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Sputnik V: Auch Mecklenburg-Vorpommern zieht an Jens Spahn vorbei


Eine Million Vakzin-Dosen gesichert
Sputnik V: Auch Mecklenburg-Vorpommern zieht an Spahn vorbei


Aktualisiert am 08.04.2021Lesedauer: 6 Min.
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Er will mit Russland verhandeln - hat aber Bedingungen.Vergrößern des Bildes
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Er will mit Russland verhandeln – hat aber Bedingungen. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Gesundheitsminister Spahn will auf die EU-Zulassung von Sputnik V warten und erst dann ordern. Das geht einigen Länderchefs zu langsam. Sie schließen selbst Verträge – und wollen Putins Vakzin bald produzieren.

Im Ringen um Impfstoffe zieht ein weiteres Bundesland an der Bundesregierung vorbei und sichert sich das russische Sputnik-Vakzin noch vor einer möglichen EU-Zulassung: Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) teilte am Donnerstag in Schwerin mit, dass sich das Land gegenüber Russland eine Option auf eine Million Impfdosen gesichert habe. "Wir sind aktuell noch in einer Phase, wo es große Abhängigkeiten von noch zu wenigen Herstellern gibt", begründete Glawe den Vorstoß.

Mecklenburg-Vorpommern versuche auch eigene Wege zu gehen, um das Tempo und die Planbarkeit der Impfungen zu verbessern. "Wir sind interessiert an langfristigen Kooperationen mit Russland. Darüber hinaus prüft das Land, ob im Land ansässige Firmen eine Abfüllung oder Produktion ermöglichen könnten", sagte Glawe.

Außerdem verhandelt auch das Land Brandenburg mit Russland über Lieferungen von Sputnik V. Das berichtete am Donnerstag die "Märkische Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Konkrete Vertragsverhandlungen gebe es aber noch nicht.

Bayern plant direkte Einfuhr und Produktionsstätte

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Mittwoch bereits einen Alleingang angekündigt: Bayern wolle noch am selben Tag einen Vorvertrag zwischen Bayern und den Sputnik-Produzenten abschließen, um sich 2,5 Millionen Dosen des Impfstoffs zu sichern. Zur raschen Lieferung, sobald der Impfstoff zugelassen ist. Neben der Option auf eine direkte Einfuhr soll auch in Bayern eine Produktionsstätte durch die Firma R-Pharm Germany GmbH in Illertissen aufgebaut werden.

Damit überholen zwei Bundesländer Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der kündigte am Donnerstag bilaterale Gespräche mit Russland über Lieferungen von Sputnik V an – allerdings erst im Falle einer EU-Zulassung. Man müsse aber sehr aufpassen, dass dies nicht zu einer "Fata-Morgana-Debatte" werde, sagte er am Donnerstag im WDR5-"Morgenecho". Zunächst gehe es um die Zulassung durch die EU. "Dafür muss Russland Daten liefern." Solange dies nicht geschehe, könne es keine Zulassung geben. Die zweite Frage sei dann die der Bestellung, so Spahn.

Spahn pocht auf EU-Zulassung und Lieferzusagen

Die EU-Kommission hatte in einer Sitzung der EU-Gesundheitsminister am Mittwochabend erklärt, keinen Vorvertrag zu Sputnik V wie mit den anderen Impfstoffanbietern schließen zu wollen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Spahn habe bei dem Treffen angekündigt, dass Deutschland nun bilateral einen Vertrag verhandeln werde, um sich den Impfstoff zu sichern. Andere Länder – wie Österreich – sind bereits in Verhandlungen, um sich Sputnik in großen Mengen frühzeitig zu reservieren.

Im Gespräch mit dem WDR betonte Spahn am Donnerstag: Er habe im EU-Gesundheitsministerrat für Deutschland erklärt, dass "wir dann bilateral auch mit Russland reden werden, und zwar erst mal darüber, wann überhaupt welche Mengen kommen könnten", so der Minister.

Das Problem: Dauert die Zulassung von Sputnik zu lange, werden bereits andere Impfstoffe in großen Mengen geliefert. Spahn sagte, um wirklich einen Unterschied zu machen in der aktuellen Lage, müssten die Sputnik-Lieferungen "schon in den nächsten zwei bis vier, fünf Monaten kommen – ansonsten haben wir so oder so mehr als genug Impfstoff." Insofern erwarte er von Russland verbindliche Aussagen dazu, "wann welche Menge konkret nach einer Zulassung auch Deutschland erreichen könnte".

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Haseloff: Entscheidung über Sputnik-Produktion "in nächster Zeit"

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) begrüßt Spahns Plan, die Option auf Sputnik zu sichern: "Das ist der richtige Weg, ich begrüße das Vorgehen des Bundes", sagte der CDU-Politiker t-online am Donnerstag.

Haseloff wirbt seit Längerem für die Beschaffung von Sputnik für Deutschland. In seinem Bundesland steht außerdem das Unternehmen IDT Biologika direkt in Verhandlungen mit dem russischen Staatsfonds RDIF zur Produktion von Sputnik. "In nächster Zeit wird entschieden, ob bei IDT Sputnik produziert werden kann", kündigte Haseloff an. Noch gebe es wohl Diskussionen über mögliche Kapazitätsprobleme, weil bei IDT in Dessau auch Astrazeneca und Johnson & Johnson produziert werden solle, hieß es aus Haseloffs Staatskanzlei.

Ein Sprecher des Dessauer Unternehmens teilte t-online am Donnerstag mit: "Die Verhandlungen zwischen IDT Biologika und dem RDIF laufen nach wie vor, ohne dass bislang ein finales Ergebnis erzielt worden wäre."

