Sachsen-Anhalt Eskaliert heute der Koalitions-Zoff um den Rundfunkbeitrag?
Blockiert Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in Deutschland? Vielleicht durch ein gemeinsames Nein von CDU und AfD? Heute steht eine richtungsweisende Entscheidung an.
Der Streit der Magdeburger Koalition zum Rundfunkbeitrag in Deutschland droht endgültig zu eskalieren. Eine eilig einberufene Krisensitzung in der Staatskanzlei ging am Dienstagabend nach mehr als drei Stunden ohne Durchbruch zu Ende, wie CDU-Landeschef Holger Stahlknecht in der Nacht zu Mittwoch sagte.
Am Mittwochvormittag (10 Uhr) kommt der Medienausschuss zusammen, der laut bisheriger Tagesordnung eine wegweisende Empfehlung für die finale Landtagsabstimmung Mitte Dezember beschließen soll.
Bereits vorher wollen CDU, SPD und Grüne im Parlament zu getrennten Sitzungen zusammenkommen, um auf dem letzten Meter noch ein einheitliches Vorgehen auszuhandeln. Das teilten die Chefs der drei Parteien nach stundenlangen Krisensitzungen in der Nacht zu Mittwoch mit. Es solle konstruktiv weiter verhandelt werden. Wie nahe das Bündnis einer Einigung bereits gekommen ist, blieb offen.
Paktiert die CDU mit der AfD?
Eigentlich ist geplant, dass der Rundfunkbeitrag für die öffentlich-rechtlichen Sender zum 1. Januar 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro monatlich steigt. Doch die CDU in Sachsen-Anhalt ist dagegen. Sie könnte das Vorhaben trotz gegensätzlicher Position der Koalitionspartner SPD und Grüne durchsetzen – indem sie gemeinsam mit der oppositionellen AfD gegen das eigene Bündnis eine Mehrheit bildet.
SPD und Grüne kündigten bereits an, in diesem Fall keine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit der seit 2016 bestehenden Kenia-Koalition zu sehen. Beide Parteien wollen dem Staatsvertrag zustimmen – und schlugen als Kompromiss vor, weitere Verhandlungen zur Beitragshöhe oder grundsätzlichen Fragen zu den Öffentlich-Rechtlichen einzuleiten.
CDU will Staatsvertrag neu verhandeln
Die Christdemokraten und Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) brachten jüngst den Vorschlag ein, den Staatsvertrag vor einer endgültigen Abstimmung zurückzuziehen – und nachzuverhandeln. Wegen "der weltgrößten Krise, die wir haben, der Corona-Krise", sei die jetzige Fassung des Staatsvertrags nicht entscheidungsreif, sagte CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt.
Faktisch wird die Anhebung damit ebenfalls blockiert, nur das gemeinsame Votum von CDU und AfD wird vermieden. Alle Länderparlamente müssen bis Ende dieses Jahres zustimmen, sonst muss ein neuer Staatsvertrag verhandelt werden. Die Lage in Sachsen-Anhalt zeige, dass die AfD wirke, teilte AfD-Bundeschef Jörg Meuthen mit. Die CDU-Fraktion im Landtag unterstütze die AfD weiterhin bei ihrem Nein zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags.
Geht der Fall vor das Verfassungsgericht?
Hintergrund: Die geplante Anhebung wurde von der unabhängigen Kommission KEF berechnet und von allen Ministerpräsidenten abgezeichnet. Allerdings müssen alle Länderparlamente zustimmen. Der Rundfunkbeitrag ist die wichtigste Einnahmequelle von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Bei einem Veto aus Sachsen-Anhalt gilt es als wahrscheinlich, dass Sender vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Grünen-Landeschef Sebastian Striegel will einen eigenen Kompromissvorschlag diskutieren: Seine Partei schlage vor, den Vertrag jetzt zu beschließen, aber die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags erst Mitte 2021 in Kraft zu setzen. Dann könne der Staatsvertrag mit all seinen anderen Änderungen bundesweit in Kraft treten – die Länderchefs hätten aber noch ein halbes Jahr Zeit, um über eine Beitragshöhe zu verhandeln, die die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie berücksichtige.
Bayern: Kein Spielraum für Nachverhandlungen
Andere Bundesländer lehnen Nachverhandlungen ab. Ein Ergänzungsgutachten der KEF sei von keinem der anderen Landtage gefordert worden, teilte die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) mit. Zudem müsste es bis Ende Dezember vorliegen. Soweit der Vorschlag aus Sachsen-Anhalt darauf abziele, "die Beitragsanpassung jetzt nicht umzusetzen, sondern zu verschieben", würden die anderen Länder das nicht aufgreifen können.
Auch die CSU-geführte Regierung in München sieht keinen Spielraum: "Es gibt nur hopp oder top. Eine Nachverhandlung wird es aus bayerischer Perspektive nicht geben", sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Sitzung des Kabinetts in München. Aus bayerischer Sicht sei die geplante Erhöhung um 86 Cent angemessen und erforderlich. "Das ist eine moderate Erhöhung und kein großer Schluck aus der Pulle", sagte Herrmann. Auch mit dieser Erhöhung werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk weiter sparen müssen.
Ob und wann sich die Koalitionäre in Magdeburg doch noch auf eine gemeinsame Linie einigen, ist offen. Zunächst beraten die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen jeweils getrennt die Situation. Spätestens am kommenden Dienstag steht das nächste reguläre Spitzentreffen der Regierungspartner an.
- Nachrichtenagentur dpa