifikate.
In Frankreich müssen Menschen ab 65 ab Mitte Dezember eine Auffrischungsimpfung im Impfpass haben, um als geimpft zu gelten. "Machen Sie jetzt einen Termin", mahnte Präsident Emmanuel Macron.
In Österreich sind Impfzertifikate nicht mehr ein Jahr lang, sondern nur noch neun Monate nach der zweiten Impfung gültig. Mitte November beschloss die Alpenrepublik zudem die generelle Impfpflicht als eines der ersten Länder weltweit.
Dass die drei EU-Länder mit diesen Maßnahmen vorgeprescht sind, dürfte auch die EU-Kommission freuen. Die will die Gültigkeit von Corona-Impfpässen auf neun Monate begrenzen. Dieser Zeitraum berücksichtige die Leitlinien des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zur Auffrischungsdosis nach sechs Monaten und lasse einen zusätzlichen Zeitraum von drei Monaten, um den einzelnen Ländern Zeit zur Anpassung der Impfkampagnen zu geben, sagte Justizkommissar Didier Reynders im November.
Was sagen Experten?
Der Vorstoß der Politik ist eine logische Folge aus den aktuellen medizinischen Empfehlungen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät grundsätzlich allen Personen ab 18 Jahren zu einer Auffrischungsimpfung. Der Booster soll bei den Vakzinen von Astrazeneca, Moderna und Biontech in der Regel im Abstand von etwa sechs Monaten zur Zweitimpfung erfolgen. Eine Verkürzung des Impfabstandes auf fünf Monate kann im Einzelfall oder, wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind, erwogen werden.
Vorrang haben zunächst ältere Menschen, medizinisches Personal oder andere vulnerable Gruppen. Ausnahmen gelten für diejenigen, die mit Johnson & Johnson geimpft wurden. Sie sollten die Booster-Impfung bereits vier Wochen nach der ersten Impfung erhalten.
Dass der Impfstatus bereits nach sechs Monaten ablaufen könnte, befürwortet Thomas Schulz, Leiter des Instituts für Virologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. "Bei anderen Impfungen – etwa gegen Hepatitis B – wissen wir, dass der vollständige Impfschutz nur mit drei Impfungen zu erreichen ist", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Allerdings sollte dies nur für Zweitgeimpfte gelten. Für Menschen, die bereits ihre Auffrischungsimpfung erhalten haben, sollte der Impfstatus "sehr viel länger" gültig sein. Eine allgemeine Regel dafür zu finden sei jedoch schwierig, da bisher nur wenig Daten für die Dauer des Schutzes nach einer dritten Impfung vorlägen.
Gibt es dafür überhaupt genug Impfstoff?
Der designierte Bundeskanzler Scholz will bis Jahresende bis zu 30 Millionen Menschen impfen lassen – mit Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen. Sollte die Gültigkeit des Impfzertifikats verkürzt werden, dürfte die aktuell ohnehin hohe Nachfrage noch einmal steigen.
Bislang haben in Deutschland 10,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Auffrischungsimpfung erhalten. 71,4 Prozent der Bevölkerung sind mindestens einmal geimpft (Stand: 1. Dezember 2021). Der Bedarf in den kommenden Wochen dürfte also riesig werden.
Laut Bundesgesundheitsministerium ist zumindest ausreichend Impfstoff verfügbar. Aktuell würden bis einschließlich nächster Woche 28 Millionen Dosen ausgeliefert, sagte ein Sprecher am Mittwoch in Berlin. Eine Knappheit sei nicht zu sehen.
Aus einigen Regionen waren jedoch Klagen von Impfstellen laut geworden. Der hessische Hausärzteverband kritisierte, dass ausgerechnet jetzt nicht genug Impfstoff in den Praxen ankomme, sei "eine vollständige Katastrophe". Experten halten die angepeilten 30 Millionen zusätzlichen Impfungen bis Weihnachten zudem für sehr ehrgeizig. "Das ist logistisch schwer umzusetzen, da etwa 1,5 Millionen Impfungen am Tag verabreicht werden müssten", sagte Virologe Schulz von der Medizinischen Hochschule Hannover.
Am Dienstag wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 807.000 Impfdosen in Deutschland verabreicht, 657.000 davon waren Auffrischungsimpfungen. Rekordtag war der 9. Juni mit insgesamt 1,4 Millionen Dosen. Dass täglich künftig 1,5 Millionen Dosen verspritzt werden, wäre also eine Kraftanstrengung neuer Dimension.
"Ich habe nicht den Eindruck, dass die Ärzte den Impfstoff nicht an den Mann bekommen, sondern dass es vielmehr Probleme bei der Verteilung des Impfstoffs gibt", sagte Schulz. Der Epidemiologe Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen, sagte dem RND, er habe auch wegen eines möglichen Impfstoffmangels Zweifel an der Umsetzung des Ziels, "aber auch ein knappes Scheitern wäre schon etwas".
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Übergangsfrist so gestaltet wird, dass jeder aktuell doppelt Geimpfte eine realistische Chance auf einen Booster-Termin erhält, bevor die Gültigkeit seines Impfzertifikats abläuft.
Geht das technisch?
Auf technischer Ebene könnte das digitale Impfzertifikat jedenfalls angepasst werden. "Die Corona-Warn-App bietet die technischen Möglichkeiten, Impfzertifikate nach einer gewissen Zeit für ungültig zu erklären. Genaue technische Voraussetzungen und Gegebenheiten sind zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht geklärt", sagte ein Sprecher t-online. Bislang ist das Zertifikat in der App zwölf Monate lang gültig.
Fazit
Für doppelt geimpfte Bürgerinnen und Bürger gilt also zunächst: keine Panik. Das Impfzertifikat wird nicht plötzlich auslaufen. Dennoch sollte rechtzeitig ein Termin für die Booster-Impfung vereinbart werden.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa
- Impfdashboard des Robert Koch-Instituts
- Bundesministerium für Gesundheit: Auffrischungsimpfungen
- ZDF-"heute journal" vom 30. November 2021
- RND: 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten? Experten zweifeln an Umsetzbarkeit
- Bild: Impfpflicht für alle ab März!
- Tagesschau: Die Führung ist da!
- RTL: Impfstatus soll "perspektivisch" nur noch sechs Monate gültig sein