Zweiter Anruf geplant Kritik an Telefonat zwischen Merkel und Lukaschenko
Die Situation an der belarussisch-polnischen Grenze ist weiter angespannt. Kanzlerin Merkel hatte mit Machthaber Lukaschenko gesprochen. Dafür wird sie kritisiert. Ein zweiter Anruf ist dennoch geplant.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf für ihr Telefonat mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko kritisiert. Er finde es "verheerend, dass Frau Merkel mit ihm telefoniert hat", sagte Nouripour am Dienstag im "Deutschlandfunk".
Merkel hatte angesichts der immer größer werdenden Not von mehreren Tausend Migranten an der EU-Außengrenze zwischen Polen und Belarus mit Lukaschenko telefoniert. Es sei bei dem Telefonat um "die schwierige Situation an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union" gegangen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montagabend mit. Nach Angaben von Seibert haben Merkel und Lukaschenko weitere Gespräche vereinbart. Es war das erste Mal seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August vergangenen Jahres in Belarus, dass Merkel mit Lukaschenko sprach.
Nouripour sagte: "Es gibt eine sehr klare Politik, verabredet im Europäischen Rat, dass Lukaschenko nicht anerkannt ist, nicht der legitime Präsident ist von Belarus – und das hat Frau Merkel gestern damit komplett konterkariert." Mit dem Telefonat habe Merkel einen Beitrag dazu geleistet, dass die Wahl Lukaschenkos anerkannt und legitimiert werde, so der Vorwurf Nouripours. "Die paar Leute, die jetzt in der Kälte stehen, die sind nicht das Problem. Das Problem ist der Erpressungsversuch."
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht den Vorwurf als nicht gerechtfertigt. Er hat das Telefonat von Kanzlerin Merkel mit Lukaschenko verteidigt. Es sei "notwendig, gerade auch in Krisenzeiten die Gesprächsdiplomatie zu suchen", sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Er gehe ohne es zu wissen davon aus, dass Merkel "Lukaschenko auch klar die möglichen Konsequenzen seines Handelns in diesem Telefongespräch aufgezeigt hat". Dies sei der Sinn eines solches Gesprächs.
"Jeder Mensch hat das Anrecht einen Asylantrag zu stellen"
Nouripour forderte auf der einen Seite, die betroffenen EU-Länder wie Polen, Lettland und Litauen zu unterstützen, sie aber auch daran zu erinnern, was geltendes EU-Recht sei und dass illegale Pushbacks nicht hinzunehmen seien. Gleichzeitig müsse den Geflüchteten im Grenzgebiet geholfen werden. "Das bedeutet, dass jeder Mensch das Anrecht hat einen Asylantrag zu stellen."
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko will jedoch ein zweites Mal mit Merkel über das Schicksal der Flüchtlinge an der Grenze zu Polen sprechen. Das meldete die amtliche belarussische Nachrichtenagentur Belta am Dienstag. Lukaschenko sagte demnach, er habe Merkel einen Vorschlag zur Lösung der Krise unterbreitet. Diesen habe die Kanzlerin mit europäischen Partnern erörtern wollen. Merkel und Lukaschenko hatten bereits am Montag gesprochen. Nach dem Gespräch erklärte die Bundesregierung am Abend, die beiden hätten sich über die schwierige Situation in der Region und über die Möglichkeit humanitärer Hilfe ausgetauscht. Man habe vereinbart, den Austausch fortzusetzen.
Es war der erste Kontakt mit einer westlichen Regierung, seit Lukaschenko im August 2020 den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in Belarus für sich reklamiert hatte. In den vergangenen Wochen sind Tausende Migranten aus Krisengebieten in Nahost und Afrika nach Belarus gereist, um von dort in die EU zu gelangen. Sie sitzen nun an der Grenze zu Polen und Litauen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt fest. Bislang sind mindestens acht Menschen gestorben.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters