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Bizarres Bündnis: Mit Gandhi und Gewalttätern gegen Corona und Regierung


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Bizarres Bündnis
Mit Gandhi und Gewalttätern gegen Corona und Regierung


Aktualisiert am 28.08.2020Lesedauer: 6 Min.
Gandhi und Reichsflagge: Die Demonstrationen von "Querdenken" blieben lange weitgehend friedlich und wurden nicht von Extremisten bestimmt. Doch von dort wurde immer stärker mobilisiert.Vergrößern des Bildes
Gandhi und Reichsflagge: Die Demonstrationen von "Querdenken" blieben lange weitgehend friedlich und wurden nicht von Extremisten bestimmt. Doch von dort wurde immer stärker mobilisiert. (Quelle: Mang/Bensch/reuters)
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Die Sorge ist groß, dass die Demonstrationen

Ein Interview zeigt anschaulich, wie wahllos sich die "Querdenker" Verbündete für ihre Corona-Demos suchen. Wie die, die am Wochenende in Berlin geplant ist. Mütter in Angst vor einem Piekser für ihre Kinder finden sich deshalb auf dem bevorstehenden Klassentreffen von Deutschlands Neonazis und Rechtsextremen. t-online.de dokumentiert, welche Mischung von Menschen am Samstag in Berlin auf die Straße gehen will.

In dem angesprochenen Interview auf YouTube sagt Michael Ballweg, Anmelder der größten Corona-Demos, dass dazu zwar nicht Gewerkschaften oder Kirchen aufrufen. "Aber es gab ein Video von einem Abgeordneten." Andreas Wild aus dem Berliner Abgeordnetenhaus sei das gewesen, ergänzt der Interviewer. Wild habe viele Sympathien für Ballwegs Bewegung. "Das ist schön", antwortet Ballweg, Gründer von "Querdenken-711". "Das freut mich." Andreas Wild wurde von der Berliner AfD-Fraktion wegen rechten Provokationen ausgeschlossen.

Organisator spricht von "bunter Mischung"

In Ballwegs Heimat Stuttgart muss man Wild und seinen Skandal nicht kennen: Er war bundesweit mal in den Medien wegen eines Auftritts beim Gedenken zur Reichspogromnacht mit Kornblume am Revers, einst Erkennungszeichen der von Hitler geschätzten antisemitischen Schönerer-Bewegung. Aber die Anekdote zeigt, dass Ballweg nicht lange fragt, wer auf seinen Zug aufspringt.

Manche fragten ihn, ob sie aufrufen dürfen, andere machten einfach, sagte Ballweg in dem Interview am Wochenende. Er wisse von der Unterstützung der Impfgegner, der Naturschützer, der Querdenken- und Grundrechte-Initiativen. "Da hat sich eine bunte Eigendynamik entwickelt."

In das Bunt mischt sich immer mehr Blau-Braun: NPD und die rechtsextreme Kleinstpartei III. Weg werben in ihren Kanälen intensiv, verurteilte Gewalttäter sind darunter. Es gibt Aufrufe von Pegida und aus dem "Blood & Honour"-Umfeld, Identitäre mobilisieren und Reichsbürger. Spät, aber dafür umso massiver, ist die AfD zugestiegen. "Je mehr AfD'ler am Samstag nach Berlin kommen, desto besser und hochwertiger wird die Demo", schrieb der Abgeordnete Stephan Brandner.

"Viele sind da etwas rechts rechts"

Inzwischen mischen offenbar sogar aus den Niederlanden Rechtsextreme mit – und das hat mit Corona-Maßnahmen nichts mehr zu tun: "Aus Protest wurde Widerstand – gegen linken Terror", steht unter einem Aufruf für den 29. August mit dem Logo der "Anti-Antifa Holland". Görlitzer "Patrioten" wollen Kontakt gehabt haben. In deren Telegram-Gruppe gab es aber auch die Warnung: "Mit denen muss man ab und zu aufpassen. Viele sind da etwas rechts rechts."

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Miro Dittrich, der bei der Amadeo-Antonio-Stiftung intensiv rechtsextreme Foren im Netz beobachtet, sagt: "Ein ähnlich breites Bündnis haben wir zuletzt bei den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 gesehen." Damals bestand ein Drittel des sogenannten AfD-Trauermarschs aus dem Verfassungsschutz namentlich bekannten Rechtsextremisten. Terrorsympathisanten und verurteilte Gewalttäter liefen an der Seite von Bundestagsabgeordneten. Am Ende des Zugs von Pro Chemnitz und AfD tauchte der heute geständige Lübcke-Attentäter Stephan E. auf – in der ersten Reihe stand Björn Höcke.

