Kanzlerin Merkel hält Impfstoff-Patentfreigabe für "falschen Weg"
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich erneut klar gegen eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe ausgesprochen.
In ihrer voraussichtlich letzten Regierungserklärung in ihrer bald 16-jährigen Amtszeit plädierte sie im Bundestag dafür, die Produktion von Impfstoffen für ärmere Länder über eine verstärkte Lizenzvergabe zu erhöhen. "Eine politisch erwirkte Freigabe der Patente halte ich dagegen für den falschen Weg", sagte die CDU-Politikerin. Die weitere Entwicklung von Impfstoffen werde nur gelingen, wenn der Schutz geistigen Eigentums nicht außer Kraft gesetzt werde.
Die USA hatten die Aussetzung der Patente ins Gespräch gebracht, um die Produktion von Impfstoffen für ärmere Länder zu erhöhen. Neben Deutschland sind auch Großbritannien und die EU-Kommission dagegen.
Kanzlerin spricht von Fehlern bei der Krisenbewältigung
Vor dem am Nachmittag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel der 27 Staats- und Regierungschefs informierte Merkel die Abgeordneten über die Themen und steckte ihren Kurs für das Treffen ab.
Sie räumte im Bundestag Fehler der Europäischen Union bei der Bewältigung der Corona-Pandemie ein und forderte Konsequenzen für künftige Krisen. Im ersten Corona-Schock hätten nationale Anstrengungen das Handeln bestimmt, bevor europäisch abgestimmt vorgegangen worden sei. "Wir wissen heute, dass wir das besser können und das auch in Zukunft besser machen werden", sagte Merkel. Sie forderte, die Handlungsfähigkeit der EU zu stärken bei der Krisenreaktion, im Gesundheitsschutz, beim gemeinsamen Binnenmarkt und den Einreiseregeln.
In der auf die Regierungserklärung folgende Debatte gingen mehrere Redner auf die europapolitische Bilanz der Bundeskanzlerin ein. FDP-Chef Christian Lindner sagte, Merkel habe sich "stets uneigennützig in den Dienst Deutschlands und Europas" gestellt. Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock würdigte die Leistungen der Kanzlerin: "Sehr, sehr viele Menschen in diesem Land sind dankbar dafür, dass Sie in Krisensituationen in den letzten 16 Jahren dieses Europa zusammengehalten haben."
Auch Kritik an Merkels Vermächtnis
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel zog dagegen eine gegenteilige Bilanz von Merkels Kanzlerschaft: Sie habe Fehlentscheidungen getroffen, "die dieses Land tief gespalten und ihm schweren Schaden auf Jahre und Jahrzehnte hinaus zugefügt haben".
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch warf Merkel vor, die EU nicht gestärkt und geeinigt zu haben. "Die Europäische Union, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ist mit dem Ende Ihrer Amtszeit in keinem guten Zustand", sagte er.
Laschet spricht im Bundestag
Eine Premiere nach langer Abstinenz gab es im Bundestag für CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Er hielt in der Aussprache zur Regierungserklärung seine erste Rede im Parlament seit gut 23 Jahren. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ergriff für die Union als Bundesratsmitglied das Wort. Laschet war von 1994 bis 1998 Bundestagsabgeordneter, er hatte zuletzt am 23. April 1998 im Plenum gesprochen.
Der CDU-Politiker warb für Zusammenhalt zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. "Es ist eine Lebenseinstellung: Weder von einem tödlichen Virus noch von antieuropäischer Häme und Skepsis und erst recht nicht von Populisten und Nationalisten lassen wir uns dieses Europa kaputtmachen", sagte Laschet.
Scholz erwartet großen Aufschwung
SPD-Kanzlerkandidat Scholz sieht in der gemeinsamen europäischen Reaktion auf die Corona-Krise die Grundlage für eine zügige wirtschaftliche Erholung. "Alles was dabei rausgekommen ist, ist ein Aufschwung, den wir in Deutschland und Europa haben, ein Aufschwung der wahrscheinlich größer sein wird, als wir ihn heute vorausberechnen können - und das ist das Ergebnis der gemeinsamen Krisenbekämpfung", erklärte der Bundesfinanzminister.
Der Bundestag soll am Donnerstag noch eine Reihe von Gesetzen der großen Koalition beschließen, unter anderem zum Klimaschutz und für einen besseren Schutz von Insekten.