Neue Mutation breitet sich schnell aus Experten fordern von Politik noch schärfere Maßnahmen
Mehrere Gesundheitsexperten appellieren an die Politik, schärfere Maßnahmen bei der Pandemiebekämpfung zu verabschieden. Sie warnen, dass neuen Mutationen die Lage verschärfen.
Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten sind am Montagabend von Experten eindringlich vor der Gefahr der Coronavirus-Mutationen gewarnt worden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters aus Teilnehmerkreisen warnten etwa die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann sowie der Helmholtz-Infektionsforscher Michael Meyer-Hermann davor, dass sich die Virus-Mutationen auch in Deutschland schnell ausbreiten würden. Deshalb müssten die Infektionszahlen mit harten Maßnahmen schnell nach unten gedrückt werden.
Ähnlich argumentierte Rolf Apweiler, Direktor des European Bioinformatics Institute Cambridge. Er warnte, dass die in Großbritannien festgestellte Virus-Variante für sechs bis achtmal mehr Corona-Fälle im Monat sorge als das herkömmliche Virus. Er forderte einen "scharfen Lockdown", schnelles Impfen und breite Gensequenzierung zur Erkennung der Virus-Varianten, um die Infektionszahlen schnell zu senken. Wenn aber der politische Wille fehle, würden auch die besten Teststrategien nichts bringen, warnte er.
Marburger Bund: Kliniken brauchen Entlastung
Der Ärzteverband Marburger Bund dringt auf eine weitere Verlängerung des Lockdowns, um schwere Corona-Fälle nicht nur in Intensivstationen abzuwenden. Die Vorsitzende Susanne Johna sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die derzeitigen Kontaktbeschränkungen scheinen mehr und mehr zu wirken." Der eingeschlagene Weg sollte daher vorerst weiter beschritten werden, bis die Infektionszahlen ein beherrschbares Niveau erreicht hätten. "Wir brauchen in den Kliniken weiter dringend eine Entlastung." Gingen die Covid-19-Fälle zurück, helfe das Ärzten, aber auch Patienten mit verschobenen Eingriffen.
Sie störe, dass in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach allein die Belegung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten und Todesfälle als Gradmesser für die Gefährlichkeit des Virus gelten. "Es gibt Tausende von Patienten, die auf Normalstationen und in Ambulanzen behandelt werden und erhebliche Krankheitssymptome aufweisen", sagte Johna vor Beratungen von Bund und Ländern zum weiteren Vorgehen am Dienstag.
R-Wert muss unter eins bleiben
Der Berliner Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin warnte, dass sich die hochansteckende Mutation B117 bis Mitte März in Deutschland ausbreite. Er habe in verschiedenen Modellen vorgestellt, welche Auswirkungen mögliche Öffnungsschritte hätten, hieß es aus Teilnehmerkreisen weiter. Den R-Faktor, der angibt, wie viele Personen ein Infizierter rechnerisch ansteckt, habe Nagel für die Arbeit und Schulen jeweils mit 0,15 angegeben. Der Ansteckungsfaktor zuhause und in der Freizeit betrage je 0,4. Wenn man Schulen öffnen wolle, müssten andere Aktivitäten weiter beschränkt bleiben, weil der R-Faktor insgesamt nicht über eins steigen dürfe.
Nagel halte eine strikte Einschränkung aushäusiger Aktivitäten, eine Ausgangssperre am Abend sowie FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz für sinnvoll. Wenn man Schulen öffne, sollten die Klassen halbiert werden und alle Kinder FFP2-Masken tragen.
Am Dienstag kommen Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Welche Maßnahmen aktuell als wahrscheinlich gelten, lesen Sie hier.
- Nachrichtenagenturen Reuters