Meuthen warnte vor Aufrufen

Diesmal kämen noch weitere Querfront-Szenen aus nicht explizit rechten Milieus hinzu, sagt Dittrich. Höcke ist aber jetzt wieder zumindest bei der Mobilisierung vorne dabei. Als der Großteil der AfD-Politiker noch unschlüssig war, rief er auf: "Bitte kommen Sie am 29. August nach Berlin." Dabei warnte Parteichef Jörg Meuthen laut "Redaktionsnetzwerk Deutschland" intern: Wer zur Teilnahme aufrufe, unterstütze Reichsbürger, Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker. Inzwischen überbieten sich AfD-Politiker mit Aufrufen.

Ausschlaggebend war spätestens, als die Polizei das Verbot der Demos wegen der erwarteten vielfachen Verstöße gegen die Auflagen verfügte. Unterstützung ließ sich jetzt einfach als Kampf für Grundrechte darstellen – und unterdrückt fühlen sich AfD-Sympathisanten vielfach. Berlins Innensenator Geisel hatte mit einer unglücklichen Aussage zudem den Eindruck erweckt, beim Verbot sei es um politisch unliebsame Meinungen gegangen. Dabei sind die Gründe im Verbotsbescheid ganz andere. Das Verwaltungsgericht hat das Verbot auch am Freitag aufgehoben.

Waffenaufruf von Sensenmann

In Telegram-Gruppen zeigte sich nach der Absage sofort ungeschminkt Wut und Aggression: "Generalstreik, bis dieses Gesindel verhaftet worden ist und in KZ sitzen", schrieb ein Nutzer bei "Corona-Rebell Sachsen". Und in einer Gruppe, die sich fast ausschließlich Demos widmet, erklärte der Administrator: "Ab jetzt sind auch Waffen zur Gegenwehr erlaubt. Wir wollten es friedlich machen."

Nach t-online.de-Informationen handelt es sich bei dem Administrator um einen Berliner, der mit Gewalt und Gewaltfantasien schon mehrfach aufgefallen ist: 1999 war er mit einer Waffe vor laufenden Kameras in ein n-tv-Studio eingedrungen, 2011 hatte er mit einer Axt in einem Berliner Jobcenter einen Computer zertrümmert. 2017 stand er vor Gericht, weil er im Internet eine Aktion zur Absetzung der Kanzlerin angekündigt hatte. "Sturm auf den Reichstag" hatte er das genannt.

Am Mittwoch trendete "#SturmaufBerlin" auf Twitter. Von dem Mann gab es da bereits ein Video mit Sense in der Hand, in dem er fordert, am 29. August den Reichstag zu stürmen. Bereits am 1. August hatte es solche Fantasien gegeben. Ein AfD-naher YouTuber fragte sogar penetrant auf der Querdenken-Bühne Polizisten, ob Merkel in Sicherheit sei. Er sei Journalist, er müsse das wissen.

"Querdenker" wollen mit Liebe assoziiert werden

Auf Berichte über Gewaltaufrufe und Rechtsextreme auf ihren Demos reagieren "Querdenker" empfindlich: Die Systempresse wolle sie mit solchen Berichten diskreditieren, heißt es dann. "Querdenker" tragen Gandhi-Plakate und Regenbogenfahnen, reden gerne von Liebe, von Freiheit, von Frieden. Ihr stets im roten T-Shirt auftretender Pressesprecher, Gründer der "PeaceCrowd", hat zwar klar rassistische und muslimfeindliche Postings abgesetzt. Aber die meisten dürften wirklich überzeugt sein, dass sie nur die besten Absichten haben. Die Veranstalter sollen keine Probleme gehabt haben, Freiwillige für Deeskalationsteams zu finden.

Und vom Verfassungsschutz gibt es eine Einschätzung, die Corona-Demos wie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor sich her tragen: Rechtsextremisten sei es nicht gelungen, die "Hoheit über das Demonstrationsgeschehen zu bekommen", sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang.

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In Teilen der Szene war das aber auch nicht das Ziel: Schon im Mai hatte Martin Sellner, Gesicht der Identitären Bewegung, aufgefordert, "Patrioten" sollten unbedingt bei den Protesten mitmachen. Doch das sollten sie "als Personen, nicht als Bewegung". Offensichtliche Beteiligung könne abschrecken: "Damit würde man dem Protest die Massenbasis nehmen."

