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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brinkhaus bei Lanz "Geld verdienen an der Krise, das geht nicht"
Die Union hat ein massives Lobbyismus-Problem. Da stellt sich Fraktionschef Ralph Brinkhaus vor Philipp Amthor: "Er hat ein Recht auf eine zweite Chance." Sascha Lobo warnt: "Sie unterschätzen die Wut der Menschen."
Die Gäste
Ralph Brinkhaus hat Philipp Amthor eine Standpauke gehalten und meint: Jetzt ist auch mal gut. Der Chef der Bundestagsfraktion von CDU/CSU hatte sich angesichts des Lobbyismus-Skandals in den eigenen Reihen bei "Markus Lanz" sicher auf schwierige Fragen eingestellt. Dass er dann aber vom Gastgeber und dem Blogger Sascha Lobo derart in die Ecke gedrängt wurde, war ihm dann irgendwann sichtlich zu viel. Dabei hatte alles so zivilisiert und allgemeingültig begonnen.
"Geld verdienen an der Krise, das geht nicht", stellte Brinkhaus zu Beginn der Sendung eine Selbstverständlichkeit klar. Mit Blick auf die sechsstelligen Summen, die die Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) für die Vermittlung von Geschäften mit Corona-Schutzmasken kassiert haben sollen, sagte er: "Das ist irre. Das ist mehr, als die Bundeskanzlerin verdient." "Rücktritte sind sehr aus der Mode gekommen", hatte Lanz in der Sendung vom 4. März ein wenig prophetisch die (fehlende) Haltung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach dem Maut-Debakel kommentiert. Nun musste er fragen: Wären Löbel und Nüßlein eigentlich auch ohne Druck aus ihren Parteien ausgetreten? Merke: der CSU-Mann hält noch an seinem lukrativen Bundestagsmandat fest.
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Nein, musste Brinkhaus bestätigen, ohne Druck wären die beiden Lobbyisten vermutlich geblieben. Ist das das Selbstverständnis der Union?, hakte Lanz nach. "Das ist das Selbstverständnis von Leuten, die sich in der Krise bereichern, nicht in der Union", bekräftigte Brinkhaus. Nur darf auch angesichts von Spendenaffären und aufgefrischter Amigo-Seilschaften aber schon mal die Frage gestellt werden, ob die Union einen bestimmten Typus Politiker besonders anzieht. Den, der sein Mandat für lukrative Geschäfte nutzt, seine unternehmerischen Interessen in Berlin vorantreibt und dem Schuldbewusstsein oktroyiert werden muss.
Brinkhaus verteidigt Amthor
Womit wir bei Amthor wären. Auf den wäre Brinkhaus vermutlich nicht so gern zu sprechen gekommen. Nicht mal ein Jahr nach dem Lobbyismus-Skandal um den jungen Hoffnungsträger der CDU feiert der auch schon wieder auf Platz eins der Landesliste in Mecklenburg-Vorpommern für die Bundestagswahl ein Comeback und wagt sich mit politischen Breitseiten gegen die SPD aus der Deckung. "Auch da werden wir jetzt nachziehen", versuchte Brinkhaus das Thema noch abzuwenden, als Lanz fragte, wie denn die bestehenden Transparenzregeln der Union im Fall Amthor funktioniert hatten.
Der Moderator ließ wie gewohnt nicht locker und stellte die Grundsatzfrage nach Macht und Moral. "Philipp Amthor hat sehr, sehr stark eingesehen, dass es falsch war, was er gemacht hat", sagte Brinkhaus. Er habe mit dem Parteifreund "ein intensives Gespräch" geführt. Dessen Fall sei aber nicht mit den aktuellen Lobbyismus-Skandalen vergleichbar. Damit scheint die Angelegenheit für den Unions-Politiker weitgehend abgehakt zu sein. "Er ist unter 30. Er hat das Recht, eine zweite Chance zu kriegen", sagte Brinkhaus. Diese Einschätzung verträgt sich seiner Ansicht nach offenbar mit dieser Forderung an seine Parteikollegen: "Ich kann nicht alles in Regeln fassen. Aber es funktioniert nicht ohne ein Mindestmaß an Moral."
Zur Erinnerung: Amthor war im Sommer 2020 wegen seiner Lobbyarbeit für das New Yorker Unternehmen Augustus Intelligence unter Druck geraten. Der "Spiegel" hatte berichtet, dass der Bundestagsabgeordnete per Brief an Parteifreund und Wirtschaftsminister Peter Altmaier um Unterstützung für die Firma geworben hatte. Entlohnt wurde Amthor von dem Start-up unter anderem mit Aktienoptionen, die laut "Handelsblatt" bis zu 250.000 US-Dollar hätten wert sein können. Brinkhaus hatte damals angekündigt, den Sachverhalt genau prüfen zu lassen.
Lobo wirft Regierung Versagen vor
Aktienoptionen als Mittel der Entlohnung habe bis dato niemand auf dem Schirm gehabt, sagte er nun bei Lanz. Da konnte Lobo nur lachen und unterstellte Brinkhaus wiederholt eine "lustige Unverschämtheit" und der Union Versagen auf ganzer Linie bei der Bekämpfung von Korruption auch in den eigenen Reihen. "Sie haben absichtlich Transparenz verhindert", sagte der Journalist mit Blick auf das Tauziehen um ein Transparenzgesetz oder Lobby-Register. Scharfe Kritik übte er auch an der Corona-Politik der Bundesregierung.
Da platzte Brinkhaus seinerseits der Kragen. Aus Versäumnissen müsse gelernt werden, meinte der Christdemokrat, lehnte sich jedoch seinerseits mit einem "Cancel Culture"-Gegenargument aus dem Fenster: "Aber wenn wir jeden, der einen Fehler macht, Herr Lobo, sofort bashen und sagen, der hat versagt, dann werden wir auch eine Fehlerkultur in diesem Land kriegen, wo jeder versucht, alle Fehler zu vertuschen."
"Vieles ist gut in der Krise gelaufen", versuchte Brinkhaus das Ruder herumzureißen. Da war er jedoch leider in der falschen Runde gelandet. Laborärztin Mariam Klouche kritisierte, dass die Politik sich in Kleinigkeiten wie die Beschaffung von Ausrüstung eingemischt habe. Stattdessen hätte sie sich lieber um die Rahmenbedingungen für die Bekämpfung der Pandemie kümmern sollen: "Dann hätte man gar kein Feld für Missbrauch schaffen können."
"Wir haben es nicht gut gemacht", widersprach auch der Intensivmediziner Tankred Stöbe. "Wir haben über 70.000 Tote. In Berlin sind über die Hälfte der Toten in Altenheimen gestorben. Das ist unerträglich." Er forderte eine starke, glaubwürdige, mutige Regierung, die gute Lösungen anbiete. Deutschland stehe angesichts von Öffnungen bei steigenden Infektionszahlen vor einer dritten Corona-Welle. "Die ist dann politisch zu verantworten", warnte der Mediziner.
- "Markus Lanz" vom 9. März
- "Handelsblatt" zu Amthors Aktienoptionen