Kritik an Alleingängen: "Wird das Verfahren weiter chaotisieren"

In Baden-Württemberg begrüßt man Spahns Ankündigung, sich Sputnik bilateral sichern zu wollen. "Das ist gut und richtig, dass man die verfügbaren Impfstoffe, die es auf dem Markt gibt, angesichts der Knappheit nutzt, um ein möglichst breites Angebot zu schaffen", sagte eine Sprecherin des Staatsministeriums t-online am Donnerstag.

Vom Vorpreschen in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hält man in Baden-Württemberg wenig. "Wenn man das Verfahren jetzt ändert, wird das das Verfahren nur weiter chaotisieren", hieß es. "Es gibt schon genug Verwirrung. Und es muss ohnehin auf die EU-Zulassung gewartet werden." Der Bund solle zuständig bleiben. In Baden-Württemberg werde es keinen Vorvertrag zu Sputnik geben.

Kretschmer: Viele Bundesländer haben Angebot erhalten

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält von Alleingängen der Bundesländer nichts – obwohl er seit Langem den Einsatz des russischen Impfstoffs in Deutschland stark befürwortet. "Das Angebot für Sputnik V haben viele Bundesländer erhalten", sagte er. "Es ist richtig, wenn der Bund die Verhandlungen übernimmt." Russland sei ein "großes Land der Wissenschaft", Grundvoraussetzung für den Sputnik-Einsatz bleibe aber die Zulassung durch die EU.

Ende April will Kretschmer nach Moskau reisen. "Meinen Besuch werde ich auch zu Gesprächen über die Impfstoffforschung und die Erfahrungen Russlands bei der Pandemiebekämpfung nutzen", so der Landeschef.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte ebenfalls an, die Bestellung des russischen Impfstoffs dem Bund überlassen zu wollen. "Wenn uns der Bundesgesundheitsminister sagt, dass Sputnik zur Verfügung steht, dass er zugelassen ist und durch die Stiko empfohlen ist, dann freue ich mich riesig darüber – und wir werden das dann ganz sicher auch verimpfen."

Ramelow warnt vor Impfstoffwettbewerb

Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) sagte t-online, er begrüße zwar, dass sein bayerischer Kollege für Deutschland "eine bestimmte Menge als Vororder" gesichert habe. Aber "leider haben die Gesundheitsminister nichts davon gewusst".

Er warnte vor einem Impfstoffwettstreit zwischen den Bundesländern: "Es wäre schön, wenn dies jetzt kein Wettbewerb werden würde, sondern die Bundesregierung endlich die verbindlichen Rahmenverträge verhandelt", forderte er.

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Impfkommission: Daten zu Sputnik "sehen sehr gut aus"

Am Donnerstag äußerte sich außerdem der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, im ZDF-"Morgenmagazin": Die publizierten Daten zu Sputnik V "sehen sehr gut aus", er wisse aber nicht, was der EU-Arzneimittelbehörde Ema noch an zusätzlichen Daten vorliege. "Wenn der Impfstoff geprüft und zugelassen wird, hätte ich persönlich dagegen nichts einzuwenden."

Auch er sieht Söders Vorpreschen skeptisch: "Dass das jetzt wieder als bayerischer Alleingang geplant sein sollte, wenn das denn so ist, davon bin ich nicht so sehr überzeugt."

EU-Prüfung könnte noch Wochen dauern

Nach russischen Angaben ist Sputnik V weltweit bereits in mehr als 50 Ländern zugelassen. Die EU-Arzneimittelbehörde (Ema) hat am 4. März mit der Prüfung einer EU-weiten Zulassung von Sputnik V begonnen. Erst wenn die Ema erste Ergebnisse wissenschaftlicher und klinischer Tests ausgewertet hat, kann das eigentliche Zulassungsverfahren beginnen. Dies dürfte einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.

Sputnik V könnte der erste nicht-westliche Corona-Impfstoff werden, der in der EU eine Zulassung erhält. Als Reaktion auf den Start der Ema-Prüfung stellte Russland die Belieferung der EU mit 50 Millionen Impfdosen ab Juni in Aussicht.

Manche Staaten sind bereits ohne die EU-Zulassung vorgeprescht und haben oder wollen nationale Zulassungen für Sputnik erlassen. Das EU-Mitglied Ungarn hat Sputnik V bereits im Februar eine nationale Zulassung erteilt und setzt das Mittel schon ein. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz befindet sich ebenfalls in Verhandlungen mit Russland und stellt eine mögliche nationale Zulassung in Aussicht.

Auch die Slowakei und Tschechien haben Sputnik-V-Dosen bestellt und angekündigt, für deren Einsatz nicht auf die Ema warten zu wollen. Ob die Slowakei den von der EU nicht zugelassenen russischen Impfstoff Sputnik V einsetzt, will der neue Gesundheitsminister Vladimir Lengvarsky erst Anfang kommender Woche entscheiden. Noch fehle ihm eine endgültige Stellungnahme des staatlichen Arzneimittel-Kontrollinstituts SUKL, erklärte er am Mittwoch der staatlichen Nachrichtenagentur TASR.

Experten kritisieren Propaganda und "neuen Rüstungswettlauf"

Russland hatte Sputnik V bereits im August zugelassen, noch vor dem Abschluss aller wissenschaftlichen Studien. Dies stieß international auf scharfe Kritik. Die Impfkampagne in Russland mit Sputnik V lief offiziell aber erst im Dezember an.

EU-Ratspräsident Charles Michel wirft Russland wie auch China vor, ihre Corona-Impfstoffe "für Propagandazwecke" einzusetzen. Auch internationale Experten sehen diese Gefahr. Der New Yorker Think Tank The Soufan Center verglich das Vorgehen Russlands und Chinas gar mit einem "neuen Rüstungswettlauf".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an das Bundesgesundheitsministerium sowie die Länder Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa
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