Aus Gelbwesten wurden Corona-Rebellen

Es sei ein notwendiges, temporäres Zweckbündnis. Mal wieder: Auch in die "Gelbwesten"-Bewegung hatte Sellner kurzzeitig Hoffnung gesetzt. Die Bewegung verpuffte in Deutschland, weil auch schnell klar wurde, dass Rechtsextreme übernehmen und den Migrationspakt zum Thema machen wollten. Es gibt Gelbwesten-Gruppen auf Telegram, die umbenannt wurden und manche, die bei den Gelbwesten lokal Proteste anführten, organisieren nach t-online.de-Recherchen nun als "Corona-Rebellen" Fahrten zu Kundgebungen mit.

Die Extremismusforscherin Julia Ebner sieht in den Demos die große Gefahr, dass sie zu einer Vernetzung von Menschen aus der bürgerlichen Mitte mit Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern führen können. Deshalb sei es auch wichtig, nicht pauschal alle Teilnehmer solcher Demos zu dämonisieren: "Wenn sich jemand persönlich erniedrigt fühlt, löst das häufig einen Radikalisierungsprozess erst aus", sagte sie in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung".

Manche Corona-Rebellen haben durch ihre Überzeugungen und wenig diplomatische Haltung auch ihren irritierten Freundeskreis verloren und mit der Familie gebrochen. Auf den Demos und in den Gruppen finden sie Menschen, die sie nicht wie Spinner behandeln.

Neurechte: "Kaum jemand wird zuhause bleiben"

Und Rechtsextreme schöpfen Hoffnung. In den Demos drücke sich vielleicht ein "allgemeiner Unmut gegen die Merkel-Regierung und den Globalismus" aus, schrieb Sellner. Corona steht für ihn nicht im Vordergrund. Von einer Pandemie könne sich ein Volk schnell erholen, das zentrale Problem bleibe der "Bevölkerungsaustauch", sagte er in einem Video. Wenn man aber die "Virusdiktatur" zulasse, dann werde auch der Widerstand gegen die Migrationspolitik immer schwieriger. Er fordert nun in einem Text in der neurechten Zeitschrift "Sezession": "Alles nach Berlin!"

Der Verleger der Zeitschrift, Götz Kubitschek, ist ein anderer Vordenker der rechten Szene und kündigte an: "Kaum jemand aus meinem weiteren Umfeld wird zuhause bleiben." Die vom Verfassungsschutz beobachtete Zeitschrift "Compact" steht nicht zurück, sie kündigte gleich eine eigene Veranstaltung in Berlin mit dem rechtsextremen Rapper Chris Ares an. Von der Titelseite der Zeitschrift prangt ein "Q".

"Q" wie Querdenker und QAnon

"Q" wie Querdenker oder wie QAnon. Die in Amerika entstandene Verschwörungsbewegung glaubt, dass geheime globale Eliten Kinder gefangen halten, und hat in der Corona-Krise großen Zulauf erhalten. In den Gruppen verschwimmen Grenzen zwischen beiden, auf einer "Querdenken"-Demo in Mannheim stimmte der Moderator das "QAnon"-Motto an und ließ die Zuhörer die Redewendung vollenden.

Auch QAnons rufen zum Gang nach Berlin auf. Andere ärgern sich, dass durch "Compact" ihr Q verwässert wird, "Querdenker" seien auch nur Teil des "Deep States". Dabei orakelt "Compact" doch noch: Es könnten zu den Demos "Millionen kommen, um zu bleiben. Zu bleiben bis die Regierung stürzt?"

Beim Meditieren Gefühl für schnellen Wandel

So eine Strategie hat auch "Querdenker" Ballweg: 14 Tage Blockade der "Straße des 17. Juni" durch mehrere tausend Camper plante er, das erzeuge so einen Druck, dass die Regierung gehen müsse. Die Rücktrittsrede für sie gebe es ja schon, geschrieben von Anselm Lenz, Organisator der Berliner Hygienedemos und eigentlich aus dem linken Lager. Es könne auch schneller gehen als 14 Tage, so Ballweg. "Beim Meditieren" hat er das Gefühl bekommen, dass sich um den 10./11. September was tun werde. Das Lager der "Quer-Camper" ist inzwischen untersagt.

Aber auf sein Gefühl kann sich Ballweg auch nicht unbedingt verlassen. Er hat Donald Trump für den 29. August als Redner eingeladen. Jubel auf den Demos, Hohn und Spott auf Twitter. Auch, als er Putin einlud. Zumindest die beiden werden wenig überraschend nicht kommen.

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