Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit über "Bundesnotbremse" Lindner: "Sollten Sie das beschließen, werden wir in Karlsruhe klagen"
Bei "Maybrit Illner" liefern Vizekanzler Scholz und FDP-Chef Lindner sich einen Schlagabtausch. Lindner kündigt an: Werde im neuen Gesetz etwa eine Ausgangssperre verankert, will seine Partei dagegen vorgehen.
Die Kritik an der geplanten "Bundesnotbremse" hält an. In der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" wurde unter anderem über das Thema Ausgangsbeschränkungen diskutiert. FDP-Chef Christian Lindner kündigte an, seine Partei werde am Bundesverfassungsgericht gegen die geplante Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes vorgehen, sollte das Gesetz etwa eine Ausgangssperre beinhalten und nicht zu Gunsten von Geimpften geändert werden. Dabei lieferte er sich zu dem Thema einen Schlagabtausch mit Vizekanzler Olaf Scholz (SPD).
Die Gesetzesnovelle ist derzeit in der parlamentarischen Beratung im Bundestag und muss anschließend auch noch durch den Bundesrat. Mehr dazu lesen Sie hier. Sie sieht unter anderem bundeseinheitliche Vorgaben wie Ausgangsbeschränkungen ab 21 Uhr in Regionen mit einer hohen Zahl an Corona-Neuinfektionen vor. Zudem soll es ab einer Inzidenz von 100 auch Restriktionen für den Handel geben.
Lindner bekräftigte, Maßnahmen, die sinnvoll wären, würden auf dem Tisch liegen. "Und ausgerechnet, wieder mit heißer Nadel gestrickt, kommt die Regierung mit einem Gesetz, das die offensichtlich pauschal nicht wirksame Ausgangssperre zum Gegenstand hat." Zudem schließe es Möglichkeiten aus, auf Basis von Tests Öffnungsschritte zu gehen, und nehme als alleinige Orientierungsmarke "diese 100er-Inzidenz".
Scholz hatte zuvor für die Ausgangssperre geworben. Er sei überzeugt, dass es die Maßnahme helfen werde. "Und deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass es richtig ist, sie in das Gesetz reinzuschreiben." Die konkreten Bedingungen werden laut Scholz nächste Woche mit Bund und Ländern beschlossen. Das müsse "klug und Lebensnah" geschehen. Dann sei die Regelung für viele Bürger auch eine Erleichterung, "weil sie dann wissen, woran sie sind."
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Linder: Gehen gegen Gesetz vor, sollte es nicht geändert werden
Lindner hielt dagegen. Die Wirkung einer Ausgangssperre sei umstritten. Dabei zog er das Beispiel Frankreich heran. Der "Dauerlockdown" dort sei einer neuen Studie zufolge nicht wirksam gewesen und habe möglicherweise in Städten wie Toulouse sogar eine Verschärfung herbeigeführt.
Das Problem, dass er mit dem Instrument habe sei zum einen, dass es sich nicht an gewichteten Inzidenzwerten ausrichte, und zum anderen, dass kein Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften gemacht werde. Wenn das Gesetz wegen etwa einer Klage eines Bürgers verworfen würde, dann wäre das mit einem "großen politischen Vertrauensschaden" verbunden. "Sollten Sie das beschließen, Olaf Scholz, dann werden wir mit der FDP in Karlsruhe dagegen klagen", erklärte Lindner.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Scholz versuchte daraufhin zu erläutern, warum die Maßnahmen dringlich seien: "Die Frage ob wir im Sommer Freiheiten zurück haben oder erst viel später, entscheidet sich im Prinzip in den nächsten Tagen. Und deshalb ist es so zentral, was wir jetzt machen." Über die Details des neuen Gesetzes ließe sich aber reden, so der Vizekanzler.
"Wir werden etwas machen müssen im Hinblick auf die Geimpften. Wir müssen sie so behandeln wie jemand, der einen tagesaktuellen Test hat", stimmte Scholz dem einen Kritikpunkt von Lindner zu. Bei den Details gerieten die beiden Politiker allerdings dann aneinander. Denn laut Scholz müsse eine solche Verordnung erst mit den Ländern und der Wissenschaft abgesprochen werden und könne dann später dem Gesetz beigefügt werden. Zwischen den beiden Politikern brach daraufhin ein Schlagabtausch über Zustimmungsfristen im Gesetzgebungsverfahren aus.
Er habe der Bundesregierung sechs Punkte vorgelegt, die geändert werden müssten, um die Zustimmung der FDP für das neue Gesetz zu bekommen, beendete Lindner am Ende die Debatte, als Scholz versuchte, ihn auf den Punkt mit den Geimpften festzunageln.
Lauterbach: "Ich kann die Debatte überhaupt nicht verstehen"
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte in der Sendung schnelles Handeln. Die Debatte, ob rechtlich alles hundertprozentig ausformuliert sei, sei jetzt fehl am Platz. "Hier sterben Leute wenige Wochen vor der Impfung. Das ist wirklich absurd. Da kommt es auf jeden Tag an." Deshalb müssten trotz möglicher rechtlicher Bedenken Ausgangssperren gewagt werden – wenn nicht ab 21 Uhr, dann wenigstens ab 22 Uhr. "Uns läuft die Zeit davon", sagte Lauterbach."Ich kann die Debatte überhaupt nicht verstehen und das tut übrigens auch kein Mediziner(...)".
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Lauterbach ordnete auch Lindners Toulouse-Beispiel ein: Die Toulouse-Studie sei weniger aussagekräftig als eine Oxford-Studie, die mehrere Regionen ausgewertet habe. Demnach habe es zwar Regionen gegeben, bei denen die Maßnahme einer Ausgangsbeschränkung nichts gebracht hat. "Aber wenn man jetzt alle zusammen auswertet statistisch, dann sieht man, das ist der Gesamtnutzen." Zudem habe man in der Oxford-Studie geschaut, welche Zusatzwirkung die Ausgangssperre in Kombination mit anderen Maßnahmen gehabt habe.
- "Maybrit Illner" vom 15.04.2021