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Corona-Regeln: Familiengericht in Weimar untersagt Maskenpflicht in Schulen


Fragwürdige Gutachter-Auswahl
Richter verbietet Schulen Maskenpflicht – Ministerium reagiert

Von t-online, wan, law

Aktualisiert am 11.04.2021Lesedauer: 3 Min.
Schüler mit Masken im Unterricht: Ein Thüringer Richter will Schulen die Befolgung von Schutzmaßnahmen verbieten.Vergrößern des Bildes
Schüler mit Masken im Unterricht: Ein Thüringer Richter will Schulen die Befolgung von Schutzmaßnahmen verbieten. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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In einer Entscheidung des Amtsgerichts Weimar wird zwei Schulen untersagt, Maskenvorschriften, Abstandsregeln und Schnelltests anzuwenden. Die Auswirkungen sind allenfalls minimal, erklärt das Bildungsministerium.

Ein Beschluss des Amtsgerichts Weimar schlägt Wellen: Corona-Verharmloser sehen darin einen Meilenstein, aber in der Praxis dürfte sich trotz der spektakulär anmutenden Entscheidung nichts ändern.

Im Beschluss eines Familienrichters geht es um angebliche "Kindeswohlgefährdung" durch die Schutzregeln. Das Familiengericht untersagt deshalb an den Schulen von zwei Kindern die Anordnungen:

  1. im Unterricht und auf dem Schulgelände OP-Maske oder FFP2-Maske zu tragen
  2. Mindestabstände untereinander oder zu anderen Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020 Gekannte hinausgehen,
  3. an Schnelltests zur Feststellung des Virus SARS-CoV-2 teilzunehmen.

Das soll nicht nur für die beiden Kinder gelten, sondern dem Beschluss zufolge für alle Schüler und Schülerinnen an diesen beiden Schulen. Dort würden damit faktisch die Regeln zur Eindämmung der Pandemie völlig außer Kraft gesetzt.

Das Bildungsministerium Thüringen reagierte am Sonntag: Es sei zweifelhaft, ob der Beschluss wegen vieler Ungereimtheiten überhaupt irgendeine rechtliche Wirkung habe. In jedem Fall betreffe er nur die zwei Kinder, deren Mutter vor Gericht gezogen war. Ansonsten gelten an den zwei Schulen in Weimar und im ganzen Freistaat die Infektionsschutzmaßnahmen (...) unverändert". Das Gericht könne – wenn überhaupt – nur Entscheidungen für die Menschen treffen, die am Verfahren beteiligt sind – also nicht für andere Kinder. Das Ministerium listet aber auch eine Reihe möglicher Rechtsfehler auf und kommt generell zu dem Schluss: "Der Beschluss wirft gravierende verfahrensrechtliche Zweifel auf."

Auf über 170 Seiten wird unter dem Aktenzeichen Az.: 9 F 148/21 massive Kritik an Maskenvorschriften und PCR-Tests zitiert. Herangezogen wurden vom Gericht drei Gutachter, die alle als Kritiker der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bekannt sind und wissenschaftliche Außenseiterpositionen vertreten.

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In den Entscheidungsgründen wird unter anderem der "fehlende Nutzen des Maskentragens und des Einhaltens von Abstandsvorschriften für die Kinder selbst und Dritte" und die "Ungeeignetheit von PCR-Tests und Schnelltests zur Messung des Infektionsgeschehens" angegeben. Bei dem Beschluss handelt es sich um eine Einstweilige Anordnung, eine Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

Juristen zweifelten zunächst an Echtheit

Der Beschluss wurde ab Samstagnachmittag von "Querdenkern" massiv in sozialen Netzwerken verbreitet. Juristen konnten sich zum Teil nicht vorstellen, dass ein Familienrichter selbst so eine Entscheidung getroffen hat. "Beschluss des AG Weimar fake? Der Beschluss stammt zwar sicher aus juristischer Feder, erscheint in vielerlei Hinsicht zumindest ungewöhnlich, sodass Zweifel an der Echtheit angebracht sind. .." schrieb etwa Chan-jo Jun, ein Rechtsanwalt aus Würzburg.

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Das Bildungsministerium verweist darauf, dass das Familiengericht gar nicht die Zuständigkeit habe, Infektionsschutzmaßnahmen oder Rechtsverordnungen der Landesregierung zu überprüfen – das machen Verwaltungsgerichte. Es werde "schnellstens eine obergerichtliche Prüfung des Beschlusses" angestrengt. Dem Land und den Schulen liege der Beschluss nicht einmal in ordnungsgemäßer schriftlich ausgefertigter Form vor. In dem Verfahren hatten Land und Schulen offenbar überhaupt nicht Stellung genommen.

In dem Text der Weimarer Entscheidung, der t-online vorliegt, werden die Stellungnahmen von drei Sachverständigen in voller Länge zitiert. Die Auswahl dieser völlig einseitigen Gutachter legt nahe, dass es dem Richter um eine Bestätigung seiner möglichen eigenen Position ging.

Unter anderem wird die Biologin Ulrike Kämmerer aufgeführt, die etwa die Virus-Nachweisbarkeit durch PCR-Tests bezweifelt hatte. Ihre Kritik an einem Papier des Forschers Christian Drosten ist in Kreisen von Coronaleugnern und Querdenkern immer wieder verbreitet worden. Alle drei Gutachter gehören dem Verein MWGFD um Sucharit Bhakdi und Stefan Homburg an. Der Verein war etwa daran beteiligt, millionenfach Flyer mit irreführenden Informationen zum Coronavirus und zu Impfungen an Haushalte zu verteilen.

Ein Vertreter des Vereins selbst hatte auch dafür geworben, entsprechende Anträge an Familiengerichten zu stellen. Nach Informationen von t-online gab es auch bei anderen Gerichten entsprechende – erfolglose – Vorstöße.

Umstrittenes Urteil bereits im Januar

Das Amtsgericht Weimar war bereits im Januar in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte ein Richter einen Angeklagten freigesprochen, der wegen Verstößen gegen die Thüringer Corona-Verordnung vor Gericht stand. Der Richter hatte damals das allgemeine Kontaktverbot im ersten Lockdown 2020 als unverhältnismäßig und verfassungswidrig eingeschätzt. In seinem Urteil nannte er die Maßnahmen eine "katastrophale politische Fehlentscheidung".

Der Jurist hatte 2020 selbst vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht gegen Corona-Maßnahmen geklagt, aber zweimal verloren. Das Urteil aus dem Januar wurde nach einem bundesweiten Medienecho an das Oberlandesgericht Jena zur Überprüfung weitergeleitet.

Der aktuelle Beschluss wurde aber offenbar nicht von ihm getroffen. Er hat in Weimar demnach einen Richterkollegen, der ähnlich tickt wie er.

Der Text wurde mit einer Stellungnahme des Bildungsministeriums aktualisiert.

Verwendete Quellen
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