SPD-Chef warnt vor "Panikmache" Sorge wegen steigender Preise – Verdi fordert mehr Lohn
Verbraucherschützer schlagen Alarm – und fordern wegen der steigenden Gaspreise mehr Wohngeld. Verdi will dagegen höhere Löhne. Der SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warnt davor, die Bevölkerung zu verunsichern.
Angesichts der hohen Inflationsrate will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in den kommenden Tarifverhandlungen "deutlich spürbare Reallohnsteigerungen" erreichen. Diese seien notwendig, damit die Beschäftigten und ihre Familien den Preisanstieg auffangen könnten, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Da die Preissprünge etwa für Lebensmittel, Energie und Benzin insbesondere Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen betreffen, beinhalten unsere Tarifforderungen Mindestbeträge, die die Lohnsteigerungen für diese Beschäftigten überdurchschnittlich wirken lassen", stellte Werneke heraus.
Die Verbraucherpreise in Deutschland stiegen im September verglichen mit dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent. Gründe dafür waren vor allem höhere Energiekosten und die nach einer Senkung wieder angehobene Mehrwertsteuer.
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Walter-Borjans spricht von "Panikmache"
Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans warnte unterdessen vor Panikmache. "Wenn mit der Verunsicherung Panikmache betrieben wird, ist das schlicht verantwortungslos", sagte Walter-Borjans dem RND. Vor einem Jahr seien die Energiepreise durch Corona sehr stark gesunken, jetzt wirke der Anstieg umso steiler – "löst zusammen mit der ausgelaufenen Mehrwertsteuersenkung verständlicherweise eine große Verunsicherung aus, auch wenn die durchschnittliche Preissteigerung wesentlich geringer ist", betonte Walter-Borjans, der in dem Zusammenhang von einer "Zickzackbewegung" spricht. Dennoch nehme er die Sorgen vor allem über steigende Gaspreise sehr ernst.
Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, widersprach dem SPD-Politiker. "Die Gefahr einer anhaltend hohen Inflation von deutlich über zwei Prozent ist hoch. Das trifft die Haushalte in Deutschland mit voller Wucht", sagte Linnemann dem RND. Bei niedrigen Zinsen sei dies "eine kalte Enteignung der Sparer."
Verbraucherschützer wollen Aufschlag beim Wohngeld
Verbraucherschützer forderten unterdessen angesichts der deutlich steigenden Gaspreise Hilfen für einkommensschwache Haushalte. "Steigende Preise sollte man abfedern, indem das Wohngeld für Haushalte mit niedrigem Einkommen aufgestockt wird", sagte Thomas Engelke vom Dachverband Verbraucherzentrale Bundesverband der "Welt". "Im Fall von Haushalten, die kein Wohngeld bekommen, muss die Regierung alles tun, dass bei ausbleibenden Zahlungen keine Gassperren verhängt werden und die Menschen im Kalten sitzen."
Der Preisanstieg beim Gas sei "besorgniserregend", sagte Engelke der Zeitung. "Die Großhandelspreise für Gas haben sich in den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht. Es ist auch für Privatkunden im kommenden Jahr mit weiteren, deutlichen Preissteigerungen zu rechnen", prognostiziert er. Besorgniserregend sei auch die Versorgungssicherheit.
"Inwiefern gestiegene Großhandelspreise bei den Endkunden ankommen, ist noch nicht klar", fordert die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden in der "Welt". Die Bundesregierung müsse jetzt bei den Versorgern klären, welche Preisentwicklung ab Januar 2022 zu erwarten seien. "Auf dieser Grundlage kann die Politik schauen, wo es unzumutbare Härten gibt und wo Unterstützung nötig ist."
FDP: halbvolle Gasspeicher sind "politisches Versagen"
Nach Expertenangaben sind die deutschen Gasspeicher derzeit zu 70 Prozent gefüllt – üblich sind vor Beginn der Heizperiode 90 Prozent. Der Energieexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johann Saathoff, beruhigte: "Um Versorgungsengpässe in der Zukunft müssen wir uns keine Sorgen machen. Die Europäische Union ist mit großen Importpipelines verbunden, die die Versorgung gewährleisten." Zudem gebe es eine Vielzahl an Flüssiggas-Terminals, die Erdgas aus der ganzen Welt importieren könnten.
Allerdings zeigen die derzeitigen Lagerbestände laut der FDP eine grundsätzliche Schwachstelle der Gas-Versorgung in Deutschland. Dass die Speicher nicht rechtzeitig gefüllt worden seien, sei "politisches Versagen", sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Neumann, der "Welt". "Wir brauchen klare Strukturen, wer seitens des Staats dafür zuständig ist und über die Versorgungssicherheit wacht."
Die Organisation der Gas-Lagerbestände ist laut dem Blatt nicht staatlich reguliert, sondern Sache der Energieunternehmen. Die Bundesregierung lehne staatliche Eingriffe ab.
- Nachrichtenagenturen afp und dpa